Parlamentskorrespondenz Nr. 431 vom 06.05.2020

Corona-App: EU-Ausschuss des Bundesrats für Freiwilligkeit und Datenschutz

Debatte über COVID-19-Hilfsprogramme auch für Kurzarbeit und Ausweitung des EU-Solidaritätsfonds

Wien (PK) – Einige COVID-19-Hilfsprogramme auf EU-Ebene standen heute im EU-Ausschuss des Bundesrats zur Diskussion. Konkret wurde über die Verordnungsvorschläge zur finanziellen Unterstützung für besonders von der Pandemie betroffene EU-Mitgliedstaaten und zum Kurzarbeitsprogramm SURE debattiert. Außerdem berieten die BundesrätInnen über die Möglichkeit einer einheitlichen Vorgangsweise der Mitgliedstaaten, was die Nutzung von Mobil-Apps und anonymisierten Mobilitätsdaten betrifft. Mit zwei von drei angenommenen Anträgen auf Stellungnahme pochten die BundesrätInnen zum App-Thema auf Freiwilligkeit und Datenschutz.

EU empfiehlt Vereinheitlichung von COVID-19-Apps

Von der Kommission wurde eine Empfehlung für ein gemeinsames EU-Instrumentarium zum Einsatz von Mobil-Apps zur Verwendung anonymisierter Mobilitätsdaten vorgelegt. Diese sollen zur Präzisierung von Social-Distancing-Maßnahmen, zur Erleichterung von Warnungen sowie zur Kontaktverfolgung eingesetzt werden. Eine diesbezüglich unionsweit einheitliche Vorgehensweise wird für die Bekämpfung der Corona-Krise als wesentlich angesehen, weil so etwa der Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet wäre. Die Kommissionsempfehlung entfaltet allerdings keine unmittelbaren gesetzlichen Umsetzungsverpflichtungen, sondern stellt lediglich einen Rahmen für die Entwicklung entsprechender Mobil-Apps bereit. Österreich unterstütze eine unionsweit einheitliche Vorgehensweise ausdrücklich, sofern sie mit der Gewährleistung hoher datenschutzrechtlicher Standards, anonymer und dezentraler Datenspeicherung, Open-Source-Technologien sowie der Nutzung nach dem Prinzip der Freiwilligkeit einhergeht.

Da die operative Umsetzung des Identifizierungssystems für neu auftretende COVID-19-Fälle und die Nachverfolgung der Kontaktpersonen durch die Bezirksverwaltungsbehörden derzeit manuell ablaufe, würde die Empfehlung digitaler Unterstützungsmöglichkeiten sehr nahe liegen, meinte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums. Auch im Sinne internationaler Vernetzung sei der EU-Vorschlag richtig, so der Experte. Die freiwillige Verwendung der "Stopp-Corona"-App des Roten Kreuzes werde empfohlen.

Auf Rückfragen von Wolfgang Beer (SPÖ/W) und Bernd Saurer (FPÖ/W), etwa was die Anonymisierung der Daten anbelangt, betonte er, die App sei als eine reine Serviceleistung und zwar ergänzend zu den behördlichen Maßnahmen des Tracing gedacht. Zwischen der App und gesundheitsbehördlichen Vorgaben könne und dürfe es aber keinen Automatismus geben. In der österreichischen App sei jeder Benutzer nur als Zahl erkennbar und er oder sie alleinig dafür verantwortlich, etwaige Kontakte, die ebenso nur als anonyme Zahl ersichtlich seien, gegebenenfalls zu warnen. Die Behörde habe keine Informationen über diese Kontakte, Informierte haben von sich aus die Möglichkeit, mit der Behörde in Kontakt zu treten, so der Experte. Die App löse jedenfalls keinen behördlichen Vorgang aus.

Ein Experte des Landwirtschaftsministeriums unterstrich, die Anonymisierung sei dadurch gegeben, dass nur Codes, also Zahlen, ausgetauscht werden, die sich zudem ständig ändern würden. Anpassungen, an denen laufend gearbeitet werde, würden dazu dienen, Vertrauen in die Sinnhaftigkeit und den Nutzen zu schaffen.

BundesrätInnen aller Fraktionen machten sich für die diesbezügliche Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards stark. ÖVP und Grüne gemeinsam sowie jeweils SPÖ und FPÖ brachten dazu insgesamt drei Anträge auf Stellungnahme an die Bundesregierung ein, wobei jene beiden von SPÖ und FPÖ mit der Mehrheit dieser beiden Fraktionen angenommen wurden, jener von ÖVP und den Grünen blieb in der Minderheit.

Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) verdeutlichte ihre Unterstützung für eine einheitliche europäische Vorgangsweise und betonte wie auch Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S), dass der Erfolg der von der Bundesregierung empfohlenen Contact-Tracing-App stark mit dem Vertrauen der Bevölkerung zusammenhänge. Sie brachte den entsprechenden ÖVP-Grüne-Antrag auf Stellungnahme ein, der die fachzuständigen MinisterInnen dazu auffordert, auf europäischer Ebene für diese Apps für das Prinzip Freiwilligkeit und für Datenschutz einzutreten. Eder-Gitschthaler unterstrich, es vereine alle Fraktionen, dass Grundrechte in keiner Art und Weise in Frage gestellt werden dürfen. Eine Nichtverwendung dürfe auch nicht zu einer Benachteiligung oder einem Zwang führen, ergänzte Adi Gross (Grüne/V). Es mache Sinn, europaweit klare Kriterien festzulegen, zumal der Minister mehrfach betont habe, dass die Themen Freiwilligkeit und Datenschutz sehr hoch hängen.

Monika Mühlwerth (FPÖ/W) befürchtet allerdings einen gefährlichen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte der BürgerInnen und stellte den Antrag auf Stellungnahme, die Bundesregierung möge klar gegen eine verpflichtende Verwendung von "Überwachungsapps" auftreten. Der SPÖ-Antrag auf Stellungnahme, den Stefan Schennach (SPÖ/W) einbrachte, fordert die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass die Anwendung solcher Contact-Tracing-Apps ausschließlich freiwillig erfolgen soll und Datenschutz sowie Diskriminierungsschutz gesichert sein muss.

Vorschlag zur Ausweitung des EU-Solidaritätsfonds

Befürwortet wird von Seiten der Bundesregierung der Vorschlag des europäischen Parlaments und des Rates zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des EU-Solidaritätsfonds auf "Notlagen größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit" zur finanziellen Unterstützung aufgrund des Coronavirus. Beantragt werden kann die Beihilfe in Form eines einmaligen Finanzbeitrags von allen Mitgliedstaaten und Beitrittsländern, sofern die direkte finanzielle Belastung für die Eindämmung der Krankheit in den ersten vier Monaten die Schwelle von 0,3% des Bruttonationaleinkommens überschreitet. 2020 stehen im EU-Solidaritätsfonds bis zu 800 Mio. € zur Verfügung.

Der Solidaritätsfonds auf europäischer Ebene sei 2002 eingerichtet worden, um die Mitgliedstaaten in besonderen Herausforderungen zu unterstützen, erläuterte eine Expertin des Landwirtschaftsministeriums. Mit dem vorliegenden Vorschlag werde der Anwendungsbereich auf Notlagen in der öffentlichen Gesundheit ausgeweitet. Ein Experte des Innenministeriums erklärte, auch Österreich habe bereits vorsorglich einen Antrag deponiert und werde ihn in der Viermonatsfrist komplettieren. Es gebe kein "first come - first serve" – Prinzip, so der Experte etwa auf Fragen von Bernd Saurer (FPÖ/W) im Hinblick auf eine etwaige Umverteilung hin zu finanziell schwächeren Ländern. Stefan Schennach (SPÖ/W) hob in diesem Zusammenhang den Fonds als Zeichen innereuropäischer Solidarität hervor und unterstrich, dass auch Beitrittskandidaten miteinbezogen seien. Das Solidaritätselement sei jedenfalls im Mechanismus enthalten, so der Experte des Innenministeriums. Wie die Mitgliedstaaten den Fonds in Anspruch nehmen werden, sei derzeit schwer abschätzbar. Auf entsprechende Einwände von Sonja Zwazl (ÖVP/N), auch die private Gesundheitsversorgung sei mit zu berücksichtigen, erläuterte der Experte, die Verordnung spreche von öffentlichen Ausgaben. Hier sei zu prüfen, wie weit man von öffentlichen Kostenträgern sprechen kann. Aus seiner Sicht sollte aber mit der Kommission der Versuch stattfinden, den Bereich entsprechend weit auszulegen.

Österreich soll in den EU-Gremien den Abschluss von SURE vorantreiben

Weiterer Teil der heutigen Beratungen der BundesrätInnen war ein Verordnungsvorschlag des Rates zum EU-Programm SURE, das als temporäres Instrument zur Förderung von Kurzarbeit, vergleichbarer Maßnahmen für Selbstständige und zum Erhalt von Arbeitsplätzen gedacht ist. Bereitgestellt werden sollen dadurch zinsgünstige Darlehen von bis zu 100 Mrd. € aus dem EU-Haushalt für besonders vom Coronavirus betroffene EU-Mitgliedsstaaten. Zur Absicherung sollen sie Garantien in Höhe von 25 Mrd. € an den EU-Haushalt bereitstellen, wovon 2,87% (717 Mio. €) auf Österreich entfallen. Das Finanzministerium sieht darin eine kostengünstige Möglichkeit als Zeichen der Solidarität in der Krise. Geplant ist, dass SURE die Arbeit mit 1. Juni 2020 aufnimmt, sofern bis dahin alle 27 Mitgliedstaaten ihre Garantien eingebracht haben.

Ein Experte des Finanzministeriums erläuterte, ergänzt worden seien auch Gesundheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Gefördert werden könnten ihm zufolge Mehrausgaben der Mitgliedstaaten für Maßnahmen, die seit 1. Februar 2020 für diese Zwecke aufgewendet werden. Er betonte aber, dass es zur Umsetzung ein Bundesgesetz brauche, das der Bundesrat allerdings letzte Woche beeinsprucht habe und demnächst im Nationalrat ein Beharrungsbeschluss verhandelt werde. Ohne die Garantien werde es das Instrument nicht geben.

Eine Expertin der Arbeiterkammer sagte, Ziel sei ein Inkrafttreten des Programms am 1. Juni. Sie hob das Instrument, Kurzarbeit auf EU-Ebene zu unterstützen, als wichtiges Signal hervor. Aus ihrer Sicht macht der Vorschlag der Kommission Sinn, dass die Situation regelmäßig überprüft werden muss und nicht von vornherein ein fixes Ablaufdatum geschaffen werde, zumal selbiges niemand vorhersagen könne. Darüber hinaus begrüße sie, dass auf EU-Ebene über eine dauerhafte Arbeitslosenrückversicherung diskutiert werde. Von zentraler Bedeutung sei bei diesem Thema, nicht nur auf makroökonomische Aspekte der Stabilisierung zu achten, es müsse auch gewisse Mindeststandards für Arbeitslosengeld auf EU-Ebene geben.

Obwohl Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) nicht nachvollziehen kann, warum die SPÖ bei besagtem Gesetz im Bundesrat nicht mitgegangen ist, will sie dem heute vorliegenden SPÖ-Antrag, SURE voranzutreiben, zustimmen, damit mit 1. Juni dieser Garantiefonds in Umsetzung geht, wie sie erläuterte. Stefan Schennach (SPÖ/W) unterstrich ebenso wie Monika Mühlwerth (FPÖ/W), dass es bei der Ablehnung im Bundesrat vielmehr um Kritik an der Vorgangsweise mit Sammelgesetzen gegangen sei. Mühlwerth sieht außerdem eine Gefahr darin, Kurzarbeit einzuzementieren. Stattdessen gelte es, rasch wieder Vollbeschäftigung zu erlangen. Schennach begrüßte umgekehrt ausdrücklich den vorliegenden Garantiefonds und dass Arbeitslosigkeit europäisch bekämpft werden soll. Der SPÖ-Antrag auf Stellungnahme, die Bundesregierung möge sicherstellen, dass Österreich in den EU-Gremien SURE vorantreibt und schnellstmöglich mittels Zustimmung zum Abschluss bringt, fand die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und Grünen. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) fan/mbu


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