Parlamentskorrespondenz Nr. 522 vom 27.05.2020

Europäischer Green Deal hat Auswirkungen auf EU-Verkehrspolitik

Jahresvorschau des BMK auf EU-Vorhaben 2020 bei Verkehr, Innovation, Gewerblichem Rechtsschutz und Weltraum

Wien (PK) – Der europäische Green Deal (EGD) stellt eine der sechs politischen Leitlinien der Europäischen Kommission (EK) dar, um die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für den Klimaschutz umzusetzen. Damit soll Europa bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Für 2020 will die EK eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität verabschieden, mit der die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 % gesenkt werden und diese Herausforderung in Bezug auf alle Emissionsquellen angegangen wird. Alle Verkehrsträger (Straße, Schiene, Luft- und Schifffahrt) werden zu dieser Verringerung beitragen müssen, heißt es dazu in der Jahresvorschau des BMK auf heurige EU-Vorhaben (III-123 d.B. und III-714-BR d.B./2020). Österreich unterstützt laut der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Eleonore Gewessler die Zielsetzungen des EGD.

Im Verkehrsbereich nennt der EGD im Rahmen der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität einige Ziele, die Österreich im Einklang mit den Grundsätzen der österreichischen Verkehrspolitik sieht. Das betrifft insbesondere die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, der Kostenwahrheit im Güterverkehr und den Ausbau und der Nutzung von alternativen Kraftstoffen. Diese bisher bekannten Ziele der Strategie können allesamt unterstützt werden. Wichtig dabei sind Österreich die Identifizierung und allfällige Anpassung der jeweiligen europäischen Politikinstrumente als auch ausreichend europäische Fördermittel.

"ReFuelEU Aviation": EU will nachhaltige Flugkraftstoffe

Zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 muss auch der Flugverkehr seinen Beitrag leisten. Weiterentwicklung und Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen werden als kurz- und mittelfristig effizienteste Maßnahme für CO2-Reduktionen in der Luftfahrt eingestuft. Die EK plant Ende 2020 einen Legislativvorschlag einschließlich einer begleitenden Folgenabschätzung zu "ReFuelEU Aviation", einer der Flaggschiff-Initiativen der EK unter dem EGD. Aus österreichischer Sicht wäre die Förderung für Erforschung und Entwicklung alternativer Treibstoffe und Antriebsformen zu fördern, da Batterien auf absehbare Zeit keine Alternative für Luftfahrzeuge sind. Dabei sollte aber kein bzw. nur ein geringer Anteil der Biomasse aus dem Nahrungsmittelanbau für den Menschen beinhaltet sein ("Tank vs. Table"), auch palmölbasierte Biokraftstoffe sollen keine Rolle spielen. Österreich hält eine verpflichtende Beimischung von alternativen Treibstoffen erst ab Mitte der 2020er-Jahre für sinnvoll.

Luftverkehrspaket: EK will Flughafengebühren überprüfen

Die EK plant 2020 die Überprüfung der Flughafengebühren. Ziel ist es, eine transparente und nicht-diskriminierende Festlegung von Flughafenentgelten zu gewährleisten, z.B. durch verpflichtende Konsultationen zwischen Nutzern (Luftverkehrsunternehmen) und Flughafenleitungsorganen oder durch die Schaffung unabhängiger Aufsichtsbehörden in jedem Mitgliedsstaat. Die EK plant dazu heuer einen Legislativvorschlag. Eine Studie im Auftrag der EK aus den Jahren 2018 und 2019 habe ergeben, dass die derzeit gültige Verordnung nicht alle Ziele erreicht habe bzw. neuen Gegebenheiten angepasst werden sollte, heißt es im Bericht des BMK.

Ein europäisches Konzept für künstliche Intelligenz

Zum Thema künstliche Intelligenz (KI) plant die EK legislative Folgemaßnahmen zu ihrem Weißbuch zur künstlichen Intelligenz, einschließlich der Fragen Sicherheit, Haftung, Grundrechte und Daten. KI könne unser Leben in verschiedenen Bereichen verbessern, berge aber eine Reihe potenzieller Gefahren in sich, wird seitens der EK festgestellt. Vor dem Hintergrund des harten weltweiten Wettbewerbs brauche Europa ein solides Konzept, das auf der im April 2018 vorgelegten europäischen KI-Strategie aufbaue. Grundsätzlich begrüßt Österreich eine gemeinsame Vorgehensweise unter dem Gesichtspunkt "Better regulation" und der Förderung der Innovation in Europa.

Geplante Änderungen bei Maut- und Benutzungsgebühren

Für Österreich interessant ist auch der Vorschlag für eine geänderte Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (Wegekostenrichtlinie), die Mindestsätze der Kraftfahrzeugsteuern sowie die Modalitäten der Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren festlegt. Ziele des Vorschlags der EK zur Änderung der aktuellen Wegekostenrichtlinie sind insbesondere die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Busse, Kleinbusse, Kleintransporter und PKW und das Auslaufen der zeitabhängigen Benützungsgebühren. Laut EK soll es Vignetten für Busse, Kleinbusse, Kleintransporter und PKW nur noch bis Ende 2027 geben, das Europäische Parlament (EP) will kein verpflichtendes Auslaufen der Vignette für PKW.

Geplant ist eine Verpflichtung zu fahrleistungsabhängen Mautsystemen, die Differenzierung der Maut- und Benutzungsgebühren in Abhängigkeit der CO2- Emissionen, die Möglichkeit zur Erhebung von Staugebühren in Form von Zuschlägen, die Möglichkeit zur Erhebung von Querfinanzierungszuschlägen auch außerhalb von Bergregionen (laut EP sollen in Bergregionen zudem auch weitaus höhere Zuschläge als bisher möglich sein), mehr Transparenz bei der Verwendung der Einnahmen aus Maut- und Benützungsgebühren und hinsichtlich des Zustands der Infrastruktur, Ersatz der derzeitigen Höchstwerte für Gebühren zur Anlastung verkehrsbedingter externer Kosten durch Referenzwerte (laut EK) bzw. Mindestwerte (laut EP).

Laut Österreich enthalten der Vorschlag der Kommission sowie die Position des EP einige positive Elemente, wie etwa die Berücksichtigung von CO2-Emissionen, den Ersatz der Höchstwerte für die Anlastung externer Kosten durch Referenzwerte bzw. Mindestwerte, die Verpflichtung für alle Mitgliedstaaten zur Einhebung externer Kosten auf umweltbelasteten Strecken, die Möglichkeit der Einhebung von Querfinanzierungszuschlägen auch außerhalb von Bergregionen mit der Möglichkeit der gleichzeitigen Einhebung von Querfinanzierungszuschlägen und Gebühren für externe Kosten.

Eine Reihe von Bestimmungen sieht Österreichs jedoch kritisch, wie die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Fahrzeuge bis 3,5 t Höchstgewicht. Vor allem ist Österreich gegen die Ersetzung der Vignettensysteme für Busse, Kleinbusse, Kleintransporter und PKW ab 2028 durch eine verpflichtende fahrleistungsabhängige Bemautung. Vor allem die PKW-Besteuerung im Individualverkehr will Österreich der Subsidiarität der Mitgliedsstaaten überlassen. Der Bundesrat hat dazu 2017 einen Subsidiaritätsvorbehalt formuliert.

Güterkraftverkehr: Österreich lehnt Liberalisierung der Kabotage im Linienverkehr ab

Von der EK vorgeschlagene Änderungen der Verordnung über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt lehnt Österreich klar ab. Nach einer ersten Einschätzung seien alle wesentlichen Inhalte kritisch zu sehen, insbesondere lehne Österreich die Liberalisierung der Kabotage im Linienverkehr ab, stellt das Verkehrsministerium fest. Der Vorschlag würde die Überprüfung der ordnungsgemäßen Zulassung von Fahrzeugen, die Verfolgung von Verkehrsdelikten und nicht zuletzt die Kontrollierbarkeit der Kabotagebestimmungen erschweren.

Connecting Europe Facility 2021-2027 (CEF 2.0)

Wie das Vorgängerprogramm, soll auch die "Connecting Europe" Fazilität (CEF 2.0) für die Finanzperiode 2021–2027 Investitionen in Infrastrukturen in den Bereichen Verkehr, Energie und Digitales durch die Forcierung des Auf- und Ausbaus der transeuropäischen Netze (TEN) unterstützen. Österreichs Ziel ist es, dass über die CEF 2.0 im Bereich Verkehr im Mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2021–2027 weiterhin EU-Mittel für österreichische Schienenprojekte in ausreichender Höhe lukriert werden können. Bei grenzüberschreitenden Schienenprojekten wären unter CEF 2.0, etwa für den Bau des Brennerbasis-Tunnels, maximale Förderraten von bis zu 50% der förderfähigen Gesamtkosten möglich.

Weltraumprogramm der EU soll erweitert werden

Der 2018 vorgelegte Vorschlag der EK für das Weltraumprogramm der EU zielt darauf ab, die Kontinuität und Weiterentwicklung der EU-Satellitennavigationssysteme (Galileo und EGNOS) und des EU-Erdbeobachtungssystems (Copernicus) sicherzustellen, hochwertige Daten und Services bereitzustellen und deren breite Anwendung zu fördern sowie die Rolle Europas im Weltraumbereich weiter zu stärken. Künftig soll das Programm zwei neue Bereiche beinhalten – die Weltraumlageerfassung (Space Situational Awareness, SSA) sowie eine sichere Satellitenkommunikation für Sicherheitsakteure (GovSatCom). Für den Zeitraum 2021–2027 wurde von der EK für den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) eine Mittelausstattung in Höhe von 16 Mrd. € vorgeschlagen, eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus. Österreich spricht sich grundsätzlich für eine ausreichende Mittelausstattung des Programms aus. (Schluss) sox