Parlamentskorrespondenz Nr. 626 vom 17.06.2020

Aktuelle Stunde: SPÖ wirft Regierung Almosenpolitik und Versagen bei der Rettung der AUA vor

Blümel verteidigt Maßnahmenpakete, die Österreich wieder auf die Spur zurückbringen werden

Wien (PK) – Vor einer sozialen Katastrophe und einer "Pandemie der Armut" warnte heute SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner in der Aktuellen Stunde des Nationalrats, die unter dem Titel "Mitten im Wirtschaftshilfen-Chaos versagt der Finanzminister auch bei der AUA: Kosten für die Steuerzahlerinnen, Gewinne für die Aktionäre" firmierte. Statt die Menschen in einer "Gutsherrenmentalität mit Almosen abzuspeisen", brauche es nicht nur eine dauerhafte Erhöhung der Nettoersatzrate, sondern insbesondere einen Gesamtplan sowie das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Zweiten Republik, unterstrich Rendi-Wagner. Massive Kritik übte sie auch am Rettungspakt für die AUA, wo sich die Regierung ihrer Meinung nach über den Tisch habe ziehen lassen.

Bei den Maßnahmenpaketen der Bundesregierung standen zwei Gedanken im Vordergrund, nämlich möglichst viele Arbeitsplätze zu retten und den Standort Österreich so gut als möglich durch die schwierige Phase zu bringen, konterte Finanzminister Gernot Blümel. Diese Grundsätze galten auch bei den Verhandlungen mit der Lufthansa über die AUA, wo letztendlich "ein gutes Österreich-Paket" im Sinne der Absicherung des Standortes und der Arbeitsplätze herausgekommen sei.

Rendi-Wagner fordert größtes Konjunkturpaket in der Höhe von 40 Mrd. € für die nächsten vier Jahre

Während die gesundheitspolitische Bilanz nach 94 Tagen Corona-Krise zufriedenstellend aussehe, müsse die sozial- und wirtschaftspolitische Lage als verheerend bezeichnet werden, erklärte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Neben einer Rekordarbeitslosigkeit vor allem unter Jugendlichen, würden zahlreiche Pleiten und leere Auftragsbücher davon zeugen, dass hunderttausende Menschen unverschuldet und oft innerhalb weniger Stunden ihre Existenzsicherung verloren haben. All diese Menschen würden auf rasche und echte Hilfen warten, die aber bei vielen nicht ankommen. Was die Bevölkerung am meisten aufregt, sei aber die Tatsache, dass von Seiten der Regierung die Probleme schöngeredet und Kritiker sogar diffamiert werden, zeigte Rendi-Wagner auf. Bedauerlicherweise habe auch die letzte Regierungsklausur keine überzeugenden Ergebnisse gebracht, sondern vor allem das Wirtschaftshilfen-Chaos und die Schönfärberei fortgesetzt. So seien etwa die 350 € im Jahr, die aufgrund der Senkung der ersten Stufe des Lohnsteuertarifs ausgeschüttet werden sollen, viel zu wenig, um die Wirtschaft anzukurbeln, den Konsum zu stabilisieren und Lebensgrundlagen der Menschen abzusichern. Statt einer Einmalzahlung für Arbeitslose und einem Flickwerk an Maßnahmen brauche es vielmehr das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Zweiten Republik in der Größenordnung von 40 Mrd. € für die nächsten vier Jahre. Damit könnte man zusätzliche 250.000 Arbeitsplätze schaffen und der "Wirtschaft Flügel verleihen", war Rendi-Wagner überzeugt.

Äußerst kritisch beurteilte die SPÖ-Chefin auch den Deal mit der Lufthansa bezüglich der Rettung der AUA, da er unter dem Motto stehe "Gewinne privatisieren und Verluste verstaatlichen". Außerdem erinnerte sie daran, dass Bundeskanzler Kurz noch vor einigen Wochen gesagt habe, dass es ohne einer Beteiligung an der Lufthansa nicht gehen werde.

Blümel zur AUA: Gutes Österreich-Paket zur Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze

Finanzminister Blümel verteidigte die Corona-Hilfspakete der Bundesregierung, die den richtigen Weg darstellten, um möglichst gut aus der Krise zu kommen. Auch die gestrigen Beschlüsse im Rahmen der Regierungsklausur würden dazu beitragen, "Österreich wieder zurück auf die Spur zu bringen". Mit einem zusätzlichen Volumen von 19 Mrd. € stehen nun insgesamt 50 Mrd. € im Kampf gegen die Auswirkungen der Pandemie zur Verfügung, informierte der Ressortchef. Darin enthalten sei unter anderem ein Entlastungs- und Investitionspaket, wobei vor allem die kleinen und mittleren EinkommensbezieherInnen profitieren werden. Er sei sehr stolz darauf, dass es gelungen sei, den Eingangssteuersatz rückwirkend mit Jahresbeginn 2020 von 25% auf 20% zu senken. Außerdem werden besonders betroffene Branchen (Gastronomie, Kultur etc.) durch eine Reduktion des Mehrwertsteuersatzes unterstützt. Besonders bemerkenswert sei aus seiner Sicht auch die Investitionsprämie in der Höhe von 14%, wobei der Schwerpunkt auf Digitalisierungs- und ökologisch nachhaltigen Projekten liege. Außerdem sei man mit der degressiven Abschreibungsmöglichkeit einer jahrelangen Forderung von all jenen nachgekommen, die sich für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich einsetzen.

Da rund 95.000 Arbeitsplätze mit der Luftfahrt zusammenhängen und 2,1% des BIP von dieser Branche erwirtschaftet werden, war es der Regierung auch ein großes Anliegen, die Austrian Airlines abzusichern, führte Blümel weiter aus. Der Fortbestand der AUA sei nicht nur aus Sicht des heimischen Tourismus besonders wichtig, sondern auch im Hinblick auf den Erhalt Wiens als Amtssitz für viele internationale Organisationen. Im Paket mit der Lufthansa seien nicht nur rechtsverbindliche Standortgarantien inkludiert, die das Drehkreuz Wien auf zehn Jahre absichern, sondern auch Investitions- und Wachstumszusagen, hob Blümel hervor.

ÖVP: AUA-Rettung ist Ausdruck der ökosozialen Marktwirtschaft

Kritik allein sei zu wenig, meinte Abgeordneter Andreas Ottenschläger, er hätte gerne gehört, welche Vorschläge die SPÖ bezüglich der AUA habe. Für die ÖVP war die soziale Komponente sehr wichtig, zumal zigtausende Arbeitsplätze direkt und indirekt am Fortbestand der Austrian Airlines und des Drehkreuzes Wien hängen. Die Volkspartei stehe aber auch voll und ganz hinter den ökologischen Punkten, die in den Vertrag aufgenommen wurden, wie die Anti-Dumping-Regelung, die neue Kurzstreckendefinition oder die Erhöhung der Ticketsteuer. Ebenso wie sein Fraktionskollege Andreas Hanger ging Ottenschläger noch auf die wirtschaftlichen Aspekte der AUA-Rettung ein. Der einmalige Zuschuss in der Höhe von 150 Mio. € von Seiten des Bundes sei notwendig, um für ein entsprechendes Eigenkapital zu sorgen, argumentierten beide Redner. Eine Insolvenz der AUA hätte zudem fatale Folgen für die Reiseveranstalter und Reisebüros gehabt, unterstrich Hanger.

Grüne: Luftfahrt braucht Punktlandungen in Sachen Klimaschutz

Abgeordneter Hermann Weratschnig (Grüne) plädierte für ein wenig mehr Bodenhaftung bei der Debatte über die AUA, zumal es dabei um Millionen- und nicht Milliardenbeträge gehe. Vor allem vermisse er die Kritik der Opposition an den Billig-Airlines, die schon wieder mit Ticketpreisen von 9,99 € für Flüge von Wien in europäische Städte werben würden. Es brauche daher keine Staatsbeteiligung, sondern geänderte europäische Rahmenbedingungen, unterstrich Weratschnig, der die Anti-Dumping-Regelung als ersten wichtigen Schritt bezeichnete. Nicht vergessen dürfe man zudem, dass gleichzeitig 500 Mio. € für den Ausbau der Nachtzüge und 240 Mio. € für das 1-2-3-Ticket bereitgestellt werden, betonte Jakob Schwarz (Grüne).

SPÖ: Echte Hilfen statt Millionengeschenke an die Lufthansa

Abgeordneter Alois Stöger (SPÖ) schloss sich der Meinung des Finanzministers an, wonach der Erhalt einer eigenen Fluglinie für den UNO- und Tourismusstandort Österreich von ganz besonderer Bedeutung sei. Er habe sich daher sehr über die Ankündigung von Kanzler Kurz gefreut, dass es ohne einer Beteiligung an der Lufthansa kein Geld für die AUA geben werde. Kurz habe dann aber nicht nur sein Versprechen gebrochen, sondern vor allem die Chance vertan, die europäische Luftfahrt auf EU-Ebene neu zu regeln. Außerdem hätte man mit der deutschen Bundeskanzlerin und der Lufthansa über eine Wandelanleihe verhandeln müssen, um österreichische Interessen besser abzusichern, schlug er konkret vor. Stattdessen bedanke sich der Finanzminister noch dafür, dass er vom Vorstandsvorsitzenden "mit dem Nasenring durch die Manege" geführt werde. Auch SPÖ-Abgeordnete Julia Herr bedauerte, dass durch den AUA-Deal, der keine Jobgarantien beinhaltet, 150 Mio. € verschenkt werden, während arbeitslose Menschen immer mehr in die Armut abrutschen. Wenn man eine staatliche Beteiligung angestrebt hätte, dann wäre wenigstens wieder Geld zurückgeflossen. In der Krise zeige sich, für wen die ÖVP und die Grünen Politik machen; die Bevölkerung werde sich das merken.

FPÖ bezeichnet AUA-Deal als "Bauchlandung"

Das Erfreuliche am Vertrag mit der Lufthansa sei, dass die Jobs der MitarbeiterInnen vorerst gesichert sind, stellte FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker klar. Er bezweifelte jedoch, dass es sich dabei um eine nachhaltige Lösung handelt. Obwohl 150 Mio. € "aus dem Cockpit geworfen wurden", habe man keine echten Standortgarantien ausverhandelt. Überdies habe man zugelassen, dass die AUA de facto keine Kurzstrecken mehr fliegen könne. Ein wenig erinnere ihn die ganze Causa an den Hypo-Skandal, wo schon einmal Millionen an Steuergeldern an Deutschland abgetreten wurde. Hafenecker erinnerte zudem daran, dass der AUA beim ursprünglichen Verkauf an die Lufthansa schon einmal 700 Mio. € mit auf dem Weg gegeben wurden. Volker Reifenberger (FPÖ) stellte dem AUA-Deal ein schlechtes Zeugnis aus, weil sich dieser auch negativ auf die Flughäfen in Salzburg und Graz auswirken werden. Während nämlich einem deutschen Großkonzern gegen mangelhafte Sicherheiten Geld in den Rachen geworfen werde, habe man zugelassen, dass der eigene Wirtschaftsraum und die AUA geschwächt werden.

NEOS vermissen langfristige Vision für Flughafenstandort Wien und Plan B

NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn gab zu bedenken, dass jeder einzelne Job bei der AUA seinen Berechnungen nach mit 65.000 € an Steuergeldern gefördert werde. "Und wer weiß wirklich, ob der Standort Österreich an Attraktivität verlieren würde, wenn die AUA Wien nicht mehr anfliegt?", stellte er in den Raum. Auch die von Grünen als Erfolg verkaufte Einstellung der Kurzstreckenflüge sei "ein Schmäh", da es diesen Plan schon vor der Corona-Krise gegeben habe. Aus Sicht des NEOS-Wirtschaftssprechers fehlten zudem eine langfristige Vision für den Flughafenstandort Wien sowie ein Plan B, wenn die AUA trotzdem "krachen geht". Wenn in ganz Europa den Fluglinien Geld nachgeworfen werde, dann subventioniere man noch die billigen Flugtickets, richtete NEOS-Mandatar Gerald Loacker den Grünen aus. Einen kritischen Blick warf er auch auf die Pensionsverträge bei der AUA, die aus einer Zeit kommen, als "der Staat seine Pfoten drin hatte". Während zahlreiche MitarbeiterInnen ihre Jobs verlieren werden, bleiben diese vierstelligen Beträge unberührt. Auch die Erhöhung der Bauernpensionen um 450 € habe gezeigt, dass man nur bei der richtigen Gruppe, also der ÖVP, dabei sein müsse. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.