Parlamentskorrespondenz Nr. 630 vom 17.06.2020

Nationalrat beschließt mit 22. COVID-19-Gesetz Fonds zur Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler

Kulturstaatsekretärin Mayer: Kunst und Kultur stehen auf der Agenda der Bundesregierung weit oben

Wien (PK) – Um die negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf den Kulturbereich abzufedern, hat der Nationalrat heute die Einrichtung eines mit 90 Mio. € dotierten Unterstützungsfonds für selbständige Künstlerinnen und Künstler beschlossen. Ein entsprechender Initiativantrag von ÖVP und Grünen erhielt trotz teilweiser Kritik der Opposition einhellige Zustimmung. Nähere Regelungen zur Antragstellung sowie zur Berechnung und zur Dauer der Förderung werden per Verordnung festgelegt. Staatssekretärin Andrea Mayer hofft, dass damit erste Auszahlungen im Juli erfolgen können.

Abgelehnt wurden drei Entschließungsanträge der SPÖ, die noch weitere Maßnahmen zur Unterstützung des österreichischen Kulturlebens fordert. Der erste Antrag spricht sich für Investitionen von einer Milliarde Euro im Laufe der nächsten drei Jahre für ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm für die Kunst und Kultur aus. Ein weiterer SPÖ-Antrag formuliert die Forderung nach einem umfassenden Rettungsschirm, um nachhaltigen Schaden vom Kulturland Österreich abzuwenden. Und schließlich fordert die SPÖ die rasche Umsetzung von Forderungen, die von den Landeshauptleuten Mitte Mai für die Unterstützung des Kunst- und Kulturlebens in einer gemeinsamen Erklärung erhoben wurden.

Unterstützungsfonds steht bis zu 15.000 KünstlerInnen offen

Mit dem 22. COVID-19-Gesetz, das von ÖVP und Grünen initiiert wurde, wird ein Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler geschaffen. Damit will die Bundesregierung möglichst allen freischaffenden KünstlerInnen unter die Arme greifen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind. Der Fonds soll eine monatliche Unterstützungsleistung bis zu 1.000 € leisten, wobei die Hilfe für maximal sechs Monate gewährt werden soll. Zuschüsse aus dem Härtefallfonds sollen dabei berücksichtigt werden. Zudem ist eine Rückzahlungspflicht von Förderungen geplant, wenn heuer insgesamt Einkünfte über der jährlichen SV-Höchstbeitragsgrundlage lukriert werden. Die Abwicklung des Förderprogramms soll die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) übernehmen, für die Vollziehung des Gesetzes wird Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler zuständig sein. Der Unterstützungsfonds wurde in der Fassung eines Abänderungsantrags der Koalitionsparteien einstimmig beschlossen.

Erfreut über die Einrichtung des neuen Unterstützungsfonds zeigte sich die Kultursprecherin der Grünen Eva Blimlinger. Der Abänderungsantrag der Koalition soll neben einer Bereinigung von Redaktionsversehen auch dazu dienen, Härtefälle möglichst zu vermeiden, erklärte sie. Daher habe man nun eine Zeitperiode festgelegt, innerhalb derer eine Versicherung bei der Sozialversicherung für Selbstständige (SVS) bestehen musste, um einen Antrag stellen zu können. Damit wolle man sicherstellen, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten möglichst weit gefasst ist. Sie sei zuversichtlich, dass die Verordnung zum Gesetz bereits kommende Woche fertiggestellt wird, sodass eine Auszahlung ab Juli möglich wird. Kritik, der Fonds sei zu bürokratisch, wies die Abgeordnete zurück. Ein bestimmtes Maß an formalen Kriterien und Kontrolle sei immer notwendig, argumentierte sie. Derzeit seien rund 15.000 Personen, die laut SVS als KünstlerInnen definiert sind, anspruchsberechtigt.

Drei Monate lang hätten viele Kulturschaffende kein Geld gesehen, kritisierte SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda. Dabei sei von Anfang an klar gewesen sei, dass KünstlerInnen eine der am stärksten vom Lockdown betroffenen Gruppen sein würden. Drozda forderte die Abgeltung des Verdienstentgangs sowie einen genauen Plan, wer nun wann, wo und wie wieder arbeiten können werde. Er habe sich von der Regierungsklausur dazu Vorschläge erwartet, es seien aber keine gekommen. Viele MitarbeiterInnen der Bundesmuseen seien aufgrund fehlender Mittel noch immer in Kurzarbeit, obwohl es für sie an sich genug zu tun geben würde. Wie beim NPO-Fonds, der noch immer keine Auszahlungen leiste, befürchte er auch für den Überbrückungsfonds, dass sich die Auszahlungen aufgrund fehlender Richtlinien immer weiter verzögern. Das Problem sei, dass der vorgesehene Betrag zu gering und die Zeitdauer der Auszahlung zu kurz sei, zudem greife die Definition, wer KünstlerIn sei, zu kurz, kritisierte Drozda. Er legte deshalb einen Abänderungsantrag seiner Fraktion zum Gesetz vor, der aber in der Minderheit blieb.

Auch SPÖ-Abgeordnete Sonja Hammerschmid sieht nach wie vor große Lücken bei den Hilfen für den Kulturbetrieb. Das sei äußerst bedauerlich, da Kunst und Kultur neben ihrem großen Beitrag zur Wertschöpfung auch einen wichtigen immateriellen Wert darstellen. Für Kunstschaffende müsste man kreative Lösungen finden, sagte Hammerschmid. Sie schlage vor, KünstlerInnen in Schulprojekte einzubinden, wie Neuseeland es bereits vorzeige.

Die Unterstützung der KünstlerInnen sei zwar richtig und die FPÖ werde dem Gesetz zustimmen, die Hilfe komme jedoch viel zu spät, sagte FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger. Auch er kritisierte das Fehlen der Richtlinien für den neu geschaffenen Fonds und den NPO-Fonds. Er verstehe außerdem nicht, wieso dem ressortfremden Bildungsminister ein Mitspracherecht beim Fonds eingeräumt werde, bemerkte Reifenberger. Da es keine sachliche Berechtigung dafür gebe, vermute er, dass sich die ÖVP Einfluss auf den Bereich des Koalitionspartners sichern wolle.

Die Kultursprecherin der ÖVP, Maria Großbauer, sprach von einer maßgeschneiderten Lösung für selbständige Künstlerinnen und Künstler. Kultur sei systemrelevant und stehe daher hoch oben auf der Agenda der Bundesregierung, betonte sie. Die Bundesregierung habe bereits mehrere Maßnahmen für die Unterstützung von Kunst und Kultur gesetzt. Die Erarbeitung der Richtlinien laufe auf Hochtouren, sie sei daher zuversichtlich, dass er, wie der NPO-Fonds, rasch seine Arbeit aufnehmen werde. Um zielgenauer zu werden und auch den Kunst- und Kulturbereich zu unterstützen sei der Härtefallfonds mehrfach angepasst worden. Auf zahlreiche kleinere und größere Maßnahmen, die bereits gesetzt worden seien, um Kunst und Kultur zu unterstützen, verwies auch ÖVP-Abgeordnete Agnes Totter. Die Bundesregierung wolle auch im Kulturbereich niemand von denen zurücklassen, die von der derzeitigen Krise betroffen seien, sagte die Abgeordnete.

Seine Fraktion unterstütze den neuen Fonds selbstverständlich, sagte NEOS-Kultursprecher Josef Schellhorn. Wichtig sei ihm aber auch, dass Private mehr in Kunst und Kultur investieren, doch müsste man dafür adäquate Steuermodelle schaffen. Schellhorn forderte insgesamt mehr Unterstützung für die zeitgenössische Kunst. Die angebliche Kulturnation Österreich wende derzeit nur 0,24% des jährlichen BIP für Kultur auf, merkte er an. Schellhorn brachte erneut den NEOS-Antrag auf Einrichtung eines Satellitenkontos Kunst und Kultur bei der Statistik Austria ein. Damit solle evidenzbasierte Kulturpolitik möglich werden, warb Schellhorn für seinen Antrag, der aber in der Minderheit blieb.

Die Überbrückungsfinanzierung sei eine wichtige Maßnahme und werde bis zu 15.000 KünstlerInnen helfen können, sagte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. Zwar werde man auch jetzt nicht alle erfassen können, die künstlerisch tätig sind, doch durch die Gesamtheit der Maßnahmen, etwa durch den Härtefallfonds, werde das hoffentlich gelingen. In die zweite Phase der Auszahlungen aus dem COVID-19-Fonds beim Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) wolle sie beispielsweise jene Fälle einbeziehen, die bisher noch nicht in die Hilfsleistungen inkludiert waren. Noch nie zuvor konnte in so kurzer Zeit ein so großer Betrag für KünstlerInnen bereitgestellt werden, betonte die Staatssekretärin. Das mache deutlich, dass Kunst und Kultur auf der Agenda der Bundesregierung ganz oben stehen. Die Bundesregierung tue alles, um Kunst und Kultur möglichst rasch aus der Krise herauszuführen.

SPÖ fordert umfassenden Rettungsschirm für die Kultur

Keine Mehrheit erhielten zwei Entschließungsanträge der SPÖ, die nur von den NEOS ebenfalls unterstützt wurden. Zum einen geht es der SPÖ darum, in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro für ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm für KünstlerInnen, Kulturinstitutionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft bereitzustellen. Ziel müsse es sein, die langfristige Existenz des Kulturlandes Österreich und seiner Kreativen zu sichern. Weiters fordert die SPÖ einen umfassenden Rettungsschirm für den Kulturbereich, um nachhaltigen Schaden für das Kulturland Österreich abzuwenden.

Die Kulturbranche sei vom Lockdown besonders betroffen, sagte Ruth Becher (SPÖ). Die Stadt Wien habe rasch gehandelt und mit Arbeitsstipendien im Gesamtvolumen von 3,6 Mio. € konkrete Hilfe geleistet. Mit ihren Anträgen wolle die SPÖ nun sicherstellen, dass der gesamte Sektor Kunst und Kultur eine Zukunftsperspektive erhält. Eine ausreichende finanzielle Absicherung von Kunst und Kultur und langfristige Perspektiven forderte auch Andrea Kuntzl (SPÖ). Diese würden die bisherigen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung nicht bieten, kritisierte sie.

Der Kulturbereich werde in vielfältiger Weise im geplanten Konjunkturpaket Berücksichtigung finden, hielt Sibylle Hamann (Grüne) der Kritik der SPÖ entgegen. Auch das Gemeindepaket, das morgen beschlossen werde, sowie die geplante Digitalisierungsoffensive würden zur Förderung des Kulturlebens beitragen.

Die NEOS seien zwar in einigen Details anderer Meinung, ihre Fraktion teile aber das grundlegende Anliegen der SPÖ-Anträge, merkte Henrike Brandstötter (NEOS) an. Die ständigen Nachbesserungen der Hilfsfonds würden deutlich machen, wie unkoordiniert die Bundesregierung insgesamt vorgehe. Auf den Start des NPO-Fonds warte man immer noch, viele KünstlerInnen hätten noch keinen Cent an Hilfe erhalten, kritisierte die Abgeordnete.

Hermann Brückl (FPÖ) wertete die SPÖ-Forderungen als teilweise berechtigt, wandte sich aber gegen ein "Gießkannenprinzip" bei Förderungen. Kunst- und Kulturschaffende dürften jedenfalls nicht zu BittstellerInnen degradiert werden, betonte er.

Die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen würden sich auf die von der SPÖ geforderte Kulturmilliarde summieren, sagte Hans Stefan Hintner (ÖVP). Zu begrüßen sei, dass die Bundesregierung nun mit ihren aktuellen Beschlüssen dafür Sorge trage, dass der Kulturbetrieb wieder in Gang kommen kann.

SPÖ für Umsetzung der Forderungen der Landeshauptleutekonferenz

Ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ, der die Forderungen der Landeshauptleutekonferenz aufgreift, konnte sich im Plenum nicht durchsetzen. Die Landeshauptleute hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme Mitte Mai unter anderem klare Planungsperspektiven und Handlungsanleitungen für den Kulturbereich, umfassende Bundeshilfen, sozialrechtliche Maßnahmen für Kulturschaffende zur Vermeidung von Armut, praxisnahe rechtliche Vorgaben für Veranstaltungen und eine Reduzierung der Steuerlast gefordert.

Die notwendigen Hilfsmaßnahmen seien bei den Kulturschaffenden noch nicht angekommen und daher sei es umso unverständlicher, dass die Bundesregierung die sehr konkreten Forderungen der Landeshauptleute von Mitte Mai noch immer nicht umsetze, betonte Katharina Kucharowits (SPÖ). Unterstützung erhielt sie von Volker Reifenberger (FPÖ), der unterstrich, dass sich die Vorschläge der Landeshauptleutekonferenz in weiten Teilen mit jenen der FPÖ decken würden.

Johann Höfinger (ÖVP) betonte, Kunst und Kultur seien zentrale Anliegen der Bundesregierung, viele Forderungen der Landeshauptleute würden sich bereits in Umsetzung befinden. Ähnlich argumentierte Hermann Weratschnig (Grüne). Seit Mitte Mai sei einiges passiert, es gäbe Lockerungsverordnungen und ein umfangreiches Hilfspaket, zudem würden die LandeskulturreferentInnen in direktem Austausch mit der Staatssekretärin stehen. (Fortsetzung Nationalrat) sox/med

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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