Parlamentskorrespondenz Nr. 672 vom 23.06.2020

Schadstoffbelastung von Menschen: Bericht gibt Überblick über Forschung der vergangenen Jahre

Umweltministerium legt ersten Bericht über Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums "Human Biomonitoring" vor

Wien (PK) – Im März 2017 hat der Nationalrat mit einer Entschließung das Umweltministerium aufgefordert, im Zwei-Jahres-Takt über die Tätigkeiten des Beratungsgremiums "Human Biomonitoring" Bericht zu erstatten, um die Schadstoffbelastung von Menschen oder Personengruppen zu erfassen und die Wirksamkeit chemiepolitischer Maßnahmen zu überprüfen. Nun legt Umweltministerin Leonore Gewessler den ersten Bericht (III-131 d.B.) dem Nationalrat vor, den ihr Ressort unter Einbeziehung des Gesundheitsministeriums erstellt.

Dem Bericht zufolge sollen dadurch nicht nur laufende oder vergangene Maßnahmen evaluiert werden, sondern auch dazu beigetragen werden, neue und nachhaltige Ansätze zu entwickeln. Der erste Bericht versteht sich laut VerfasserInnen als Einleitung in das Thema und stellt neben der Zusammensetzung der österreichischen Plattform für Human Biomonitoring auch Tätigkeiten ihrer Mitglieder zwischen 2007 und 2016 dar. Untersucht wurden demnach unter anderem die Gesundheitsrisiken und Belastungsquellen durch den HCB-Skandal im Görschitztal, die Phthalat- und Bisphenol-A-Belastung der österreichischen Bevölkerung sowie deren Schwermetallbelastung. Schließlich werden auch laufende und abgeschlossene Projekte zwischen 2016 und 2019 sowie die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene vorgestellt.

Human Biomonitoring in Österreich

Human Biomonitoring (HBM) versteht sich laut Bericht als eine wichtige Ergänzung zum Umwelt‐, Lebensmittel‐ und Futtermittelmonitoring. Es soll abbilden, in welchem Ausmaß Menschen tatsächlich mit Umweltchemikalien belastet sind, die über verschiedene Wege und Quellen aufgenommen werden. Die gewonnenen Daten lassen Rückschlüsse darauf zu, wie effektiv und erfolgreich gesetzliche Regelungen sind, zum Beispiel Beschränkungen und Verbote von bestimmten Schadstoffen.

Die österreichische Plattform für Human Biomonitoring wurde im Jahr 2007 auf Initiative des Umweltbundesamtes gegründet, um das auf internationaler und europäischer Ebene zunehmend bedeutender werdende Thema in Österreich zu etablieren. Die Plattform soll nationale Präventionsziele umsetzen, den Wissensaustausch erleichtern und Human Biomonitoring in Österreich fördern. Als wesentliche Aufgabe wird im Bericht auch die Information der Fachöffentlichkeit und die seriöse Berichterstattung im Bereich Umwelt und Gesundheit genannt. Fachleute aus Wissenschaft und Verwaltung sind Mitglieder der Plattform. VetreterInnen werden unter anderem vom Sozialministerium, vom Umweltministerium, von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), vom Umweltbundesamt sowie von den Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien entsandt.

HCB, Bisphenol A, Schwermetalle: Bericht stellt eine Reihe von Studien im Bereich der gesundheitsbezogenen Umweltbeobachtung vor

Human Biomonitoring kann als Werkzeug der gesundheitsbezogenen Umweltbeobachtung gesehen werden. So wird die potenzielle Belastung der Bevölkerung bzw. von Bevölkerungsgruppen mit Umweltschadstoffen und Chemikalien erhoben. Dabei werden beispielsweise Harn, Blut, Nabelschnurblut, Muttermilch, Plazenta, Haare oder Gewebe des Menschen mittels chemischer Analytik untersucht. Der Human-Biomonitoring-Bericht stellt eine Reihe von Studien vor, die von den Mitgliedern der österreichischen Plattform für Human Biomonitoring zwischen 2007 und 2016 durchgeführt wurden. So wurden zum Beispiel Untersuchungen zur Belastung mit Schwermetallen wie Quecksilber oder Blei, perfluorierten Verbindungen, Flammschutzmitteln und anderen Industriechemikalien vorgenommen. Darüber hinaus wurden Untersuchungen zu Schimmelpilzgiften und Luftschadstoffen durchgeführt.

Vorgestellt werden etwa auch die umwelthygienische Bewertungen und Befundungen der Medizinischen Universität Wien zur Freisetzung des Umweltgifts Hexachlorbenzol (HCB) im Kärntner Görtschitztal, die 2014 bekannt wurde. Ziele der Untersuchung waren die Abschätzung des Gesundheitsrisikos, die Identifikation aller Belastungsquellen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Beseitigung. Die Studie kam zum Schluss, dass die Aufnahme über Lebensmittel die HCB‐Hauptbelastungsquelle war, während die Atemluft nur eine minimale Belastungsquelle darstellte.

Zwischen 2010 und 2014 untersuchte das Umweltbundesamt gemeinsam mit der Universität Wien die Belastung von Schulkindern, Erwachsenen und SeniorInnen mit Phthalat und Bisphenol A (BPA). Bei allen der rund 600 untersuchten Personen wurden Stoffwechselprodukte des Kunststoffweichmachers Phthalat nachgewiesen, wobei bei einigen Kindern Überschreitungen der Toleranzmengen festgestellt wurden und Frauen stärker als Männer belastet gewesen seien. BPA war im Harn zumindest bei der Hälfte der untersuchten Kinder nachweisbar, bei Erwachsenen und SeniorInnen hingegen nur bei 11 % der untersuchten Personen. Aus der Studie wurden Grenzwerte für Phthalat und Bisphenol A abgeleitet.

Aktuelle Entwicklungen im Human Biomonitoring und europäische Zusammenarbeit

Darüber hinaus umfasst der Human-Biomonitoring-Bericht auch die Fortschritte zwischen 2016 und 2019 in diesem Bereich und enthält die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Europäischen Human-Biomonitoring-Initiative HBM4EU. Neben der Bestimmung der Belastungen und der Untersuchung der damit in Verbindung stehenden möglichen Effekte auf die Gesundheit wurden auch genetische Hintergründe für beispielsweise Schwermetallbelastungen untersucht. Für die VerfasserInnen des Berichts bilden unter anderem die Etablierung neuer analytischer Methoden, unter anderem zur Bestimmung von Schimmelpilzgiften, oder die sogenannte Non-Target-Analytik wesentliche Entwicklungen. Zudem werden verschiedene laufende bzw. abgeschlossene Projekte, wie die Belastungen durch perfluorierte Verbindungen oder durch Mikroplastik, der vergangenen Jahre vorgestellt.

Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die österreichischen Partner durch gemeinsame Vorarbeiten im europäischen Forschungsumfeld positionieren konnten. Um diese Position auch in einem nachfolgenden Programm sowie in einem nachhaltigen europäischen Netzwerk beibehalten zu können, wird empfohlen, eine Nachhaltigkeit der Aktivitäten auch auf nationaler Ebene anzustreben und ein Konzept für die nachhaltige Verankerung von HBM zu erarbeiten. Die BerichterstatterInnen sehen in der Vernetzung von ExpertInnen Chancen und Möglichkeiten für die Forschung an österreichischen Institutionen und Universitäten. Zudem könnten Möglichkeiten für Forschungsförderungen in den Bereichen Umwelt und Gesundheit, Krankheitsentstehung, Risikobewertung sowie Gesundheitsprävention geschaffen werden. Durch neue Methoden und Ansätze wird ein hohes Innovationspotential geortet. (Schluss) see