Parlamentskorrespondenz Nr. 705 vom 29.06.2020

Neu im Gesundheitsausschuss

Sozialversicherung, Fusionskosten, PRIKRAF, Gratis-Grippe-Impfung, Versorgungssicherheit, Amnestie für "Corona-Sünder"

Wien (PK) – Die Oppositionsparteien haben dem Gesundheitsausschuss zahlreiche Initiativen zugeleitet, wobei die SPÖ den Bund in Sachen Ausfallshaftung für die Krankenversicherung sowie bezüglich der Abdeckung der durch die Fusion der Krankenkassen entstandenen Defizite in die Pflicht nimmt. Weitere Anliegen der SozialdemokratInnen betreffen die Abschaffung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, die Versorgung der Bevölkerung mit einer kostenlosen Schutzimpfung gegen Influenza sowie eine Initiative zur Gewährleistung einer Versorgungssicherheit mit Medikamenten und Schutzausrüstungen in Österreich. Den NEOS geht es neben einer Reform beim PRIKRAF erneut um mehr Transparenz bezüglich der Behandlungsqualität in heimischen Spitälern sowie um Änderungen im Alkoholsteuergesetz. Für eine umfassende Amnestie von "Corona-Sündern" setzen sich wiederum die Freiheitlichen ein.

SPÖ für Ausfallshaftung für die Krankenversicherung

Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Krankenversicherung leidet massiv unter den Auswirkungen der Corona-Krise, zeigt ein SPÖ-Entschließungsantrag auf (630/A(E)). Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit fehlen der gesamten Sozialversicherung im Jahr 2020 ca. 400 Mio. €, wobei rund 80 Mio. allein auf die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) entfallen. Hinzu kommen noch die Beitragsstundungen für die Betriebe (ÖGK: 170 Mio. €), die zu einem Problem werden können, wenn die Firmen in Insolvenz gehen. Der Staat müsse daher nach Ansicht der SPÖ seine Verantwortung wahrnehmen und eine Ausfallshaftung für nicht einbringliche Beiträge und Mindereinnahmen aufgrund der COVID-19-Krise zu übernehmen. Die Aussage von Bundeskanzler Kurz: "Koste es was es wolle!" müsse gerade bei der Gesundheitsversorgung mit Leben erfüllt werden, führt Philip Kucher (SPÖ) ins Treffen.

…und für Abdeckung der KV-Fusionsdefizite durch den Bund

SPÖ-Abgeordneter Rudolf Silvan weist darauf hin, dass es die Regierung unter Kanzler Kurz in nur zwei Jahren geschafft habe, den Überschuss bei den Gebietskrankenkassen von 111 Mio. € in ein 175 Mio. € schweres Defizit zu verwandeln (631/A(E)). Obwohl eine "Patientenmilliarde" versprochen worden sei, müsse man nun bis 2024 gar mit einem Minus von 1,7 Mrd. € rechnen. Schon jetzt stehe die ÖGK – ohne Einberechnung der Corona-Krise – mit einem  Defizit von 175,3 Mio. € da, zeigt Silvan auf, und die Bilanzverluste werden sich noch fortsetzen. Es sei daher höchst an der Zeit, der Österreichischen Gesundheitskasse die durch die Fusion der Gebietskrankenkassen entstandenen Kosten in den kommenden fünf Jahren mit jährlich jeweils 200 Mio. € zu ersetzen und dafür budgetär vorzusorgen. 

SPÖ bringt Antrag zur Abschaffung des PRIKRAF ein

Die ÖVP-FPÖ-Regierung habe laut Abgeordnetem Philip Kucher (SPÖ) die Umgestaltung der Sozialversicherungen auch dazu genutzt, um den Topf, aus dem 44 Privatkliniken in Österreich Versichertengelder beziehen (PRIKRAF), aufzustocken (648/A). Seither fließen nicht mehr 130 Mio. €, sondern 145 Mio. € in die Taschen der privaten Holdings und Inhaber. Diese Mittelerhöhung sei aus Sicht der SPÖ völlig unverhältnismäßig, zumal der PRIKRAF um lediglich eine weitere Krankenanstalt – die Privatklinik Währing in Wien mit 20 Betten – erweitert wurde. Überdies werden die Betten dieser Spitäler nur zu knapp 50% von Versicherten der ÖGK, die knapp 70% der PRIKRAF-Leistungen finanziert, in Anspruch genommen.

Während also durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz rund 750 Mio. € aus der öffentlichen Gesundheitsversorgung abgezogen wurden, wurde die Finanzierung der Privatspitäler um ca. 11,5% erhöht, beklagt Kucher. Aussagen im Ibiza-Untersuchungsausschuss legten zudem nahe, dass es sich beim zusätzlichen Budget für die Privatspitäler um einen Tauschhandel zwischen ÖVP und FPÖ handeln könnte: "Die FPÖ bekommt die Aufnahme eines befreundeten Privatspitals in den PRIKRAF, dafür wird der Topf für alle aufgestockt". Alleine die Tatsache, dass ein Gesetz die Möglichkeit eröffnet, durch seine Umsetzung gesetzlich nicht einwandfreie Vorgangsweisen zu unterstützen, mache es unumgänglich, dieses Gesetz abzuschaffen, lautet die im Rahmen eines Initiativantrags (PRIKRAF-Abwicklungsgesetz) eingebrachte Forderung der SPÖ. Außerdem soll gleichzeitig zu dem vor 2002 bestehenden Verrechnungssystem zurückgekehrt werden.

SPÖ für qualitativ hochwertige medizinische Versorgungssicherheit in Österreich

Schließlich fordert die SPÖ die Regierung auf, eine staatliche Initiative zu starten, um die Produktion von Medikamenten und Wirkstoffen sowie Medizinprodukten - insbesondere medizinische Schutzausrüstungen wie Masken - wieder nach Europa und Österreich zu holen (719/A(E)). Die Corona-Krise verdeutliche die europäische und österreichische Abhängigkeit von China, so der Entschließungsantrag. Bei den Lieferungen von Schutzausrüstungen nach Österreich seien außerdem zum Teil mangelhafte Qualitätsstandards bei MNS-Masken aufgefallen. Die Versorgung mit Medikamenten sowie die Verfügbarkeit von Desinfektionsmitteln und Schutzmasken von höchster Qualität, Verträglichkeit und ohne Gesundheitsrisiko in Gesundheitsberufen, im Verkauf und in allen weiteren systemrelevanten Branchen sei dringend notwendig. Die Politik habe die Aufgabe, diese Standards umfassend zu garantieren, so die SozialdemokratInnen. Daher gelte es, auf regionale Produktion mit höchsten Qualitätsstandards - sowohl im Bereich der Produktion, als auch im Sinne und zum Schutz der ArbeitnehmerInnen - zu setzen.

NEOS wollen Reform der Aufnahmekriterien in den PRIKRAF und Leistungsabrechnung nach genau definierten Standards

Der Ruf der privaten Kliniken leide unter den politischen Absprachen und den fragwürdigen Aufnahmemodalitäten in den PRIKRAF, die Willkür und Korruption fördern, zeigt auch NEOS-Gesundheitssprecher G erald Loacker auf (666/A(E)). Es sei seiner Meinung nach aber davon auszugehen, dass auch die privaten PRIKRAF-Spitäler, ähnlich wie die privaten Fondskrankenanstalten, eine entsprechende Effizienz vorweisen, weshalb es sämtlichen Privatkliniken erlaubt sein soll, versorgungswirksame Leistungen gemäß LKF-Katalog (Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung) abzurechnen, sofern definierte Standards bezüglich Leistungsdokumentation, Qualität und Transparenz erfüllt werden.

NEOS: Mehr Transparenz bezüglich der Behandlungsqualität in den Spitälern

Während in der Schweiz die Bevölkerung Zugang zu Informationen hat, in welchen Krankenhäusern die beste Behandlungsqualität geboten wird, verschließt man sich in Österreich noch immer vor einer transparenten Berichtserstattung, beklagt Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS). Es wurden zwar bereits acht sogenannte A-IQI-Berichte (Austrian Inpatient Quality Indicators) publiziert, diese seien für die PatientInnen aber unbrauchbar. Da man lediglich die Anzahl der Standorte erfährt, an denen es "statistische Auffälligkeiten" gibt, trage diese Vorgehensweise eher zur Verunsicherung bei. Loacker fordert daher Minister Anschober auf, die A-IQI-Qualitätsindikatoren in Absprache mit der Bundes-Zielsteuerungskommission auf Ebene der Krankenhausstandorte zu veröffentlichen (548/A(E)).

NEOS wollen Änderungen beim Alkoholsteuergesetz

In einem Initiativantrag sprechen sich die NEOS zudem dafür aus, dass die Befreiung von der Alkoholsteuer für Alkohol, der für die Herstellung von Desinfektionsmitteln verwendet wird, dauerhaft gelten soll (566/A).

Freiheitliche fordern Amnestie für "Corona-Sünder"

Für eine Einstellung aller Verwaltungsstrafverfahren, die auf Basis von COVID-19-Gesetzen und -Verordnungen eingeleitet wurden, treten die Freiheitlichen ein (612/A(E)). Außerdem sollen bereits bezahlte Strafgelder zurückerstattet werden. Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ) übt Kritik insbesondere an der Tatsache, dass in diesen Angelegenheiten mit zweierlei Maß gemessen werde. Während etwa einem freiheitlichen Landtagsabgeordneten aufgrund eines privaten Treffens mit Tennisfreunden sofort der Rücktritt nahegelegt worden sei, habe sich der Bundespräsident bis spät nach der Sperrstunde bei einem Nobel-Italiener in der Wiener Innenstadt aufgehalten. Auch die Auftritte von Sebastian Kurz im Kleinwalsertal würden belegen, dass der Bundeskanzler selbst seine eigenen Regeln wie Abstandhalten oder Maskenpflicht nicht einhalte. Überdies habe das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor Kurzem in einem Urteil festgestellt, dass Zusammentreffen mehrerer Personen während der Corona-Zeit überhaupt nie verboten gewesen seien, zeigt Schnedlitz auf. (Schluss) sue