Parlamentskorrespondenz Nr. 769 vom 08.07.2020

Nationalrat: Familien erhalten im September Sonderzahlung von 360 € pro Kind

Auch Einmalzahlung für Arbeitslose, Abänderungsantrag ermöglicht dreiwöchige Sonderbetreuungszeit im Sommer

Wien (PK) – Familien werden im September eine Sonderzahlung von 360 € pro Kind erhalten. Das Geld soll gemeinsam mit der Familienbeihilfe und dem Schulstartgeld ausgezahlt werden. Der Nationalrat stimmte in seiner heutigen Sitzung mehrheitlich einer entsprechenden Gesetzesvorlage der Regierung zu. Damit ist auch die geplante Einmalzahlung für Arbeitslose von 450 € und die Verdoppelung der Mittel des Familienhärtefonds auf 60 Mio. € zur Unterstützung von Familien in Notlagen auf Schiene. Fachkräftestipendien und Bildungskarenzen können im Bedarfsfall verlängert werden, wenn es Corona-bedingt nicht möglich war, die begonnene Ausbildung abzuschließen bzw. das angestrebte Bildungsziel zu erreichen. Mit zweijähriger Verspätung setzt Österreich außerdem eine EU-Verordnung in Bezug auf das Europäische Netz der Arbeitsvermittlungen (EURES) um.

Begleitend zum Gesetzespaket hat der Nationalrat außerdem eine Novelle zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz beschlossen. Dabei wurde auch ein einstimmig angenommener Abänderungsantrag berücksichtigt, mit dem die Koalitionsparteien die sogenannte "Sonderbetreuungszeit" vorübegehend wiederbeleben wollen. Sie ermöglicht es ArbeitnehmerInnen im Bedarfsfall, von der Arbeit fernzubleiben, um minderjährige Kinder, Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftige Personen selbst zu betreuen, wenn die üblichen Betreuungsstrukturen ausfallen. Voraussetzung ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, der diesfalls ein Drittel der Lohnkosten vom Staat ersetzt bekommt. Eigentlich ist dieses Instrument bereits Ende Mai ausgelaufen, nun soll es aber für bis zu weitere drei Wochen im Sommer – begrenzt mit 30. September – in Anspruch genommen werden können. Auch eine tage- oder halbtageweise Inanspruchnahme ist möglich. Begründet wird dieser Schritt damit, dass die andauernde Corona-Krise ArbeitnehmerInnen weiterhin vor große Herausforderungen stellt, um Arbeit und Betreuungspflichten zu vereinbaren.

Während ÖVP und Grüne die Vorhaben ausdrücklich begrüßten, kam von der Opposition viel Kritik. So erachten SPÖ und FPÖ eine Einmalzahlung an Arbeitslose als unzureichend und plädierten dafür, das Arbeitslosengeld zumindest vorübergehend zu erhöhen. Zudem bemängelte die SPÖ die Indexierung des Kinderbonus. Für im Ausland lebende Kinder werden demnach nicht 360 €, sondern ein an die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzland angepasster Betrag ausgezahlt. Die NEOS wiederum haben wenig Verständnis dafür, dass der Kinderbonus mit der "Gießkanne" ausgeschüttet wird. Zudem wäre es ihrer Meinung nach notwendig, sich stärker darauf zu fokussieren, Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Um ihre Forderungen zu untermauern, haben die Oppositionsparteien im Zuge der Debatte auch mehrere Abänderungs- und Entschließungsanträge eingebracht. Forderungen nach einem vorübergehenden 30-prozentigen Zuschlag zum Arbeitslosengeld bis Ende Dezember und einem verlängerten Bezug von Arbeitslosengeld fanden aber ebenso wenig eine Mehrheit wie die Anliegen, die Familienbeihilfe in Monaten mit Corona-bedingter Schulschließung zu verdoppeln, von der Indexierung der Familienbeihilfe Abstand zu nehmen, den Familienhärtefonds zeitlich zu erstrecken und den Personalstand beim Arbeitsmarktservice (AMS) umgehend aufzustocken.

Die Kosten für den Kinderbonus werden von der Regierung mit rund 678 Mio. € veranschlagt, jene für die Einmalzahlung an Arbeitslose mit rund 198 Mio. €. Steigender Konsum soll einen Teil dieser Ausgaben durch höhere Umsatzsteuereinnahmen jedoch wieder ins Budget zurückspülen.

Maßnahmen zur Verhinderung von Jugendarbeitslosigkeit

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage und der Novelle zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz wurden zahlreiche Anträge der Opposition, die jedoch keine Mehrheit fanden. Das betrifft sowohl die Forderung der FPÖ nach einer Beschränkung des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt als auch drei Entschließungsanträge der NEOS. Diese zielten unter anderem auf eine zeitliche Staffelung und Begrenzung des Arbeitslosengelds – beginnend mit einer höheren Nettoersatzrate –, Reformen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Einrichtung eines Weiterbildungskontos ab.

Mehrheitlich abgelehnt wurde auch ein SPÖ-Antrag zum Thema Jugendbeschäftigung. Sozialsprecher Josef Muchitsch und seine FraktionskollegInnen hatten unter anderem eine Aufstockung überbetrieblicher Lehrwerkstätten um zumindest 5.000 Ausbildungsplätze, mehr Lehrstellen im öffentlichen Dienst und eine Wiedereinführung der Ausbildungsgarantie für junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr gefordert, um der Gefahr steigender Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Nach Meinung von ÖVP und Grünen legt die Regierung auf diesen Bereich ohnehin ein besonderes Augenmerk, das wurde auch in einer dem Ausschussbericht beigefügten Ausschussfeststellung festgehalten. Diese verweist unter anderem auf den Lehrlingsbonus für Unternehmer in Höhe von 2.000 €, einen Entschädigungstopf für Lehrlinge, die ihre Ausbildung Corona-bedingt erst mit Verspätung abschließen konnten und die Task Force Jugendbeschäftigung.

Einmalzahlung für Arbeitslose schmälert Sozialhilfe nicht

Im Zuge der Debatte hoben sowohl Markus Koza (Grüne) als auch August Wöginger (ÖVP) hervor, dass etwaige Sozialhilfeleistungen durch die Einmalzahlung an Arbeitslose von 450 € nicht geschmälert würden. Das habe man ausdrücklich im Gesetz verankert, betonte Koza. Auch Sozialversicherungsbeiträge werden laut Gesetzentwurf nicht abgezogen. "Das ist bares Geld auf die Hand", bekräftigte Wöginger. Das gelte auch für den Kinderbonus, beide Maßnahmen würden bei den Menschen ankommen. "Wir lassen niemanden zurück in der jetzigen Situation", ist er überzeugt. Wöginger erwartet zudem, dass die Einmalzahlungen in den Konsum gehen und damit wiederum den Wirtschaftskreislauf beleben.

Über eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes wollen die Grünen laut Koza "im Herbst weiterreden". Die Einmalzahlung von 450 € sei technisch jedoch am raschesten umsetzbar. Zudem sei es "die erste Erhöhung des Arbeitslosengeldes seit Jahrzehnten", wollte er sich die Maßnahme von der SPÖ nicht schlechtreden lassen. Ebenso machte Koza auf die gestern beschlossene Senkung des Eingangssteuersatzes und die Erhöhung der Negativsteuer aufmerksam. Es brauche einen Maßnahmenmix, um durch die Krise zu kommen.

Skeptisch in Bezug auf eine allgemeine Erhöhung des Arbeitslosengeldes äußerte sich hingegen ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger. Solange nicht alle Arbeitsplätze besetzt seien, wäre ein solcher Schritt wenig zielführend, meinte er. Schließlich gebe es schon jetzt zu wenig Anreize, um eine Arbeit anzunehmen.

Was die Unterstützung von Familien betrifft, sprach ÖVP-Abgeordneter Norbert Sieber von einem Paket, das sich sehen lassen könne. So erachtet er etwa die Erhöhung der Mittel des Familienhärtefonds für notwendig, um der "Flut von Anträgen" entsprechen zu können. Im Schnitt wurden ihm zufolge bisher über den Fonds 1.200 € an Familien in Notlagen ausbezahlt. Auch Barbara Neßler (Grüne) sieht im Kinderbonus und in der Aufstockung des Familienhärtefonds wichtige Schritte, um Kinderarmut vorzubeugen und zu bekämpfen.

SPÖ und FPÖ halten Maßnahmen für unzureichend

Überzeugen ließen sich SPÖ und FPÖ durch die Argumente der Regierungsparteien allerdings nicht. "Das ist alles zu wenig. Das ist nicht nachhaltig. Das ist sozial ungerecht", fasste etwa SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch die Position seiner Partei zusammen. Anders als behauptet, würden viele Menschen zurückgelassen. So bietet die Einmalzahlung für Arbeitslose seiner Meinung nach keine ausreichende Vorsorge, um Armut zu vermeiden und die Kaufkraft zu stabilisieren. Zudem komme die Hilfe viel zu spät. Ein Abänderungsantrag der SPÖ, rückwirkend mit Mitte März und befristet bis Ende Dezember einen 30%igen Zuschlag zum Arbeitslosengeld auszuzahlen, fand bei der Abstimmung allerdings ebenso wenig eine Mehrheit wie ein ähnlicher Entschließungsantrag der FPÖ.

Auch SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger kritisierte die Verteilung von "Almosen". Für arbeitslose Menschen, die plötzlich nur noch 55% ihres früheren Gehalts ausgezahlt bekommen, bringe eine Einmalzahlung von 450 € wenig. Laut Stögers Berechnungen würden außerdem LandwirtInnen dreimal so viel Unterstützung wie ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen gar 31 Mal so viel bekommen. Empört auf die Ausführungen von ÖVP-Abgeordnetem Fürlinger reagierte Julia Herr (SPÖ): Sie wies darauf hin, dass derzeit zehn Arbeitslose auf eine Arbeitsstelle kommen.

Ähnlich wie die SPÖ argumentierten die FPÖ-Abgeordneten Peter Wurm und Dagmar Belakowitsch. "Wir sind mitten in einer Wirtschafts- und einer Sozialkrise", gab Wurm zu bedenken. Knapp 850.000 Menschen seien arbeitslos oder in Kurzarbeit, eine Entspannung sei nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund erachtet auch er die vorgesehenen Hilfen als zu wenig. Vor allem jene ArbeitnehmerInnen, die vor der Corona-Krise einigermaßen gut verdient haben und nun arbeitslos sind, werden laut Belakowitsch im Stich gelassen. Mit einer Einmalzahlung könnten die weiterlaufenden Fixkosten nicht abgedeckt werden.

Wurm und Belakowitsch halten es zudem für dringend geboten, den Konsum anzukurbeln und brachten in diesem Zusammenhang neuerlich die Verteilung eines "Österreich-Gutscheins" von 1.000 € an alle ÖsterreicherInnen ins Spiel. Eine Wiedereinführung der Maskenpflicht wegen einzelner COVID-19-Cluster ist nach Meinung von Wurm hingegen kontraproduktiv und schadet der Wirtschaft massiv.

Was den Kinderbonus betrifft, hinterfragte FPÖ-Abgeordnete Edith Mühlberghuber die Verteilung des Geldes nach dem Gießkannenprinzip. Der Bonus sei nicht sozial gestaffelt, zudem komme die Hilfe "um ein halbes Jahr zu spät". Für die Forderung der FPÖ nach einer Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit Corona-bedingten Schulschließungen konnte sich eine Mehrheit der Abgeordneten aber nicht erwärmen.

NEOS: Arbeitslose brauchen Job, keine "Almosen"

Seitens der NEOS hob Gerald Loacker hervor, dass man alles daran setzen sollte, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Arbeitslose bräuchten einen Job und keine "Almosen", meinte er. Dass sich die Regierung zunächst darauf konzentriert hat, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, wertet Loacker grundsätzlich als richtig, nun müsste man aber verstärkt Augenmerk darauf legen, Arbeitslose "für das Neue, das entsteht, zu qualifizieren". Dafür brauche es zusätzliche Mittel. Zudem ist es seiner Meinung nach internationaler Standard, zu Beginn der Arbeitslosigkeit ein höheres Arbeitslosengeld zu zahlen und dieses dann sukzessive zu senken.

Ein Entschließungsantrag der NEOS, der auf eine Aufstockung des Personals beim AMS abzielte, blieb jedoch ebenso in der Minderheit wie ein Entschließungsantrag zum Familienhärtefonds. Abgeordneter Michael Bernhard hatte dafür plädiert, die Leistungen aus dem Fonds zeitlich über die Dauer der Corona-Krise auszudehnen sowie für eine rasche Bearbeitung der Anträge und eine transparente und nachvollziehbare Auszahlung zu sorgen. Derzeit erfolgten die Auszahlungen äußerst willkürlich, kritisierte er. Zum Kinderbonus merkte Fiona Fiedler (NEOS) an, dass diesen auch Familien erhalten, die ihn nicht notwendig haben. "Packen Sie die Gießkanne ein", appellierte sie an die Koalitionsparteien.

Was die Aufnahme privater Arbeitsmarktdienstleister in das Europäische Netz der Arbeitsvermittlungen (EURES) betrifft, hatten sowohl SPÖ als auch NEOS im Sozialausschuss kritisiert, dass die Aufgabe als Zulassungsstelle in Österreich die Wirtschaftskammer (WKO) übernimmt. Diese stelle nur die Infrastruktur bereit und stehe in diesem Bereich unter der Weisung des Arbeitsministeriums, hielt Rebecca Kirchbaumer heute dazu fest. Als nationale Koordinierungsstelle wird das AMS fungieren. Um unseriöse Anbieter auszuschließen, werden verschiedene Vorkehrungen getroffen, im Falle des Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorgaben sind auch Verwaltungsstrafen vorgesehen. Österreich hätte die einschlägige EU-Verordnung bereits 2018 umsetzen müssen und ist hier säumig.

Familienhärtefonds: Bisher knapp zwei Drittel der 30 Mio. € ausbezahlt

Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher informierte die Abgeordneten darüber, dass bisher knapp zwei Drittel der derzeit zur Verfügung stehenden 30 Mio. € aus dem Familienhärtefonds ausbezahlt wurden. Aus dem ebenfalls mit 30 Mio. € dotierten Familienkrisenfonds, der für Familien gedacht ist, die bereits vor der Corona-Krise von Arbeitslosigkeit betroffen waren, sollen die ersten Gelder im Juli fließen. Konkret werden mit den Mitteln Aschbacher zufolge rund 175.000 Familien unterstützt, vorgesehen sind 100 € pro Kind.

Mit der Juli-Auszahlung wird laut Aschbacher auch die rückwirkende Aufstockung der Notstandshilfe ausgezahlt. Zudem betonte sie, dass die Einmalzahlung für Arbeitslose auch jene erhalten, die bis zum September wieder eine Arbeit gefunden haben, sofern sie zuvor zumindest 60 Tage arbeitslos waren. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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