Parlamentskorrespondenz Nr. 821 vom 16.07.2020

Dringliche im Bundesrat: SPÖ vermisst umgehende Maßnahmen der Bundesregierung gegen Missstände in der Erntearbeit

Ministerin Aschbacher verweist auf Zuständigkeit der Länder, bundesweites Landarbeitergesetz soll einheitliche Standards bringen

Wien (PK) – Die jüngst medial publik gewordenen Missstände im Bereich der Erntearbeit waren heute im Bundesrat Ausgangspunkt für eine Dringliche Anfrage der SPÖ an Arbeitsminister Christine Aschbacher. Die Oppositionsfraktion vermisst den politischen Willen und umgehende Maßnahmen der Bundesregierung, um gegen "arbeitsrechtlich schwer bedenkliche Umstände bzw. illegale, ausbeuterische Praktiken in der Erntearbeit" vorzugehen.

Arbeitsministerin Christine Aschbacher entgegnete der Kritik der Oppositionspartei, dass der Arbeitnehmerschutz im Bereich der Landwirtschaft, die kollektivvertraglich vorgesehenen Entlohnungen sowie die Hygiene- und Schutzbestimmungen selbstverständlich zu jeder Zeit einzuhalten seien. Was die Vorwürfe der SPÖ betrifft, sei ihr Ressort mit den Arbeitsinspektoraten für den ArbeitnehmerInnenschutz in der gewerblichen Wirtschaft zuständig, für die Kontrolle der Einhaltung der Schutzstandards oder Strafen im Bereich der Erntearbeit allerdings die Land- und Forstwirtschaftsinspektionen der Bundesländer, die sofort aktiv geworden seien und die notwendigen Schritte eingeleitet hätten. Es gebe keine Berichtspflichten, ihr Ressort und die Arbeitsinspektorate seien aber bemüht, dass ein Austausch stattfindet. 

Aschbacher verwies zudem auf den bis Ende August in Begutachtung befindlichen Entwurf für ein bundesweit einheitliches Landarbeitergesetz, durch das die neun verschiedenen Rechtsordnungen für 30.000 ArbeinehmerInnen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft vereinheitlicht sowie Entbürokratisierung und österreichweit klare, übersichtliche Regelungen zum Arbeitnehmerschutz bringen soll. Auf Grundlage des Gesetzes soll dann eine bundeseinheitliche Arbeitsstättenverordnung für die Land- und Forstwirtschaft erarbeitet werden. Die Vollziehung und Kontrolle der Standards und Schutzbestimmungen sollen bei den Bundesländern bleiben.

SPÖ fordert mehr Arbeitnehmerschutz für ErntehelferInnen

Berichte über ErntearbeiterInnen, die bei einem Vier-Euro-Stundenlohn bis zu 14 Stunden am Tag an sechs bis sieben Tagen in der Woche arbeiten müssen und teils zu acht in einem schimmeligen, desolaten Zimmer untergebracht werden, würden Bilder zeigen, die in einem der reichsten Länder der Welt surreal wirken, weil sie in vielfacher Hinsicht den menschen- und grundrechtlichen Bestimmungen zuwiderlaufen und so auch diese hohen Rechtsnormen an sich ad absurdum führen, kritisiert die SPÖ. Beispiele wie diese aus einem Spargelbetrieb in Niederösterreich stünden exemplarisch für strukturelle Probleme und eine mehr als nachlässige Kontrolle der Arbeitsbedingungen in dieser Branche.

Unterentlohnung, unbezahlte Überstunden, keine und zu geringe Auszahlung der Sonderzahlungen (Bsp. Urlaubs- und Weihnachtsgeld), Verstöße gegen Arbeitszeitregeln und unwürdige Quartiere seien in der Erntearbeit weit verbreitet und könnten nicht stillschweigend zur Kenntnis genommen werden, man müsse stattdessen mit aller Deutlichkeit darauf drängen, dass diese Praktiken abgestellt werden. Während Gewerkschaften, die Sezonieri-Kampagne, weitere NGOs und Aktivistinnen, die gesetzlichen Interessensvertretungen der in der Landwirtschaft Beschäftigten und auch jene landwirtschaftlichen Betriebe, die die gesetzlichen Bestimmungen einhalten oder gar übererfüllen, sich für faire Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft einsetzen, scheine dies der Bundesregierung kein besonderes Anliegen zu sein, bemängeln die SozialdemokratInnen.

Um diese Missstände aufzuzeigen, brauche man Mut, insbesondere, wenn die eigene Existenz von jener Arbeit abhängt, bei der unfassbare Bedingungen anscheinend auf der Tagesordnung stehen, sagte Korinna Schumann (SPÖ/W). Sie erwarte sich von Arbeitsministerin Aschbacher, die Missstände umgehend zu unterbinden. Es gehe nicht um ein Bashing des Bauernstandes, sondern darum, solche Bedingungen nicht zuzulassen sowie um Arbeitnehmer- und Menschenrechte, die ihre Fraktion massiv gefährdet sieht. Diese unwürdigen Zustände in einem systemrelevanten Bereich zuzulassen, sei eine Schande und nicht hinzunehmen, so Schumann. Es brauche u.a. eine soziale Absicherung für ErntehelferInnen, einen fairen Lohn, ausbezahlte Überstunden und saubere Quartiere. Ein entsprechender Entschließungsantrag betreffend Verbesserungen im Bereich der Erntearbeit, mit dem die Ministerin aufgefordert wird, umgehend gesetzliche Maßnahmen vorzulegen, wurde mehrheitlich in der Länderkammer angenommen.

Aschbacher: Gesundheit steht zu jeder Zeit an oberster Stelle

Die Corona-Krise habe die Arbeitswelt komplett durcheinandergewürfelt, auch jene in landwirtschaftlichen Betrieben, so Aschbacher, die Gesundheit stehe bei allen arbeitsmarkt- und wirtschaftlichen Maßnahmen zu jeder Zeit an oberster Stelle. Österreichs BäuerInnen und ErntearbeiterInnen würden in der Krisenzeit tagtäglich großartige Arbeit leisten, egal zu welcher Uhrzeit oder bei welchem Wetter. Insbesondere COVID-19 habe die Bedeutung von regionaler Versorgung zu Tage gebracht, in Österreich sei es zu keiner Zeit zu Versorgungsengpässen gekommen, so die Ministerin, das sei mit Blick auf andere Staaten keine Selbstverständlichkeit und auch weiterhin zu garantieren.

Angesprochen von der SPÖ auf die während der COVID-Krise von Aschbacher gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium und anderen Organisationen eingerichtete Online-Plattform www.dielebensmittelhelfer.at, sagte die Ministerin, dass in der Krise alle helfenden Hände gebraucht worden seien und deshalb diese Plattform ins Leben gerufen wurde. Gemeldet hätten sich rund 20.000 Menschen sowie 596 Betriebe, vermittelt worden seien rund 4.000 Arbeitskräfte, viel sei aber auch regional auf Eigeninitiative der BäuerInnen vor Ort passiert.

Auf die Frage, ob Aschbacher vorhabe, das internationale Übereinkommen Nr. 184 sowie die Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. 192 betreffend Arbeitsschutz in der Landwirtschaft zu ratifizieren, sagte die Ministerin, dass dies nicht allein in ihrem Zuständigkeitsbereich liege.

"Missstände gehören selbstverständlich aufgezeigt und behandelt", sagte Ernest Schwindsackl (ÖVP/St), dies sei keine Frage. Bei den von der SPÖ in der Dringlichen Anfrage genannten drei Fällen handle es sich aber um einen Promillebereich, es gebe hunderte Vorzeigebetriebe in Österreich, die wunderbar arbeiten und ErntehelferInnen wie Familienmitglieder behandeln, so Schwindsackl.

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne/St) betonte, dass jegliche Form von Ausbeutung im Bereich der Erntearbeit entschieden abzulehnen sei. Seine Fraktion trete für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und mehr Entlohnung ein. Vom Mythos der Eigenverantwortung sei man im Bereich von Obst und Gemüse in Österreich allerdings weit weg.

Dass u.a. illegale ZuwanderInnen im Bereich der Erntearbeit ausgebeutet werden, zeige sich in vielen Ländern Europas und sei kein ausschließlich österreichisches Phänomen, so Bernhard Rösch (FPÖ/W). Wenn Menschen um vier Euro 14 Stunden am Tag arbeiten, gehe es nicht an, dass man wegschaut und die Situation schönredet. Das würde "schwarzen Schafen" Vorschub leisten und jene Betriebe in einen Wettbewerbsdruck bringen, die die Menschen ordentlich bezahlen und behandeln. (Schluss Dringliche Anfrage) keg


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