Parlamentskorrespondenz Nr. 976 vom 01.10.2020

Innenausschuss: Einvernehmen über gesetzliche Grundlage für staatliches Krisen- und Katastrophenmanagement

Weitere Anträge zu Moria, Aufstockung der Polizei in Favoriten und Zuzug ausländischer Familienangehöriger

Wien (PK) – Die Corona-Epidemie habe deutlich gezeigt, dass es eine gesetzliche Basis für das gesamtstaatliche Krisen- und Katastrophenmanagement brauche, heißt es in einer gemeinsamen Initiative von ÖVP, Grünen und NEOS, die heute im Innenausschuss einstimmig beschlossen wurde. Von allen Fraktionen zur Kenntnis genommen wurde zudem ein Bericht über den Stand der Zusammenarbeit zwischen Österreich und den USA bezüglich Verhinderung schwerer Straftaten (PCSC-Abkommen), wobei es insbesondere um die Möglichkeit des gegenseitigen automatisierten Abrufs daktyloskopischer Daten (Fingerabdrücke) geht; der Bericht gilt somit als enderledigt.

Auf der Agenda standen noch eine Reihe von oppositionellen Entschließungsanträgen, die thematisch eine breite Palette abdeckten. Die SozialdemokratInnen setzten sich nicht nur für die Aufstockung der Polizei in Favoriten, sondern auch für die Änderung des Erlasses zur behördlichen Umsetzung des sogenannten dritten Geschlechtseintrages sowie für die Beibehaltung des Mahnsteins gegen Krieg und Faschismus in Braunau ein. Den NEOS waren wiederum die Verbesserung der Sicherheitsstandards im Cyberbereich sowie die Abschaffung der vermeintlichen "Inländerdiskriminierung" beim Zuzug ausländischer Familienangehöriger ein großes Anliegen, während die Freiheitlichen erneut ihre Ablehnung gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem griechischen Lager Moria zum Ausdruck brachten.

Alle Fraktionen für rechtliche Rahmenbedingungen und klare Zuständigkeiten beim staatlichen Krisenmanagement

COVID-19 ist Anlass für einen gemeinsamen Entschließungsantrag von ÖVP, Grünen und NEOS zur Erarbeitung einer gesetzlichen Grundlage für das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM) (877/A(E)). Integraler Bestandteil des Gesetzes soll eine klare Definition des Krisenfalls und dessen Ausrufung sein. Zur Effizienzsteigerung sollen klare Strukturen und Zuständigkeiten sowie Mitwirkungs-, Protokoll- und Dokumentationspflichten geschaffen werden. Gegenüber den derzeit bestehenden Regelungslücken sollen in der Rechtsgrundlage auch Maßnahmen der Krisenprävention, speziell für vulnerable Gruppen, berücksichtigt werden, betonte etwa Abgeordneter David Stögmüller (Grüne). Abgeordneter Manfred Hofinger (ÖVP) betonte die Notwendigkeit, rechtliche Rahmenbedingungen für außergewöhnliche Krisen wie die Corona-Epidemie zu schaffen und die jeweiligen Zuständigkeiten klar festzuschreiben. Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) bedankte sich für die gute Zusammenarbeit; Unterstützung für den Antrag kam auch von Seiten der SPÖ und der FPÖ.

Bericht über Fingerabdruck-Datenaustausch mit USA einstimmig zur Kenntnis genommen

Über das PCSC-Abkommen zwischen Österreich und den USA und den Stand der Zusammenarbeit bei der Verhinderung schwerer Straftaten, das seit 2012 in Kraft ist, informiert der Innenminister in einem jährlichen Bericht (III-143 d.B.), der den Zeitraum Mai 2019 bis April 2020 umfasst. Auf operativer Ebene erfolgt seit 2017 zwischen dem Bundeskriminalamt und dem FBI sowie dem Department of Homeland Security ein automatisierter Abruf der Fingerabdruck-Daten. Seit diesem Zeitraum konnten über 150 Straftäter identifiziert werden, informierte Innenminister Karl Nehammer, die USA habe sich bei der Umsetzung des Abkommens als verlässlicher und vertragstreuer Partner erwiesen.

FPÖ-Antrag gegen Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt

Im Rahmen eines Entschließungsantrags brachte die FPÖ abermals ihre ablehnende Haltung gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria zum Ausdruck (865/A(E)). Darin wird der Bundeskanzler aufgefordert, auf nationaler Ebene sicherzustellen, dass es zu keiner Aufnahme von "Moria-Migranten" kommt sowie auch auf internationaler Ebene diese Position zu vertreten. Die EU dürfe sich nicht durch "Brandstifter" erpressen lassen, war Abgeordneter Hannes Amesbauer (FPÖ) überzeugt. Die Freiheitlichen sahen den Antrag als Chance für die ÖVP, auf parlamentarischer Ebene "Farbe zu bekennen".

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ) vertrat eine konträre Ansicht und drängte darauf, dass Österreich als eines der reichsten Länder der Welt seiner humanitären Verantwortung nachkommen müsse. Auch NEOS-Mandatar Douglas Hoyos-Trauttmansdorff plädierte für die Aufnahme vor allem von minderjährigen Flüchtlingen. Es könne nicht hingenommen werden, dass noch immer 13.000 Menschen obdachlos seien. Medienwirksame PR-Aktionen seien zu wenig, stellte er in Richtung der ÖVP kritisch fest.

Österreich gehöre zu jenen Ländern, die von der Flüchtlingskrise am stärksten betroffen gewesen sei und habe in den letzten Jahren sehr vielen Menschen Asyl gewährt, führte ÖVP-Vertreter Ernst Gödl aus. Außerdem habe man im vorliegenden Fall sehr rasch Hilfe geleistet. Einer verpflichtenden Verteilung von Flüchtlingen in der EU werde seine Fraktion nicht zustimmen.

Abgeordneter Georg Bürstmayr (Grüne) räumte ein, dass es in dieser Frage einen Dissens zwischen den Koalitionspartnern gebe. Gleichzeitig hob er aber auch die Vervielfachung der Mittel für UNHCR hervor.

Es habe sich leider bald herausgestellt, dass der Brand im Lager von Moria von gewaltbereiten MigrantInnen gelegt wurde, konstatierte Innenminister Karl Nehammer. Griechenland habe dann das Ersuchen gestellt, bestimmte Hilfsgüter zu liefen, wobei Österreich sehr rasch reagiert und unter anderem winterresistente Zelte geliefert habe. Die griechische Regierung habe zudem davor gewarnt, Flüchtlinge aus dem Lager Moria aufzunehmen, weil dies ein verheerendes Signal gewesen wäre. Aus diesem Grund nehme nun auch Deutschland keine Asylberechtigten und minderjährigen Flüchtlinge aus Lesbos auf. Aus Sicht des Innenministers brauche es keine Einzelaktionen, sondern einen systemischen Ansatz und eine gemeinsame Lösung in der EU.

SPÖ-Initiative für mehr Polizei in Favoriten

Die SPÖ geht von einer Unterbesetzung der Polizei im Wiener Bezirk Favoriten aus, weshalb sie die Zuteilung von 500 zusätzlichen PolizistInnen fordert (793/A(E)). SPÖ-Antragstellerin Petra Bayr zieht in Anbetracht der mehr als 200.000 BezirksbewohnerInnen einen Vergleich mit der ähnlich bevölkerten Stadt Linz, wo mehr als doppelt so viele Exekutivbedienstete zugeteilt seien. Dieses "Missverhältnis" versteht Bayr als eine nachteilige Behandlung der Bundeshauptstadt von Seiten des Bundes. Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ) gab zu bedenken, dass derzeit nur 300 PolizistInnen in Favoriten ihren Dienst versehen; diese seien daher massiv belastet.

Die freiheitliche Partei habe seit langem auf die chronische Unterbesetzung der Polizei in Favoriten aufmerksam gemacht, betonte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Es bestehe ihrer Meinung nach aber Handlungsbedarf in ganz Wien. Erst unter Innenminister Kickl sei es zu einer deutlichen Aufstockung des Personals gekommen. Man sollte sich generell überlegen, wie die Arbeitsbedingungen für PolizistInnen verbessert werden können, meinte NEOS-Vertreter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. Favoriten weise eine der höchsten Kriminalitätsraten auf, merkte Abgeordneter Wolfgang Gerstl (ÖVP) an, der Versäumnisse in der Lokalpolitik ortete. Da das Innenressort gerade an einem umfassenden Personaleinsatzplan arbeite, stellte er einen Vertagungsantrag, der die Mehrheit fand.

SPÖ für den Fortbestand des Mahnsteins gegen Krieg und Faschismus in Braunau

Ferner setzt sich die SPÖ dafür ein, dass der Mahnstein gegen Krieg und Faschismus beim Hitler-Geburtshaus in Braunau auch nach dem Umbau zur Polizeistation bestehen bleibt (771/A(E)). Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ) wies darauf hin, dass es konkrete Pläne gebe, den Mahnstein in das Haus der Geschichte nach Wien zu transferieren. Auch der gesamte Gemeinderat in Braunau habe sich dagegen ausgesprochen. NEOS-Mandatar Felix Eypeltauer schloss sich dem SPÖ-Anliegen an, da es "ein Gedenken im öffentlichen Raum brauche". Abgeordneter David Stögmüller (Grüne), der selbst im Gemeinderat von Braunau sitzt, zeigte sich grundsätzlich froh über die Umgestaltung des Hitler-Geburtshauses. Es sei mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat aber bereits akkordiert, dass der Stein dort bleibt, teilte er der Antragstellerin mit. Da für diese Causa nicht der Innenminister, sondern die Gemeinde selbst zuständig sei, werde er den Antrag ablehnen, kündigte Abgeordneter Ernst Gödl (ÖVP) an. Innenminister Karl Nehammer merkte zudem noch an, dass sich eine hochrangige Expertenkommission mit der Frage beschäftigt und schließlich der Gemeinderat eine Entscheidung gefällt habe. Bei der Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt.

Abgelehnt wurde ebenso ein SPÖ-Antrag, der sich auf einen Erlass des ehemaligen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl bezieht. Laut Sabine Schatz (SPÖ) seien dadurch intergeschlechtliche Menschen bei der behördlichen Umsetzung des dritten Geschlechtseintrages diskriminiert (577/A(E)), weshalb sie unter Bezugnahme auf den Verfassungsgerichtshof dessen Aufhebung forderte. Laut ÖVP-Mandatar Josef Hechenberger sei diesem Ansinnen allerdings bereits nachgekommen worden. Ein neuer Erlass sei bereits von Innenminister Karl Nehammer umgesetzt worden, erklärte er. Dies habe primär Grünen-Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic zu Wege gebracht, ergänzte ihr Fraktionskollege Georg Bürstmayr.

NEOS-Anträge: Cyber-Security und Zuzug ausländischer Familienangehöriger

NEOS-Mandatar Douglas Hoyos-Trauttmansdorff forderte dazu auf, Lehren aus dem Cyberangriff auf das Außenministerium (Dezember 2019 bis Februar 2020) zu ziehen. Es gehe sowohl darum, die Malware der Vergangenheit besser zu prüfen, als auch generell in Zukunft besser gerüstet zu sein, erläuterte der Antragsteller sein Anliegen. Der Antrag bezüglich umfassender Maßnahmen zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich (369/A(E)) wurde allerdings mit der Stimmenmehrheit der Regierungsparteien abgelehnt, weil der Cyberangriff laut ÖVP-Abgeordneten Andreas Minnich und Karl Mahrer bereits gut abgearbeitet und die Strafverfolgung eingeleitet worden sei. Auch Georg Bürstmayr (Grüne) begründete die Ablehnung des Antrags mit diesem Argument, wenngleich er die NEOS-Initiative inhaltlich für gut befand. Reinhold Einwallner (SPÖ) und Christian Ries (FPÖ) brachten die Zustimmung ihrer Fraktionen für den Antrag zum Ausdruck.

Anhand von mehreren Beispielen von betroffenen Personen machte Felix Eypeltauer (NEOS) auf die vermeintliche "Inländerdiskriminierung" beim Zuzug ausländischer Familienangehöriger aufmerksam (590/A(E)). Sein Klub geht davon aus, dass es für ÖsterreicherInnen in der Regel schwieriger sei, ihre ausländischen EhepartnerInnen und Kinder nach Österreich zu holen als für in Österreich lebende EU- bzw. EWR-BürgerInnen, weshalb er sich für eine einheitliche Migrationsstrategie aussprach. SPÖ-Mandatarin Nurten Yilmaz stimmte zu und meinte, diese Diskrepanz wäre leicht zu beheben. Die Regierungsparteien entschieden sich allerdings für eine Vertagung, die Georg Bürstmayr (Grüne) und Christian Stocker (ÖVP) damit begründeten, dass diese Frage wohl schlussendlich der EuGH entscheiden werde. Bürstmayr räumte allerdings ein, dass die Koalitionsparteien bei diesem Thema nicht einer Meinung wären. Abgeordneter Stocker kann derzeit keine derartige Diskriminierung erkennen und meinte vielmehr, das Asylwesen sollte nicht umgangen werden können. (Schluss) sue/fan