Parlamentskorrespondenz Nr. 1215 vom 18.11.2020

Anschober kündigt Pflegepaket für Jänner 2021 an

Nationalrat berät über Bundesvoranschlag betreffend Soziales, Konsumentenschutz und Pensionen

Wien (PK) – Das Paket für die inhaltliche Ausgestaltung der Pflegereform wird bis Jänner 2021 fertiggestellt sein. Bei der Debatte im Nationalrat über den Bundesvoranschlag 2021 im Bereich Soziales, Konsumentenschutz und Pensionen bekräftigte Sozialminister Rudolf Anschober, man sei bereits mitten in der Umsetzung der Reform und arbeite an einer bundeseinheitlichen Lösung gemeinsam mit ExpertInnen und den Betroffenen. Was die soziale Lage im allgemeinen betrifft, gab der Ressortchef unter Hinweis auf die Corona-Pandemie zu bedenken, es gelte nun zu verhindern, dass aus der Gesundheitskrise eine soziale Krise wird. So werde man etwa in einer zweiten Tranche das Arbeitslosengeld erhöhen. Rückenwind für die Pflegereform erhielt Anschober von den Regierungsparteien, die sich überdies in Sachen Pensionen für nachhaltige Lösungen vor allem auch zugunsten der Frauen aussprachen und den geplanten Frühstarterbonus als einen Schritt zu mehr Gerechtigkeit begrüßten.

Bei SPÖ und FPÖ vermisste man im Budget eine Antwort auf die notwendige Pflegereform. Auch überwog bei den Abgeordneten der beiden Fraktionen der Unmut über die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung. Beide legten – analog zur gestrigen Debatte über den Dringlichen Antrag der SPÖ (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1206 ) – abermals Entschließungsanträge zur Beibehaltung der Möglichkeit, nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei in Pension gehen zu können, vor. Zusätzlich bekräftigte die FPÖ ihre Forderung nach einem 1000 €-Gutschein für alle ÖsterreicherInnen, der nur bei heimischen und im Inland steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kann. Die NEOS wiederum beklagten die steigenden Bundesausgaben für die Pensionen.  

Sozialausgaben steigen um 7,6%, Ausgaben für Pensionen um 15,7%

Für den Bereich Soziales und Konsumentenschutz sieht der Budgetentwurf Ausgaben (Auszahlungen) in der Höhe von 4,13 Mrd. € vor. Das sind um 7,6% mehr als für heuer veranschlagt, wobei sich insbesondere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und höhere Kosten für den Pflegebereich niederschlagen. So sind etwa Einmalzahlungen für Sozialhilfe-Haushalte und eine Sonderdotierung des Ausgleichstaxfonds in der Höhe von 40 Mio. € in Aussicht genommen. Für den Pflegebereich stehen insgesamt 3,65 Mrd. € aus dem Sozialbudget zur Verfügung, wobei die Mittel für das Pflegegeld mit 2,76 Mrd. € der größte Ausgabebrocken sind.

Deutliche Spuren hat die COVID-19-Pandemie im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung hinterlassen. Durch sinkende Beitragseinnahmen der Pensionsversicherungsträger aufgrund rückläufiger Beschäftigungszahlen wird der Bundeszuschuss im kommenden Jahr wesentlich höher ausfallen als noch zu Beginn dieses Jahres erwartet. Außerdem schlägt die überdurchschnittliche Erhöhung der Ausgleichszulage und niedriger Pensionen im kommenden Jahr zu Buche. Auch die Beschlüsse vor der Nationalratswahl 2019 wie die abschlagsfreie Frühpension bei 45 Arbeitsjahren und die im Zuge des Konjunkturpakets beschlossenen Entlastungsmaßnahmen für LandwirtInnen wirken 2021 weiter nach.

Insgesamt sind für die Pensionsversicherung im Jahr 2021 Ausgaben (Auszahlungen) in der Höhe von 12,56 Mrd. € budgetiert. Das sind um rund 1,68 Mrd. € bzw. 15,7% mehr als für das laufende Jahr veranschlagt. Etwas mehr als eine Milliarde Euro dieser Budgetuntergliederung wird für die Ausgleichszulage verwendet. Der Rest fließt insbesondere in die staatliche Ausfallshaftung sowie in Pensionsbeiträge, dies etwa für Kindererziehungszeiten, LandwirtInnen und Gewerbetreibende.

ÖVP will "Wahlzuckerl" bei den Pensionen zurücknehmen

Das vorliegende Budget sichere die Mittel für die Valorisierung des Pflegegelds und biete finanzielle Vorsorge für die Abschaffung des Pflegeregresses, schickte August Wöginger (ÖVP) voraus. Bei der Pflegereform stehe man mitten im Prozess der Umsetzung, wobei es hier vor allem auch um die Unterstützung der pflegenden Angehörigen gehen werde. Das Pensionssystem stufte der Sozialsprecher der Volkspartei als im internationalen Vergleich ausgezeichnet ein. Es gelte aber, "Wahlzuckerl" zurückzuschrauben und nachhaltige, gerechte Lösungen zu finden, stellte er mit Blick auf die von SPÖ und FPÖ kritisierte Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung fest.

Grüne für rasche Umsetzung der Pflegereform

Namens der Grünen sprach sich Ralph Schallmeiner für eine rasche Umsetzung der Pflegereform aus. Schwerpunkte müssten dabei Anreizsysteme bei der Bezahlung, die Verankerung einer modularen Ausbildung, die Erleichterung der Anrechnung von anderen Ausbildungen sowie eine Entlastung der pflegenden Angehörigen sein. Der Reformprozess sei im Jänner gestartet worden, nun gelte es, die dabei eingebrachte Expertise umzusetzen. Das vorliegende Budget stehe allerdings im Zeichen der Corona-Krise und könne daher die Reform noch nicht abbilden, erklärte er.

SPÖ beklagt niedrige Frauenpensionen

Verena Nussbaum (SPÖ) beklagte, dass Frauen im Durchschnitt nur halb so viel Pension beziehen wie Männer, obwohl sie gerade jetzt vielfach als Systemerhalterinnen tätig seien. Durch die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung würden die Frauen keinen Cent mehr bekommen, kritisierte sie. Nussbaum forderte in einem Entschließungsantrag eine flächendeckende Kinderbetreuung, Verbesserungen bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten sowie einen Aufschlag von 50 € für jene Pensionistinnen, die Kindererziehungszeiten vorweisen.

FPÖ spricht von Sozialabbau

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch bekräftigte einmal mehr die Kritik ihrer Fraktion an der Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung und warf der Regierung Soziallabbau vor. Das Sozialbudget sei von Kürzungen gekennzeichnet und habe mit der Lebensrealität der BürgerInnen nichts zu tun. Die Menschen würden nun vielmehr zur Kasse gebeten und müssten die teuren Programme für die Konzerne bezahlen, brachte Belakowitsch ihren Unmut auf den Punkt.

NEOS kritisieren Vergrößerung des "Pensionslochs" im Budget

Gerald Loacker (NEOS) ging scharf mit der ÖVP ins Gericht, der er vorwarf, das Pensionssystem "kaputtgeritten" zu haben. So vergrößere sich nun das "Pensionsloch" im Budget von 10 Mrd. € auf 14 Mrd. €. Der ÖVP gehe es dabei nicht um das Wohl der Menschen, sondern um die Maximierung von Stimmen, gebe es doch mehr WählerInnen über 70 als WählerInnen unter 30, stellte der Sozialsprecher der NEOS fest.

Anschober: Pflegereform braucht 100.000 zusätzliche MitarbeiterInnen

Sozialminister Rudolf Anschober ortete in Sachen Pensionen akuten Handlungsbedarf und erinnerte in diesem Zusammenhang, dass eine durchschnittliche Frauenpension 1.035 € beträgt. Man habe deshalb eine gestaffelte Pensionserhöhung und eine Anhebung der Ausgleichszulage beschlossen. Auch der Frühstarterbonus komme jenen zugute, die es am meisten brauchen, und stelle eine deutliche Verbesserung für die BezieherInnen kleiner Pensionen dar. Was die Pflegereform betrifft, sei man mitten in der Umsetzung, wobei es vor allem darum gehen wird, durch entsprechende Anreize 100.000 zusätzliche MitarbeiterInnen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Anschober sprach von einem "Jobmotor Pflege" und legte den Fokus dabei auch auf männliche Interessenten. Als weitere Prioritäten bei der Reform nannte er die Vielfalt des Angebots sowie die Selbstbestimmung der Betroffenen durch Wahlfreiheit zwischen den unterschiedlichen Formen der Betreuung. Bis Jänner werde das inhaltliche Paket vorliegen, das vor allem auch gemeinsame Standards für Kommunen, Städte, Länder und den Bund sowie eine gemeinsame Finanzierung bringen soll, kündigte Anschober an.

Debatte um Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung

In der weiteren Debatte, an der sich 19 Abgeordnete beteiligten, spiegelte sich das breite Spektrum der zur Diskussion stehenden Budgetposten wider – Pensionen, Pflege, Menschen mit Behinderungen und Konsumentenschutz. Die inhaltlichen Trennlinien liefen ganz klar zwischen Regierungsfraktionen und Opposition.

So unterzog Alois Stöger (SPÖ) einmal mehr den geplanten Frühstarterbonus einer harschen Kritik, mit dem Hinweis, dass man mit der Abschaffung des abschlagsfreien Pensionsantritts ab dem 62. Lebensjahr vor allem denjenigen etwas wegnehme, deren Pensionen mit den wenigsten Steuermitteln gestützt werden. So liege der Ausgleich aus dem allgemeinen Budget bei den Pensionen für ArbeiterInnen und Angestellte bei lediglich 11%, bei jenen von BeamtInnen bei 47%, bei den Selbständigen bei 54% und bei den Bäuerinnen und Bauern schieße die öffentliche Hand sogar 95% zu, rechnete Stöger vor. Von Gerechtigkeit könne da keine Rede sein, außerdem nehme man nicht nur den Männern etwas weg, sondern auch deren Frauen, widersprach Stöger dem Argument, Frauen würden derzeit weniger von der abschlagsfreien Hacklerregelung profitieren. Christian Ries (FPÖ) sprach sogar von einem "Fehlstarterbonus", sein Parteikollege Peter Wurm davon, dass man den PensionistInnen rund 300 € stehle.

Dem widersprachen vor allem ÖVP-MandatarInnen heftig, die immer wieder auf die Notwendigkeit nachhaltiger und gerechterer Lösungen hinwiesen. Bettina Zopf (ÖVP) machte in diesem Sinne geltend, dass mit dem Frühstarterbonus ein Anreizsystem für ArbeitnehmerInnen geschaffen werde, wobei jeder und jede das Gleiche bekomme, egal was er bzw. sie verdient. Damit leiste man einen Beitrag zur Schließung der Einkommensschere, sagte sie. Klaus Fürlinger (ÖVP) hielt den SozialdemokratInnen seinerseits entgegen, dass auch der ehemalige SPÖ-Sozialminister Hundstorfer statt der abschlagsfreien Hacklerregelung ein Bonus-Malus-System eingeführt habe. Allgemein erinnerten die ÖVP-Abgeordneten auf die Verbesserungen im letzten Jahr – etwa die Erhöhung der Ausgleichszulage, die überproportionale Erhöhung mittlerer und kleiner Pensionen, den Kinder- und Familienbonus, den Familienhärteausgleichsfonds, die Kurzarbeitszeitmodelle und die Arbeitsstiftung – und wiesen damit den Vorwurf, zu wenig für die soziale Absicherung der Menschen zu tun, zurück.

Drängendes Thema Pflegereform

Auch dem Thema Pflege widmeten sich die Rednerinnen und Redner ausführlich. Seitens der Opposition wurde beklagt, dass in Sachen Pflegereform nichts weitergehe und sich diese auch im kommenden Budget nicht abbilde. "Es schreit nach Antworten", ortete Christian Drobits (SPÖ) Gefahr in Verzug. Rosa Ecker von der FPÖ forderte wie ihr Klubkollege Christian Ragger mehr Pflegepersonal. Sie unterstützten auch eine Pflegelehre, die seitens der SPÖ abgelehnt wird. Deren Gesundheitssprecher Philip Kucher fürchtet durch die Einführung eines solchen Lehrberufs ein Lohndumping in diesem Bereich. Er trat vielmehr dafür ein, die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zu verbessern.

Hart ins Gericht mit den Landeshauptleuten ging Fiona Fiedler von den NEOS. Die Bundesländer würden mit viel Geld überschüttet, ohne zu prüfen, was damit geschieht, beklagte sie und warf den Ländern angesichts der hohen Zahl an Todesfällen in den Pflegeheimen Versagen im Krisenmanagement vor.

Das Thema Pflegereform stehe auf der Prioritätenliste, unterstrich Ernst Gödl seitens der ÖVP mit Nachdruck und kündigte für das kommende Jahr ein neues Pflegekonzept für Österreich an, das sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiere. Der Reformprozess sei breit aufgestellt, betonte er, unter anderem gehe es um eine Stärkung der Strategie für Menschen mit Demenz aber auch für den Hospiz- und Palliativbereich. Zudem sollen pflegende Angehörige besser unterstützt werden, der Pflegeberuf müsse attraktiver, dessen Rahmenbedingungen verbessert werden, so Gödl im Einklang mit Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP), weshalb auch eine Berufs- und Ausbildungsoffensive gestartet werde. Und schließlich gehe es auch um die Finanzierung und eine bessere Bündelung der Finanzströme.

Seitens der Grünen wurde insbesondere die Aufstockung der Mittel für Menschen mit Behinderung hervorgehoben. Damit könne man die Unterstützungsstrukturen erhalten und ausbauen, sagte Heike Grebien (Grüne). Wichtig ist ihr auch das Projekt zur Verbesserung im Bereich der persönlichen Assistenz. Ein besserer Zugang zu persönlicher Assistenz erleichtere den Betroffenen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und schütze auch vor Missbrauch. Fiona Fiedler (NEOS) machte sich vor allem für die Inklusion stark.

Opposition kritisiert harsch Konsumentenschutzpolitik

Kritische Worte fand die Opposition auch beim Kapitel Konsumentenschutz, wobei deren RednerInnen die zunehmende Bedeutung des Konsumentenschutzes in einer globalisierten Welt unterstrichen. Immer wieder kam der Vorwurf, so etwa von Markus Vogl (SPÖ), Peter Wurm (FPÖ) und Felix Eypeltauer (NEOS), dass der Verein für Konsumenteninformation (VKI) nicht nachhaltig abgesichert sei, man die weisungsfreie Bundeswettbewerbsbehörde durch die Eingliederung in das weisungsgebundene Amt für Eich- und Vermessungswesen entmachtet habe und die Sektion Konsumentenschutz aufgelöst worden sei. Begrüßt wurde jedoch allseits die Erhöhung für die Schuldnerberatung. 

Christian Ries (FPÖ) urgierte ein Finanzierungsgesetz für den VKI. Dem hielt Peter Weidinger seitens der ÖVP entgegen, dass derzeit ein Prozess laufe, den VKI nachhaltig finanziell abzusichern. Dies wurde auch von Ulrike Fischer (Grüne) bekräftigt. Sie unterstrich allgemein, dass es beim Konsumentenschutz um eine Balance zwischen Wirtschaft und KonsumentInnen gehe, wobei Gewährleistung und Verbandsklage ein zentrales Thema seien.

Ihr Klubkollege Martin Litschauer hob insbesondere die Arbeit der Internetombudsstelle hervor und rief dazu auf, bei regionalen Anbietern online zu bestellen, da dies sicherer sei. Für den Kauf regionaler Produkte machte sich auch Josef Hechenberger (ÖVP) stark. Er sprach sich auch für eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung in öffentlichen Küchen und bei der Lebensmittelverarbeitung aus.

Hechenberger begrüßte in diesem Zusammenhang, dass das Europäische Parlament den Bezeichnungsschutz für Milch und Milchprodukte gestärkt hat, bedauerte jedoch, dass dies für Fleischprodukte noch nicht gelungen ist.

Mit dem Budget 2021 mitverhandelt wird auch der Bundesfinanzrahmen 2021-2024. (Fortsetzung Nationalrat) hof/jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.