Parlamentskorrespondenz Nr. 1235 vom 20.11.2020

Corona-Krise: Nationalrat beschließt adaptierte Sitzungs- und Beschlussmodalitäten für Kammern

Entschließung für Lehrausbildung mit Schwerpunkt digitale Fertigung mit Einstimmigkeit im Plenum

Wien (PK) – Im Hinblick auf die Corona-Situation haben die Abgeordneten in der heutigen Nationalratssitzung mit Änderungen des Wirtschaftskammergesetzes, des Ziviltechnikergesetzes sowie des Arbeiterkammergesetzes adaptierte Sitzungs- und Beschlussmodalitäten für die jeweiligen Kammern mit Mehrheit beschlossen. Die von ÖVP und Grünen vorgelegten Regelungen, die mit 31. Dezember 2021 befristet sein sollen, stießen auf Kritik der Opposition, vor allem seitens der NEOS in demokratiepolitischer Hinsicht. Darüber hinaus fand ein Vorschlag der Koalitionsparteien mit Berufsrechtsanpassungen für GenossenschaftsrevisorInnen an das Berufsrecht der WirtschaftsprüferInnen die mehrheitliche Zustimmung.

Einstimmigkeit gab es für einen Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen zur Schaffung von Lehrberufen mit dem Schwerpunkt in der digitalen Fertigung, auch wenn es aus Sicht der Opposition mehr Anstrengungen für die Lehre brauche. Ein in der Sitzung eingebrachter FPÖ-Entschließungsantrag zur Einführung eines "Blum-Bonus-Corona" blieb in der Minderheit.

Im Anschluss debattierte der Nationalrat zudem über eine Reihe von Rechnungshofberichten, die einstimmig zur Kenntnis genommen wurden. Zwei dazu in der Sitzung eingebrachte Entschließungen der NEOS zur Verbesserung der Justizverwaltung sowie zu einer Evaluierung der Angemessenheit der Gebührensätze für Sachverständige und DolmetscherInnen blieben in der Minderheit.

Erweiterte Sitzungs- und Beschlussmodalitäten von Kammern in Corona-Zeiten

Damit auch in Zeiten von außergewöhnlichen Verhältnissen durch COVID-19 notwendige Sitzungen bzw. Beschlussfassungen durchgeführt werden können, haben ÖVP und Grüne für die jeweiligen Kammern Änderungen des Wirtschaftskammergesetzes, des Ziviltechnikergesetzes und des Arbeiterkammergesetzes mit einer Befristung bis 31. Dezember 2021 vorgelegt. So soll etwa im Bereich der Wirtschaftskammern eine Lösung für die Abhaltung von Fachgruppentagungen und Wirtschaftsparlamenten gefunden werden: Können diese coronabedingt nicht stattfinden, sollen deren fristgebundene Zuständigkeiten im ersten Fall auf den jeweiligen Fachgruppenausschuss, im zweiten auf das jeweilige Erweiterte Präsidium übergehen. Voraussetzung dafür ist laut Antragsbegründung ein Beschluss des Erweiterten Präsidiums der jeweiligen Wirtschaftskammer zur Feststellung, dass die Durchführung nicht möglich ist.

Christoph Matznetter (SPÖ) forderte in diesem Zusammenhang eine Novelle des Ziviltechnikergesetzes, damit der Berufsstand nicht indirekt verwässert werden kann. Er könne nicht nachvollziehen, warum dieses Anliegen bisher keine Berücksichtigung fand. Zu den vorliegenden Änderungen betreffend das Wirtschaftsparlament wundere ihn, dass die Grünen hier mitgehen würden. Nikolaus Scherak (NEOS) erneuerte seine Kritik, dass es sich bei der Übertragung der Zuständigkeit vom Wirtschaftsparlament auf das Erweiterte Präsidium um ein demokratiepolitisches "Paradoxon" bzw. eine ebensolche "Katastrophe" handle, zumal letzteres entscheiden solle, ob eine Tagung des Wirtschaftsparlaments stattfinden soll oder nicht.

Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) unterstrich ebenso wie Elisabeth Götze (Grüne), bei den Regelungen handle es sich rein um coronabedingte Notwendigkeiten mit einer zeitlichen Begrenzung, also einer Sunset-Clause bis Ende 2021. Alle Fraktionen im Wirtschaftsparlament seien in die Ausarbeitung einbezogen worden, sagte Jeitler-Cincelli. Im Hinblick auf die Vermeidung von Großveranstaltungen durch Corona auf allen Ebenen sei es auch wichtig, für die Kammern Möglichkeiten zu schaffen, dass nicht hunderte oder tausende Mitglieder zusammenkommen müssen, so Götze.

Einstimmigkeit für Lehrausbildung mit Schwerpunkt digitale Fertigung

Die Schaffung von Lehrberufen mit dem Schwerpunkt in der digitalen Fertigung fand in Form eines Entschließungsantrags von ÖVP und Grünen einhellige Zustimmung. Die Koalitionsparteien wollen damit auf den zunehmenden Bedarf in der Hochtechnologie-Branche reagieren und darüber hinaus ein modernes und zukunftsfähiges Ausbildungsmodell für junge Menschen schaffen.

Martina Kaufmann (ÖVP) und Elisabeth Götze (Grüne) hoben in diesem Zusammenhang die duale Ausbildung in Österreich hervor. Sie ernte international absolute Anerkennung und sei ein Vorzeigemodell, so Götze. Mit dem Antrag werde ein erster Schritt gesetzt, jungen Menschen zukunftsweisend Fähigkeiten für die digitale Fertigung mitzugeben, sagte Kaufmann. Insgesamt sei ihr ein wichtiges Anliegen, zu einer Gleichstellung der schulischen und beruflichen Ausbildung in Österreich zu kommen. Hier sei ein erster Schritt gesetzt worden, indem der Meister gleichwertig mit dem akademischen Grad geführt werden kann, erwähnte Götze. Der Fokus auf Digitalisierung mit dem Antrag sei auch wichtig, um dem Fachkräftemangel gegenzusteuern und neue Perspektiven für junge Menschen zu schaffen.

Alles, das zur Aufwertung der Lehre beitrage, könne er nur unterstützen, meinte Maximilian Lercher (SPÖ). Es brauche aber wesentlich mehr gemeinsame Anstrengung, um der Lehre den entsprechenden Stellenwert zu geben. Die wirklichen LeistungsträgerInnen seien die Lehrlinge als FacharbeiterInnen der Zukunft, so Lercher. Als solche müsse man sie auch begreifen.

"Substanzlosigkeit" ortete Erwin Angerer (FPÖ) in der vorliegenden Initiative darin, die Bundesregierung aufzufordern, die Maßnahme erst zu "prüfen". Das werde Lehrstellensuchenden nicht helfen, es gelte vielmehr, konkret etwas zu tun – etwa einen umfassenden Aufwand für Lehrbetriebe abzuschaffen. Mit der von ihm in der Sitzung eingebrachten Entschließung, die in der Minderheit blieb, fordert die FPÖ, durch Einführung eines "Blum-Bonus-Corona" Lehrstellen zu schaffen.

Josef Schellhorn (NEOS) zufolge "krankt" es in der Lehrlingsausbildung in Österreich insgesamt. Um neue Berufsbilder in die Wege zu leiten, brauche es eine Gewerbereform, wie er einforderte. Mit dem derzeitigen Schema samt "Absurditäten" in der Ausbildung werden die Lehrstellen noch weiter zurückgehen, so seine Kritik. Es gehe dabei um die jungen Menschen und die Frage der Entscheidung für ein Berufsbild, im Zusammenhang damit aber auch um die Bewältigung des Fachkräftemangels.

Berufsrechtsanpassungen für GenossenschaftsrevisorInnen

Nachdem 2017 das Berufsrecht der WirtschaftsprüferInnen geändert wurde, soll nun mit dem Berufsrecht der GenossenschaftsrevisorInnen nachgezogen werden. Die heute im Nationalrat beschlossene Änderung des Genossenschaftsrevisionsgesetzes soll das Berufsrecht dieser Gruppe in einigen Punkten dem Berufsrecht der WirtschaftsprüferInnen anpassen. Ein weitgehender Gleichlauf zwischen den beiden Berufsrechten sei demnach vor allem in Ausbildungsfragen sachgerecht, weil auch die Tätigkeit beider Berufsgruppen ähnlich sei.

Während Christoph Matznetter (SPÖ) dringenden weiteren Reformbedarf aufgrund von "Lücken" im Genossenschaftsrevisionsgesetz ortet und darüber hinaus zur Vorlage mangelnde Begutachtung und Einbindung der betreffenden Kammern kritisierte, gilt es Peter Haubner (ÖVP) zufolge, die Dinge klar zu trennen. Heute werde einzig mit dem Berufsrecht nachgezogen – diese Anpassung sei auch wichtig, weil es Genossenschaftsbanken brauche, die eine hohe Qualität und Versorgung der Finanzdienstleistung in den Regionen sichern. Elisabeth Götze (Grüne) unterstrich, Genossenschaften ermöglichen nachhaltiges krisenfestes Wirtschaften. Es gebe diese von Banken über Wohnungen bis zu Energiegenossenschaften in vielen Bereichen.

Rechnungshofberichte einstimmig angenommen, NEOS hinterfragen Dolmetschergehälter und fordern Verbesserung der Justizverwaltung

Im Anschluss debattierte der Nationalrat über eine Reihe von Rechnungshofberichten. In seiner Prüfung der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im Innenministerium und Justizministerium, die schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen wurde, kritisiert das Kontrollorgan des Nationalrats die mangelnde Zusammenarbeit und die unterschiedlichen Vorgangsweisen der beiden Ministerien auf dem Gebiet des Dolmetschwesens. In diesem Zusammenhang ortet Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) Probleme im Management des Justizministeriums. Diese seien seiner Ansicht nach lösbar, wenn man in der Justizverwaltung klare Zielvorgaben und Strategien festlege, die er in einem Entschließungsantrag forderte. Weiters soll in allen Bereiche der Justizverwaltung ein geeignetes Berichts- und Kontrollwesen implementiert werden. Mit einem weiteren Anliegen richtete sich Hoyos-Trauttmansdorff ebenfalls an Justizministerin Alma Zadić. Konkret fordert er eine Evaluierung der Angemessenheit der Gebührensätze für Sachverständige und DolmetscherInnen. Er kritisiert, dass deren Besoldung seit 2007 nicht mehr erhöht worden seien. Dies trage dazu bei, dass es keinen Nachwuchs unter DolmetscherInnen gebe und damit eine Überalterung des Systems drohe. Beide NEOS-Forderungen blieben in der Abstimmung in der Minderheit.

Einstimmig zur Kenntnis genommen wurden auch die weiteren in Verhandlung stehenden Rechnungshofberichte zu Österreichs Gefängnissen, zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und zum Lobbying- und Interessenvertretungs-Register. (Fortsetzung Nationalrat) mbu/see

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.