Parlamentskorrespondenz Nr. 1255 vom 24.11.2020

Neu im Verfassungsausschuss

Regierung legt Gesetzentwurf zur Umsetzung von EU-Vorgaben im Bereich audiovisueller Mediendienste vor

Wien (PK) – 26 Seiten stark ist ein von der Regierung vergangene Woche vorgelegter Gesetzentwurf, mit dem EU-Vorgaben für audiovisuelle Mediendienste umgesetzt werden sollen (462 d.B.). Dabei geht es unter anderem um die Einbeziehung von Video-Sharing-Plattformen wie YouTube in das Regulierungsregime, neue Auflagen für Fernsehanstalten und Abrufdienste in Bezug auf Kinder- und Verbraucherschutz und die Ausweitung von Selbstkontrollmechanismen. Auch der ORF ist in einigen Punkten davon betroffen. Die einschlägige EU-Richtlinie wurde bereits Ende 2018 kundgemacht und hätte eigentlich bis 19. September dieses Jahres von Österreich umgesetzt werden müssen. Geändert werden mit der Novelle das Audiovisuelle Mediendienste Gesetz (AMD-Gesetz), das KommAustria-Gesetz, das ORF-Gesetz und das Privatradiogesetz.

Konkret müssen Betreiber von Video-Sharing-Plattformen künftig verschiedene Maßnahmen ergreifen, um NutzerInnen vor rechtswidrigen bzw. schädlichen Inhalten zu schützen. Dazu gehören etwa ein leicht zugängliches Meldesystem für Videos, die terroristische Straftaten unterstützen oder gutheißen, Minderjährige pornografisch darstellen, den Tatbestand der Verhetzung erfüllen oder generell zu Gewalt oder Hass gegen bestimmte Gruppen aufstacheln, und damit verbundene Löschpflichten. Zudem sind Vorkehrungen zu treffen, dass derartige Inhalte – etwa durch entsprechende Nutzungsbedingungen und Warnhinweise – erst gar nicht hochgeladen werden und Minderjährige möglichst keinen Zugang zu Videos haben, die ihre körperliche, geistige und sittliche Entwicklung beeinträchtigen können. Auch Angebote zur Erhöhung der Medienkompetenz sind bereitzustellen.

Bei wiederholten Beschwerden gegen einen Plattform-Betreiber kann die KommAustria eingreifen und nach Prüfung der Sachlage Geldstrafen von bis zu 150.000 € verhängen. Das gilt etwa für den Fall, dass kein funktionsfähiges Melde- oder Bewertungssystem bereitgestellt wird oder keine Maßnahmen ergriffen werden, um die Allgemeinheit vor verbotenen Inhalten auf der Plattform zu schützen. Bei mehrfachen schwerwiegenden Rechtsverstößen ist auch eine vorläufige Untersagung des Mediendienstes möglich, wobei die Europäische Kommission diese Untersagung bei Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht wieder aufheben kann.

Video-Plattformen mit geringen Nutzerzahlen und Umsätzen sowie spezifische Plattformen, die etwa dem Austausch von Unterrichtsmaterial dienen, können seitens der Regierungsbehörde KommAustria vom Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen ausgenommen werden. Außerdem ist die Einrichtung einer Schlichtungsstelle vorgesehen. Sie soll unter anderem angerufen werden können, wenn der Betreiber der Aufforderung eines Nutzers bzw. einer Nutzerin zum Löschen eines bestimmten Inhalts nicht nachkommt.

Mehr Barrierefreiheit, weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel

Auch für klassische audiovisuelle Mediendienste wie TV-Sender oder Abrufdienste gilt künftig ausdrücklich, dass ausgestrahlte bzw. bereitgestellte Sendungen und Filme nicht zu Hass oder Gewalt gegen bestimmte Gruppen oder Mitglieder dieser Gruppen aufstacheln und keine Aufforderung zu terroristischen Straftaten enthalten dürfen. Zudem wird die bestehende Verpflichtung von TV-Anstalten, wichtige behördliche Aufrufe in Krisen- und Katastrophenfällen zu senden, auf Abrufdienste ausgedehnt.

Um die Barrierefreiheit von Sendungen voranzutreiben, sind klassische Mediendienste-Anbieter in Hinkunft verpflichtet, deren Anteil am Gesamtangebot kontinuierlich zu steigern und einen entsprechenden Aktionsplan zu erstellen, dessen Umsetzung von der KommAustria als Regulierungsbehörde zu prüfen ist. Allerdings sind für kleine lokale und regionale Anbieter sowie für Live-Sendungen Ausnahmen vorgesehen. Der ORF wird in diesem Zusammenhang verpflichtet, bis zum Jahr 2030 die Barrierefreiheit all seiner Sendungen mit Sprachinhalten anzustreben.

Auch was Werbung für alkoholische Getränke sowie für stark salz-, fett- oder zuckerhältige Lebensmittel betrifft, sind die Anbieter angehalten, Richtlinien zu erstellen, wobei für den ORF besondere Bestimmungen gelten und sich die Vorgabe in Bezug auf ungesunde Lebensmittel nur an solche Anbieter richtet, die auch Kindersendungen im Angebot haben. Ziel der Maßnahmen ist ein besserer Schutz Minderjähriger vor unangebrachten Werbebotschaften. Zudem sind Teleshopping-Angebote in Kindersendungen künftig verboten.

Nicht mehr in das Zeitlimit für Werbeblöcke einzurechnen sind sogenannte "schwarze Sekunden", also Schwarz- und andere Bilder, die vor dem Werbeblock oder zwischen einzelne Werbespots eingeschoben werden. Außerdem kommt es im Bereich der Produktplatzierung zu einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Prinzips: Diese Art von Werbung ist künftig generell erlaubt, aber in bestimmten Sendungen wie Nachrichten- und politischen Informationssendungen, Verbrauchersendungen, Kindersendungen und religiösen Sendungen ausdrücklich untersagt.

Im Sinne der Förderung europäischer Werke sind künftig grundsätzlich auch Abrufdienste angehalten, mindestens 30% der bereitgestellten Titel dieser Kategorie zuzuordnen. Zudem sollen entsprechende Werke angemessen und eindeutig gekennzeichnet werden.

Verbot des eigenmächtigen Überblendens von Sendungen

Ausdrücklich verboten wird das Überblenden von Sendungen ohne ausdrückliche Zustimmung des Mediendienste-Anbieters, etwa durch ein Logo, die Einfügung eines Werbefensters oder durch eine Laufschrift. Damit will man die missbräuchliche Verwendung von TV-Sendungen für Werbezwecke unterbinden. Bei Verstößen gegen das Verbot drohen nicht nur Verwaltungsstrafen, sondern auch eine Abschöpfung des kommerziellen Gewinns zugunsten des Mediendienste-Anbieters.

Neue Aufgaben der RTR betreffen unter anderem die Bereitstellung eines vielfältigen Informationsangebots zum Thema Medienkompetenz im digitalen Zeitalter. Überdies soll die RTR als Servicestelle für den Bereich Medienkompetenz und für Beschwerden in Bezug auf die Barrierefreiheit von Sendungen fungieren. Etliche weitere EU-Vorgaben, etwa was die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden betrifft, sind den Erläuterungen zufolge bereits umgesetzt. Für Einrichtungen der Selbstkontrolle von Mediendienste-Anbietern sind staatliche Förderungen möglich.

Auch im Radiobereich sind sogenannte "schwarze Sekunden" künftig aus der Werbezeit herauszurechnen. Zudem kommt es für Privatradios bei den Meldepflichten über Eigentümerwechsel zu Erleichterungen. Insgesamt verursacht die Gesetzesnovelle jährliche Mehrkosten von rund 675.000 €, davon bis zu 215.000 € für Förderungen. Als Datum des Inkrafttretens ist der 1. Jänner 2021 vorgesehen. (Schluss) gs