Parlamentskorrespondenz Nr. 1256 vom 24.11.2020

Neu im Verfassungsausschuss

Neue Auflagen für Kommunikationsplattformen sollen Hass im Netz reduzieren

Wien (PK) – Mit einem Bündel an Maßnahmen will die Regierung Hass im Netz entgegenwirken. Dazu gehören auch neue Auflagen für Betreiber großer Kommunikationsplattformen, über die der Verfassungsausschuss bereits diese Woche beraten wird. Konkret geht es etwa um ein wirksames Beschwerdeverfahren für NutzerInnen, die mit Beleidigungen, Bloßstellungen, Falschinformationen, Gewaltdrohungen oder anderen strafrechtlichen Delikten konfrontiert sind, und damit in Zusammenhang stehende Lösch- und Meldepflichten für Plattformbetreiber. Zum besseren Schutz von Opfern von Hass im Netz hat die Regierung außerdem ein Hass-im Netz-Bekämpfungsgesetz vorgelegt, das dem Justizausschuss zugewiesen wurde.

Das im Verfassungsausschuss zur Diskussion stehende Kommunikationsplattformen-Gesetz und begleitende Bestimmungen im KommAustria-Gesetz (463 d.B.) zielen vor allem auf eine rasche Löschung bzw. Sperrung rechtswidriger Inhalte auf Kommunikationsplattformen wie Facebook & Co ab. So will die Regierung im Falle einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit eine Löschpflicht innerhalb von 24 Stunden ab Eingang einer Nutzerbeschwerde normieren. Ist eine ausführlichere Prüfung des Inhalts nötig, sollen dem Betreiber sieben Tage dafür zustehen. Insgesamt werden im Gesetz 18 maßgebliche Straftatbestände aufgezählt, die die Plattformbetreiber in keinem Fall dulden dürfen, sie reichen von Nötigung und gefährlicher Drohung bis zur Gutheißung terroristischer Straftaten und Verhetzung.

Die Entscheidung des Betreibers, einen beanstandeten Inhalt zu löschen bzw. nicht zu löschen, kann sowohl vom Beschwerdeführer bzw. von der Beschwerdeführerin als auch vom Poster bzw. von der Posterin selbst innerhalb von 14 Tagen beeinsprucht werden. Das einzuleitende Überprüfungsverfahren ist dann binnen zwei Wochen abzuschließen. Zudem können sich NutzerInnen im Falle einer erfolglosen Intervention beim Plattformbetreiber an eine bei der Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde RTR eingerichtete Schlichtungsstelle wenden.

Wird ein rechtswidriger Inhalt von der Plattform gelöscht bzw. der Zugang dazu gesperrt, hat der Betreiber der Kommunikationsplattform die vorhandenen Daten zu Beweiszwecken für mehrere Wochen zu sichern. Das umfasst nicht nur den betroffenen Inhalt, sondern auch Daten, die der Identifikation der jeweiligen PosterInnen dienen, also etwa Benutzername und IP-Adresse. Damit soll vor allem die Strafverfolgung erleichtert werden.

Zudem sind die Betreiber von Kommunikationsplattformen künftig verpflichtet, regelmäßig Berichte über ihren Umgang mit Meldungen über behauptete rechtswidrige Inhalte zu erstellen sowie einen Verantwortlichen und Zustellbevollmächtigten zu ernennen, dessen Kontaktdaten leicht zugänglich sein müssen. Dies zielt vor allem auf ausländische Kommunikationsplattformen ab. Auch die Meldemöglichkeit für NutzerInnen muss einfach und rasch auf der Plattform zu finden sein.

Unter das Gesetz fallen allerdings nur große Kommunikationsplattformen, die mindestens 100.000 registrierte Personen haben bzw. einen jährlichen Umsatz von mehr als 500.000 € erzielen. Auch Kommunikationsplattformen ohne Gewinnerzielungsabsicht, Marktplätze, Lernplattformen und Online-Enzyklopädien wie Wikipedia sowie User-Foren von Medien sind von den Bestimmungen ausgenommen. Letztere würden ohnehin den strengen Bestimmungen des Mediengesetzes unterliegen, heißt es dazu u.a. in den Erläuterungen. Zudem seien Kommunikationsplattformen, die vorrangig Waren oder Dienstleistungen anbieten oder der Vermittlung von Immobilien oder Jobs dienen, bislang nicht durch eine erhebliche Verbreitung rechtswidriger Inhalte in Erscheinung getreten. Die ebenfalls verankerte Ausnahme für Video-Sharing-Plattformen wie YouTube wird mit anderweitigen Meldemöglichkeiten auf Basis einer EU-Richtlinie begründet (siehe dazu die Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 1255/2020 zur geplanten Novellierung des AMD-Gesetzes).

Strafen von bis zu 10 Millionen Euro

Bei Verstößen gegen die neuen gesetzlichen Bestimmungen drohen durchaus deftige Strafen. Wer kein Meldeverfahren für NutzerInnen anbietet oder nichts gegen gemeldete rechtswidrige Inhalte unternimmt, kann etwa mit einer Geldbuße von bis zu 10 Mio. € belangt werden. Bei Nichtbestellung eines Verantwortlichen ist ein Strafrahmen von bis zu 1 Mio. € vorgesehen. Um die Eintreibung von Strafen sicherzustellen, können Marketing-Agenturen außerdem verpflichtet werden, Werbegelder für die belangte Plattform an die Behörde umzuleiten. Aufsichtsbehörde ist die KommAustria, bei ihr können Anbieter im Sinne der Rechtssicherheit auch vorab klären lassen, ob ihre Dienste unter das Kommunikationsplattformen-Gesetz fallen.

Begründet wird der Gesetzentwurf unter anderem damit, dass Anbieter von sozialen Medien und Online-Foren der bestehenden Verpflichtung, rechtswidrige Inhalte unverzüglich zu löschen oder den Zugang zu sperren, oft nur unzureichend nachkommen. Zudem würden von NutzerInnen gemeldete Inhalte in der Regel nur anhand eigener Community-Leitlinien und nicht anhand nationaler Straftatbestände geprüft. Zweckmäßig wäre eine wirksame Regelung auf europäischer Ebene, betont das Bundeskanzleramt, aufgrund der Dringlichkeit des Themas wolle man aber nicht auf eine solche warten.

Das Gesetz ist gemäß den Erläuterungen bei der EU zu notifizieren, wobei die Frist für etwaige Einwände am 2. Dezember endet. Die Regierung rechnet allerdings nicht mit einem Veto der EU-Kommission oder anderer EU-Länder, nachdem sich die vorgesehenen Bestimmungen am deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz und ähnlichen Bestimmungen in Frankreich orientieren. Offen gelassen wurde vorläufig noch das Datum des Inkrafttretens des Gesetzes, wobei die neuen Plattformbetreiber in jedem Fall drei Monate ab Inkrafttreten Zeit haben werden, die neuen Pflichten umzusetzen. Die Kosten der neuen gesetzlichen Bestimmungen für den Bund werden mit rund 300.000 € jährlich angegeben. (Schluss) gs