Parlamentskorrespondenz Nr. 1338 vom 01.12.2020

Verkehrsausschuss setzt umfangreiches Eisenbahnpaket um

Berichte zu Verkehrstelematik, Schienen-Control GmbH und Sicherheitsuntersuchungen einstimmig zur Kenntnis genommen

Wien (PK) – Mit Änderungen des Eisenbahngesetzes und des Unfalluntersuchungsgesetzes hat der Verkehrsausschuss heute die Umsetzung von zwei EU-Richtlinien beschlossen, welche die so genannte "technische Säule" des 4. Eisenbahnpakets der EU bilden. Aus Sicht der Abgeordneten sowie von Verkehrsministerin Leonore Gewessler wurde damit ein weiterer und wesentlicher Schritt zur Erreichung des EU-Ziels eines einheitlichen Eisenbahnraums in Europa gesetzt. Vor allem soll der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr durch einheitliche technische Standards erleichtert und damit neben der Sicherheit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gesteigert werden, wie die Verkehrsministerin im Ausschuss erläuterte. Die Novelle selbst wurde einstimmig beschlossen, bei einem Abänderungsantrag zur Novelle gingen aber SPÖ und NEOS nicht mit.

Der Verkehrsausschuss diskutierte auch den Verkehrstelematikbericht 2019, in dem der Stand des Ausbaus von intelligenten Verkehrssystemen dargestellt wird. Ein wesentliches Thema ist für die Verkehrsministerin dabei, die Digitalisierung im Verkehr auch für größere Umweltfreundlichkeit in der Mobilität zu nützen.

Auf der Tagesordnung stand auch der Jahresbericht der Schienen-Control. Ihm ist zu entnehmen, dass Österreich auch 2019 das Bahnland Nummer eins in der EU war. Die Abgeordneten sahen aber mit gewisser Sorge, dass es im Güterverkehr auf der Schiene auch 2019 wieder einen Rückgang gab. Sie forderten Maßnahmen, um den Modal Split im Güterverkehr wieder mehr in Richtung Schiene zu verschieben.

Der Bericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) für 2019 hält fest, dass das Sicherheitsniveau von Schienenverkehr, Schifffahrt, Seilbahnbetrieb und Zivilluftfahrt in Österreich generell hoch ist. Alle Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Elektrifizierung der ÖBB-Strecken. Eine FPÖ-Entschließung zu den niederösterreichischen Nebenbahnen wurde vertagt.

Technische Säule des 4. Eisenbahnpakets der EU soll Schiene wettbewerbsfähiger machen

Die Umsetzung von zwei EU-Richtlinien – fachsprachlich als technische Säule des 4. Eisenbahnpakets bezeichnet – wurde heute im Verkehrsausschuss diskutiert. Die ursprüngliche Novelle mit Änderungen des Eisenbahngesetzes und des Unfalluntersuchungsgesetzes (470 d.B.) wurde einstimmig beschlossen. Einen Abänderungsantrag, den die Koalitionsparteien kurzfristig eingebracht hatten, sahen aber SPÖ und NEOS kritisch. Alois Stöger (SPÖ) und Johannes Margreiter (NEOS) stießen sich unter anderem an einer Ergänzung, die auch Angehörigen des Bundesheeres und VolksanwältInnen in Ausübung ihrer Tätigkeit den Zutritt zu Bahnanlagen ohne Voranmeldung erlaubt. Die von den Abänderungen betroffenen Teile der Novelle fanden daher bei einer von der SPÖ verlangten getrennten Abstimmung nur die Zustimmung von ÖVP, FPÖ und Grünen. Seitens des Verkehrsressorts hieß es dazu, dass es für Bundesheerangehörige eine solche Regelung bereits gegeben habe und diese nun auch auf die Volksanwaltschaft als Kontrollorgan des Parlaments Anwendung finden soll.

Positiv hervorgehoben wurde von Margreiter (NEOS), Stöger (SPÖ), dessen Fraktionskollegen Dietmar Keck sowie vom Verkehrssprecher der Grünen Hermann Weratschnig die neue Regelung, wonach TriebwagenführerInnen nach Unfällen mit Todesfolge nicht nur 72 Stunden dienstfrei gestellt werden, sondern auch Anspruch auf verpflichtende psychologische Betreuung erhalten. Solche Vorfälle zu erleben, sei es bei Bahn oder U-Bahn, stelle eine hohe und anhaltende psychische Belastung dar. Leider habe man früher die Betroffenen mit der Verarbeitung alleine gelassen, merkte Keck dazu an.

Die Europäische Union verfolgt seit längerem das Ziel, einen einheitlichen Eisenbahnraum zu schaffen und den Schienenverkehr in Europa zu stärken. Durch eine Harmonisierung des Rechts und der beim Eisenbahnverkehr anzuwendenden Vorschriften sollen noch vorhandene unterschiedliche Vorgaben der Mitgliedstaaten überwunden werden. Weiters soll eine Vereinheitlichung unterschiedlicher technischer Systeme ein interoperables Schienennetz in ganz Europa ermöglichen und ein einheitlicher Eisenbahnmarkt entstehen, womit auch die Position der Eisenbahn im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern gestärkt wird.

Das Eisenbahnpaket hätte schon seit längerem umgesetzt werden können, merkte SPÖ-Verkehrssprecher Stöger und FPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Deimek an. Insgesamt sei die Stärkung des Schienenverkehrs aber zu begrüßen.

Verkehrsministerin Gewessler erklärte, die Umsetzung habe die Klärung einer Reihe sehr komplexer rechtlicher Fragen erfordert. So habe man etwa die hohe Zahl der Eisenbahnbehörden in Österreich reduzieren müssen, die dadurch gegeben war, dass einzelne Agenden auf Bezirksebene angesiedelt waren. Insgesamt werden nun eine Reihe von Entscheidungen auf die europäische Ebene gehoben, indem die Europäische Eisenbahnagentur nun mehr Zuständigkeiten erhält. Indem man den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr erleichtere, soll der Schienenverkehr wettbewerbsfähiger werden.

Jahresbericht 2019 der Schienen-Control zeigt Zuwachs an Fahrgästen, aber Rückgang bei Güterverkehr

Im Schnitt legte jede Einwohnerin und jeder Einwohner Österreichs 1.502 Kilometer im Vorjahr mit der Bahn zurück. Damit blieb Österreich auch 2019 vor Frankreich und Schweden das Bahnland Nummer eins in der Europäischen Union. Das ist eine der wesentlichen Aussagen der Jahresbilanz 2019 der Eisenbahn-Regulierungsbehörde Schienen-Control (SCG), die vom Verkehrsausschuss heute debattiert wurde (III-159 d.B.). Von den Abgeordneten wurde jedoch angemerkt, dass die Bilanz des Schienengüterverkehrs, wo ein zweites Jahr in Folge ein leichter Rückgang des Volumens zu verzeichnen war, weniger erfreulich ausfiel.

Die Frage, wie sich die derzeitige Krise auf den Schienenverkehrsmarkt ausübt und wie der Modal Split im Güterverkehr wieder Richtung Schiene verschoben werden kann, stand im Mittelpunkt der Wortmeldungen der Abgeordneten zum Bericht. Die SPÖ-Abgeordneten Alois Schroll und Alois Stöger, Lukas Hammer (Grüne), Elisabeth Pfurtscheller und Andreas Ottenschläger (beide ÖVP) Johannes Margreiter (NEOS) Dietmar Keck (SPÖ) und Gerhard Deimek (FPÖ) sahen hier Handlungsbedarf.

Als Vertreterin der Schienen-Control GmbH betonte Gertraud Redl, dass beim Modal Split im Güterverkehr im EU-Vergleich in Österreich die Schiene nach wie vor eine sehr gute Stellung habe. Österreich fördere auch den Einzelwagenverkehr, den es nicht in allen Ländern gebe. Festzustellen sei, dass sich Firmen wieder verstärkt dafür interessieren. Das Schienenbenützungsentgelt sah Redl nicht als besonders markanten Faktor, dieses sei keinesfalls überhöht und im EU-Vergleich relativ niedrig.

Verkehrsministerin Gewessler betonte, es gelte, den umweltfreundlichen Personen- und Güterverkehr auf der Schiene wieder nachhaltig zu stärken. Die COVID-19-Pandemie des Jahres 2020 habe zudem auch massive Auswirkungen auf den Schienenverkehrsmarkt. Hier habe man, soweit es die Förderrichtlinien der EU zulassen, bereits Maßnahmen gesetzt, teilte sie mit. Ihr Ressort sei mit anderen Ministerien in Gesprächen darüber, welche weiteren Maßnahmen man setzen könne. Was die Förderung des Güterverkehrs betrifft, so sei die Kostenstruktur nur ein Aspekt, wenn es um die Attraktivität der Schiene gehe. Besonders wichtig werde es sein, Kostenwahrheit im Güterverkehr herzustellen. Im kommenden Jahr werde sich ihr Ressort der Erarbeitung einer Strategie zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene widmen.

Hohes Sicherheitsniveau von Schiene, Schifffahrt, Seilbahnen und Zivilluftfahrt

Der jährliche Bericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) bezieht sich auf sicherheitsrelevante Ereignisse im Verkehr abseits der Straße, mit denen die Stelle sich auseinandergesetzt hat. Zum Bericht für das Jahr 2019 (III-192 d.B.) stand den Abgeordneten im Verkehrsausschuss Bettina Bogner, die Leiterin der SUB, zur Verfügung. Sie betonte, dass die Tätigkeit ihrer Stelle zeige, dass in den Bereichen Schiene, Schifffahrt, Seilbahnen und Zivilluftfahrt in Österreich ein generell hohes Sicherheitsniveau bestehe. Die Meldekultur habe sich aufgrund strengerer Bestimmungen in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Hermann Weratschnig (Grüne) sprach den Umgang der SUB mit möglichen Interessenskonflikten bei ihren Untersuchungen an und wollte wissen, inwieweit die Stelle auch international vernetzt ist. Johann Singer (ÖVP) und Julia Herr (SPÖ) interessierten sich dafür, inwieweit sich die Zunahme der Meldungen auf die Vergleichbarkeit der Zahlen auswirkt und wie ihre Aussagekraft, auch im internationalen Vergleich, zu bewerten sei. Herr wollte auch wissen, ob deshalb an Neuerungen im Meldesystem gedacht sei. FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch merkte an, besonders bei der Schiene gebe es eine signifikante Steigerung der Meldungen. Er fragte auch nach der Personal- und Budgetsituation der SUB. Seitens der NEOS thematisierte Helmut Brandstätter die Frage, welches Sicherheitsrisiko unbeschrankte Bahnübergänge spielen. 

Bogner betonte, dass die SUB laut gesetzlichem Auftrag ihre Aufgaben unabhängig von allen Behörden und Parteien sowie öffentlichen und privaten Stellen, deren Interessen mit ihren Aufgaben kollidieren könnten, wahrnehme. Untersuchungsbeauftragte seien daher stets weisungsfrei gestellt. Explizit gehe es bei den Untersuchungen um die Gewinnung von Erkenntnissen zur Verkehrssicherheit, nicht um die Klärung von Schuld- oder Haftungsfragen. Diese obliege den Gerichten. Der Frage des Umgangs mit möglicher Befangenheit habe man sich gestellt, nachdem es in der Vergangenheit zu Problemen kam. Beauftragte der SUB müssen nun immer eine Erklärung zur Frage möglicher Befangenheit abgeben, bevor sie eine Untersuchung beginnen.

Was die Aussagekraft der gemeldeten Zahlen betreffe, so seien Änderungen des Meldesystems geplant. Grundsätzlich gebe es aber eine hohe Transparenz und man tausche sich auch mit anderen Agenturen intensiv aus, um die Vergleichbarkeit von Ergebnissen sicherzustellen. Die Steigerung von gemeldeten Vorfällen erkläre sich daraus, dass unterdessen auch sehr leichte Störungen gemeldet werden. Man untersuche auch nicht untersuchungspflichtige Störungen dann, wenn sich auffällige Häufungen von Meldungen zeigen, die auf ein Problem hindeuten könnten, betonte Bogner. Die Zahl der MitarbeiterInnen und die budgetäre Ausstattung seien für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben ausreichend, sagte die Leiterin der SUB. Ein umfassendes Schulungsprogramm sei eingeleitet worden und man arbeite auch an der Modernisierung der Ausrüstung. Man habe auch weitere Planstellen ausgeschrieben, um einen stärkeren Fokus auf Untersuchungen in der Luftfahrt legen zu können.

Ungesicherte Eisenbahnkreuzungen seien bekanntlich einer der Hotspots in der Verkehrssicherheit, ergänzte Verkehrsministerin Gewessler. Hier gebe es umfassende Bemühungen, die Sicherheit zu verbessern. Neben den Eisenbahnbetrieben seien für Bahnübergänge auch die Straßenbetreiber zuständig, in den meisten Fällen also Gemeinden. Sie sehe aber, dass alle Beteiligten die Frage der Verkehrssicherheit immer in den Vordergrund stellen.

Verkehrstelematikbericht: Infrastruktur für vernetzte Fahrzeuge wird ausgebaut

Eine wichtige Entwicklung, um Mobilität umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten, ist für Verkehrsministerin Gewessler die Verkehrstelematik, die praktische Anwendung der Digitalisierung im Bereich der Mobilität. Mit so genannten intelligenten Verkehrssystemen (IVS, auch Intelligent Transport Systems, ITS) soll eine bessere Steuerung und eine Optimierung des öffentlichen Verkehrs erreicht werden. Wie der Verkehrstelematikbericht 2020 (III-152 d.B.) darstellt, kommt der ITS Austria als Plattform der österreichischen IVS-Akteure hier eine zentrale Rolle zu.

Verkehrsministerin Gewessler betonte gegenüber den Abgeordneten, dass die öffentliche Hand in Form von Bund und Ländern in der ITS Austria eine wichtige Stellung einnimmt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure – Bund, Länder und Verkehrsbetriebe – gestalte sich grundsätzlich sehr gut. Österreich sei mit seinen Aktivitäten im Bereich der intelligenten Verkehrssysteme in Europa weit vorne. Die Verkehrsauskunft Österreich sei eine Plattform, die von einer Reihe von Anbietern für ihre Dienste genützt werde. Die Erleichterung der Routenplanung sei ein wichtiges Ziel, letztlich müsse in einem integrierten Verkehrssystem der Umstieg von einem Verkehrsträger auf einen anderen, um ans gewünschte Ziel zu kommen, einfach möglich sein.

Der Verkehrstelematikbericht sei zweifellos sehr technisch ausgefallen und sie nehme den Wunsch nach besserer Lesbarkeit für die nächsten Berichte gerne auf, betonte Gewessler in Richtung der Abgeordneten Johann Singer (ÖVP) und Julia Herr (SPÖ). Für automatisiertes Fahren werde es zweifellos noch eines stärkeren gesetzlichen Regelwerks bedürfen, das viele Aspekte von technischen bis ethischen Fragen umfasse, stimmte sie Herr zu. Dazu müsse auch die EU einen Rechtsrahmen erarbeiten. Was den Zeithorizont betrifft, so erwartet Gewessler allerdings keine Aktivitäten der EU in dieser Richtung vor Mitte des kommenden Jahres, wie sie SPÖ-Verkehrssprecher Stöger auf seine Nachfrage mitteilte. Durch vernetzte Verkehrssysteme fallen große Datenmengen an, die entsprechend verarbeitet werden müssen, damit daraus keine Risiken entstehen. Der Frage des Datenschutzes schenke man daher große Aufmerksamkeit, versicherte die Minister NEOS-Verkehrssprecher Margreiter.

Zum Stand der Ausrollung von Systemen für den vernetzten Verkehr teilte die Verkehrsministerin Weratschnig (Grüne) und Deimek (FPÖ) mit, dass die ASFINAG die erste Ausschreibung dafür erfolgreich abgeschlossen hat und erste Streckenabschnitte nun ausgestattet werden können.

SPÖ-Antrag zu Elektrifizierung des ÖBB-Streckennetzes als überholt abgelehnt

Mit einer Entschließung wollte die SPÖ die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Innovation und Technologie auffordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen im ÖBB-Rahmenplan 2020-2025 die Elektrifizierung des gesamten ÖBB-Streckennetzes bis 2030 vorzusehen und eine entsprechende Finanzierung zu gewährleisten (636/A(E)). Der Antrag wurde abgelehnt. Andreas Ottenschläger (ÖVP) sagte, er teile zwar die Intention, die Elektrifizierung des Bahnnetzes voranzutreiben. Der Antrag sei aber überholt, da der aktuelle Rahmenplan einen entsprechenden Schwerpunkt setze.

FPÖ will Ankauf von Nebenbahnen in Niederösterreich

Die FPÖ forderte ein einem Entschließungsantrag (1088/A(E)), dass der Bund Nebenbahnen in Niederösterreich ankaufen solle. Edith Mühlberghuber (FPÖ) kritisierte, dass Niederösterreich den Großteil der Nebenbahnen, die das Land 2011 übernommenen hat, bereits stillgelegt habe. Im Sinne des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs sei es unbedingt notwendig, dass diese Bahnen, wo es noch möglich sei, wieder aktiviert werden. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie solle deshalb mit dem Land Niederösterreich hinsichtlich des Ankaufs der noch bestehenden Bahninfrastruktur in Verhandlungen treten, lautete die Forderung. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grüne vertagt. (Fortsetzung Verkehrsausschuss) sox/kar