Parlamentskorrespondenz Nr. 127 vom 09.02.2021

Verfassungsausschuss gibt grünes Licht für "Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz"

Israelitische Religionsgesellschaft erhält jährlich Sonderförderung von 4 Mio. €

Wien (PK) – Die Israelitische Religionsgemeinschaft in Österreich wird künftig eine jährliche Sonderförderung von 4 Mio. € erhalten. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute einstimmig grünes Licht für einen entsprechenden Gesetzesvorschlag der Regierung gegeben. Damit könnte das so genannte "Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz (ÖJKG)" noch im Februar endgültig beschlossen werden. In Kraft treten sollen die Bestimmungen rückwirkend mit Anfang 2020, wobei für das vergangene Jahr – anders als in den Folgejahren – 5 Mio. € fließen sollen. Erfreut über den Beschluss zeigten sich unter anderem Martin Engelberger (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne). Sie hoben besonders die Zukunftsorientierung des Gesetzes hervor, welches ihren Worten zufolge dazu beitragen solle, dass jüdisches Leben in Österreich eine Zukunft haben kann.

Ziel der neuen Förderung sei die Sicherstellung eines aktiven jüdischen Gemeindelebens und ein breiter Zugang der Bevölkerung zum jüdischen kulturellen Erbe, erklärte Engelberg. In diesem Sinn können die Fördermittel etwa für den Schutz jüdischer Einrichtungen, die Erhaltung von materiellem und immateriellem Kulturerbe, die Aufrechterhaltung organisatorischer Strukturen, den Dialog mit anderen Religionen und für gesellschaftlichen Austausch verwendet werden. Zudem werde ein besonderer Fokus auf Jugendarbeit liegen, um dem drohenden Rückgang der Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinden entgegenzuwirken. Engelberg hofft, dass das neue Staatsbürgerschaftsgesetz, das den Nachkommen von nach 1938 geflüchteten ÖsterreicherInnen einen Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft gibt, hier ebenfalls positive Auswirkungen zeigt.

Wie Engelberg betonte auch Blimlinger, dass eine wichtige Aufgabe des Gesetzes sei, der jüdischen Gemeinde zu ermöglichen, ihre hohen Sicherheitskosten zu decken. Wie wichtig der Schutz der jüdischen Einrichtungen in Österreich nach wie vor sei, hätten die Ereignisse des letzten Jahres leider deutlich gemacht. Die Mittel des Bundes seien nicht für Zwecke der Religionsausübung gedacht, sondern dienten der Absicherung des jüdischen Lebens insgesamt. Damit entspreche man einem von der IKG Wien seit langem geäußerten Wunsch, eine Regelung wie in Deutschland zu treffen, wo seit Längerem ein so genannter Staatsvertrag mit der Vertretung der jüdischen Gemeinden besteht. So wie die Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus stelle das Gesetz eine wichtige politische Maßnahme dar, um ein vielfältiges jüdisches Leben in Sicherheit zu ermöglichen.

NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter, SPÖ-Abgeordneter Thomas Drozda sowie Susanne Fürst (FPÖ) begrüßten die Intention des Gesetzes ebenfalls und kündigten die Zustimmung ihrer Fraktion an. Aus Sicht von Brandstätter ist es wichtig, auch den Dialog der Religionen zu fördern, um das Gemeinsame, nicht das Trennende zu betonen. Drozda meinte, das Gesetz sei ein kleiner Beitrag zur Wiedergutmachung eines historischen Unrechts. Auch Fürst sah es als positiv, dass der Fokus des Gesetzes auf die Zukunft gerichtet ist.

Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler zeigte sich erfreut darüber, dass in umfangreichen Gesprächen ein breiter Konsens gefunden werden konnte und ein gemeinsamer Beschluss aller Fraktionen möglich wurde. Nach Inkrafttreten des Gesetzes werde der Zuwendungsvertrag mit der Israelitischen Religionsgesellschaft abgeschlossen, damit könnten die Mittel für 2020 und 2021 ausgezahlt werden, insgesamt 9 Mio. €. Zur nationalen Strategie gegen Antisemitismus führte Edtstadler aus, dass dazu die von Abgeordnetem Brandstätter angesprochene Stabstelle bereits eingerichtet worden sei und als nächster Schritt die Stellenbesetzung anstehe.

Kulturerbegesetz soll jüdisches Gemeindeleben in Österreich dauerhaft absichern

Wofür die Gelder genau verwendet werden, wird dem Gesetzentwurf (605 d.B.) zufolge der Israelitischen Religionsgemeinschaft obliegen. Zur näheren Regelung von Rechten und Pflichten ist ein Zuwendungsvertrag in Aussicht genommen. Die zweckgemäße Verwendung der Mittel ist jedenfalls einmal jährlich zu dokumentieren und von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu bestätigen. Ausgezahlt werden sollen die Mittel in vier jährlichen Tranchen zu je einer Million Euro, die 5 Mio. € für das vergangene Jahr werden en bloc mit Inkrafttreten des Gesetzes bereitgestellt. Andere Leistungen der öffentlichen Hand an die jüdischen Gemeinden, etwa für Schul- und Religionsunterricht oder zur Erhaltung verwaister jüdischer Friedhöfe, bleiben unberührt.

Begründet wird die Initiative von der Regierung damit, dass die Vertreibung und Ermordung zigtausender österreichischer Jüdinnen und Juden während der NS-Herrschaft massive Auswirkungen auf das jüdische Gemeindeleben in Österreich hatte. Derzeit wird die jüdische Bevölkerung Österreichs von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien auf rund 15.000 Personen geschätzt, davon sind rund 8.000 in mehreren österreichischen Kultusgemeinden aktive Mitglieder der Religionsgemeinschaft. Eines der konkreten Ziele der Förderungen ist es, diesen Mitgliedsstand zumindest zu halten. Eine Evaluierung des Gesetzes ist gemäß den Erläuterungen zum Jahresende 2025 vorgesehen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs/sox