Parlamentskorrespondenz Nr. 225 vom 03.03.2021

Green Deal und CO2-Reduktionsziele im Zentrum klimarelevanter EU-Vorhaben 2021

Klimaschutzministerium legt aktuellen EU-Vorhabensbericht zu Verkehr und Umwelt vor

Wien (PK) – Das Arbeitsprogramm der EU soll 2021 in den Bereichen Umwelt und Verkehr von der Verlagerung strategischer Planung hin zu praktischer Umsetzung gekennzeichnet sein. Zudem sollen die von der Europäischen Kommission erarbeiteten sechs Ziele in Angriff genommen werden, wozu unter anderem der "Europäische Green Deal" (EGD) und "Ein Europa für das digitale Zeitalter" zählen. Das geht aus dem aktuellen EU-Vorhabensbericht des Klimaschutzministeriums (III-239 d.B. und III-742-BR d.B./2020) hervor. Viele der Vorhaben stehen im Zusammenhang mit dem Europäischen Green Deal und den EU-Klimazielen, die für 2030 mit einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 55 % gegenüber 1990 festgelegt wurden und eine Klimaneutralität bis 2050 vorsehen.

Als einer der Hauptverursacher von Treibhausgasen sollen im Verkehr eine Reihe von Maßnahmen hin zu einem intelligenten und nachhaltigen Verkehrssystem eingeleitet werden, worunter eine Überarbeitung der Verordnung zum transeuropäischen Verkehrsnetz und der Richtlinie über intelligente Verkehrssysteme gezählt werden. Zudem soll der Ausbau von alternativen Kraftstoffen forciert und der Schienenverkehr gestärkt werden.

Im Umwelt- und Klimaschutz wird unter dem Motto "Fit für das 55-%-Ziel" für das heurige Jahr die Überarbeitung einschlägiger EU-Rechtsmaterien erwartet. Dabei soll der Fokus unter anderem auf erneuerbare Energieträger, Energieeffizienz, Gebäudesanierung sowie Flächennutzung gelegt werden. Im Bereich der CO2-Emissionen wird mit einer Ausweitung des Zertifikatehandels auf weitere Sektoren sowie einem CO2-Ausgleichsmechanismus gerechnet, der ausländische Hersteller und EU-Importeure zur Verringerung ihrer CO2-Emissionen ohne dass europäische Unternehmen benachteiligt werden sollen. Außerdem sollen neue Biodiversität-Ziele definiert und ein Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden.

CO2 im Verkehr: Schadstoffreduktion und alternative Antriebe

Bei den Emissionsstandards von Kraftfahrzeugen sollen auf EU-Ebene im ersten Halbjahr 2021 die Vorarbeiten für eine Nachfolgeregelung der Euro-6/VI-Vorschriften abgeschlossen werden. Im Fokus stehen dem Klimaschutzministerium zufolge eine weitere Absenkung der Grenzwerte, die Aufnahme neuer Grenzwerte sowie die Überprüfung der Emissionen durch Real-Driving-Emissions-Tests.

Für das zweite Quartal 2021 wird ein Richtlinienvorschlag von der EU zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe erwartet. Ziel ist es, alternativbetriebene Fahrzeuge mit leicht zugänglichen Ladepunkten bzw. Tankstellen zu stärken. Dem Bericht zufolge tritt Österreich für eine ambitionierte Regelung ein, mit der der rasche Markthochlauf für Fahrzeuge und Infrastruktur Hand in Hand gehen. Weiters sollen die Vorgaben für Verbraucherinformation und Preistransparenz erhöht sowie ein Schwerpunkt auf schwere Nutzfahrzeuge und Busse gelegt werden.

Europäisches Jahr der Schiene

Mit der Ausrufung des "Europäischen Jahrs der Schiene" soll 2021 durch Veranstaltungen und Initiativen auf die Rolle des Eisenbahnverkehrs zur Erreichung der EU-Klimaziele hingewiesen sowie der Transportanteil an Passagieren und Gütern bei Bahnfahrten erhöht werden.

Im Bereich der Schiene wird seitens des Klimaschutzministeriums für das aktuelle Jahr mit Initiativen bei Güterverkehrskorridoren und zur Förderung des Personenverkehrs auf der Schiene gerechnet. Beim Güterverkehr soll unter anderem der bestehende Rechtsrahmen im Hinblick auf den Aufbau eines europäischen Schienennetzes für wettbewerbsfähigen Güterverkehr überarbeitet werden. Seitens Österreichs sollte dabei der Fokus unter anderem auf die Beibehaltung der aktuellen Struktur von RFCs (Rail Freight Corridors), die Einbindung von Energieversorgungsunternehmen und EndkundInnen sowie die grenzüberschreitende Koordination operativer Aspekte gelegt werden. Ferner wird die Entwicklung eines Aktionsplans zur Unterstützung des internationalen Schienenpersonenverkehrs als Teil des Europäischen Green Deals als Vorhaben genannt, wobei das Augenmerk auf kurz- bis mittelfristige Maßnahmen gelegt werden soll. Als Schlüsselpunkte wurden unter anderem Nachtzüge, die Koordination des Angebots, ein einheitlicher Fahrplan sowie Infrastrukturinvestitionen identifiziert.

Verbessertes Flugverkehrsmanagement und intelligente Verkehrssysteme

Mit dem SES2+-Projekt möchte die EU die Integration des europäischen Luftraums (Single European Sky – SES) verbessern. Durch die Umsetzung von SES2+ ab den Jahren 2025 bis 2030 könnten gegenüber 2004 die Kosten des Flugverkehrsmanagements reduziert, die Sicherheit verbessert und CO2-Emissionen in der europäischen Luftfahrt um bis zu 10% reduziert werden. Dem Bericht des Klimaschutzministeriums zufolge ist im vergangenen Jahr ein Vorschlag der Europäischen Kommission präsentiert worden, der von vielen Staaten beanstandet worden. Aktuell werden die Verhandlungen weitergeführt und eine Einigung im Verkehrsministerrat soll Ende des ersten Halbjahrs 2021 erreicht werden. Aus österreichischer Sicht sei es wichtig, den nach der Corona-Krise wieder aktuell werdenden Herausforderungen – wie etwa Verkehrswachstum und Kapazitätsengpässen - zu begegnen. Generell begrüße Österreich Maßnahmen, um das Flugverkehrsmanagement effizienter und widerstandsfähiger im Hinblick auf Kapazität, Umweltschutz und Kosteneffizienz zu machen. Die Flugsicherheit müsse aber jedenfalls gewahrt bleiben, heißt es im Vorhabensbericht.

Abhängig von der aktuellen Corona-Krise ist weiterhin der Neustart bei der Zuweisung von Flugslots. Konkret soll durch eine Änderung der Slot-Verordnung die Vergabe von Zeitnischen an wettbewerbsbezogene Bedingungen geknüpft werden können. Bis zur Rückkehr zu einem normalen Flugplan soll die durch die Corona-Krise aufgelassene Verpflichtung der Slot-Nutzung für Fluggesellschaften stufenweise wieder eingeführt werden. Aufgrund der Krise und deren unklaren Auswirkungen ist hier allerdings noch kein konkreter Fahrplan genannt.

Der Überarbeitung der Richtlinie über intelligente Verkehrssysteme werde seitens des Verkehrsministeriums mit großem Interesse entgegen gesehen, da durch den Einsatz digitaler Technologien die Effizienz des Verkehrssystems optimiert wird und damit zur Erreichung der Klimaziele beitragen könne, so die österreichische Position. Auf EU-Ebene werde derzeit eine Folgenabschätzung politischer Maßnahmen durchgeführt. Ein Richtlinienvorschlag werde für das dritte Quartal 2021 erwartet.

Den Aufbau eines transeuropäischen multimodalen Verkehrsnetzes und die Optimierung der Infrastrukturentwicklung unter anderem im Hinblick auf den Europäischen Green Deal verfolgt die Anpassung einer weiteren Verordnung als Ziel, für die ein Legislativvorschlag bis Ende 2021 erwartet wird. Laut Klimaschutzministerium tritt Österreich für einen gesamtheitlichen Ansatz für grenzüberschreitende Abschnitte, für eine angebotsorientierte Netzentwicklung, eine optimierte Kooperationsstruktur zwischen verschiedenen Policies, einheitliche Planungsgrundlagen sowie für die Beibehaltung der wesentlichen Umsetzungsprämissen als Planungskonsistenz ein.

Emissionen: Überarbeitung beim Effort Sharing und Ausweitung des Zertifikatehandels

Um den 2030-Klimazielplan umsetzen zu können, ist unter anderem die Überarbeitung der Effort-Sharing-Verordnung erforderlich, mit der das Reduktionsziel der EU auf Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandels aufgeteilt wird. Derzeit ist laut dem Vorschaubericht noch offen, welche Sektoren schließlich vom Effort Sharing umfasst sein sollen. Österreich trete dafür ein, dass durch die Aufteilung keine Anreize zur Verwendung von Atomkraft geschaffen werden, weshalb beim Effort Sharing auch Ziele für Erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz vorgelegt werden sollen. Im heurigen Jahr soll zudem die Verordnung über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) mit der Effort-Sharing-Verordnung teilweise verknüpft werden.

Im Bereich des Emissionshandels soll seitens der EU bis zum Juni geprüft werden, in wie weit Luft- und Seeverkehr in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen werden können. Hier wird dringender Handlungsbedarf geortet, da die Emissionen in diesen Bereichen seit 1990 um 50% gestiegen seien. Im ersten Halbjahr soll zudem ein CO2-Ausgleichsmechanismus vorgeschlagen werden, der das Ziel der Verringerung der weltweiten CO2-Emissionen verfolgt, ohne die europäische Industrie zu benachteiligen.

Für das erste Quartal wird die Annahme der technischen Kriterien zu den klimarelevanten Umweltzielen im Rahmen der Taxonomie-Verordnung erwartet, die unter anderem auf eine Definition abzielt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden können. Für März 2021 sei zudem eine neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen angekündigt, die neben einer Umsetzung der Taxonomie-Verordnung unter anderem auch Maßnahmen bei Green Bond Standards und EU-Ecolabels enthalten soll. Für das letzte Quartal 2021 wird die in zwei Phasen angelegte Fördervergabe aus dem EU-Innovationsfonds erfolgen, mit dem Projekte im Bereich innovativer Technologien und industrieller Innovation zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes gefördert werden sollen.

Klimapolitik: Klimakonferenz in Glasgow und EU-Klimagesetz zur Festsetzung der Klimaziele

Für die im November stattfindende Klimakonferenz in Glasgow werden eine Lösung der noch ausständigen Elemente des Pariser Klimaübereinkommen, internationale Marktmechanismen und Berichtsformate angestrebt. Ferner sollen bei der Konferenz die Finanzierung von Maßnahmen in Entwicklungsländern sowie ein neues quantifiziertes Finanzierungsziel ab 2026 verhandelt werden.

Mit dem EU-Klimagesetz sollen die Ziele der EU, Klimaneutralität bis 2050 sowie die Anhebung des Emissionsreduktionsziel um 55% bis 2030 in eine Legislativmaßnahme gegossen werden. Es soll alle Wirtschaftssektoren umfassen sowie klare Zielvorgaben und ein Zwischenziel für 2040 festlegen. Portugal sei während seines EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2021 bemüht, eine Einigung mit dem Europäischen Parlament zu erzielen, ob das Klimaneutralitätsziel 2050 der EU auch für ihre Mitgliedstaaten gelten soll.

Naturschutz: Null-Schadstoff-Aktionsplan und neue Biodiversitäts-Ziele mit Fokus auf CO2-Speicherung

Im Bereich des Umweltschutzes hat die Europäische Kommission die Annahme eines Null-Schadstoff-Aktionsplans für Luft, Wasser und Boden für das zweite Quartal 2021 angekündigt. Dadurch soll unter anderem ein gesundes Lebensumfeld für UnionsbürgerInnen geschaffen sowie ein Übergang zu einer sauberen, kreislauforientierten und klimaneutralen Wirtschaft vorangetrieben werden. In eine ähnliche Zielrichtung stößt auch das 8. Umweltaktionsprogramm, über das die Verhandlungen zu Beginn des Jahres beginnen sollen. Das Kernstück bildet ein neuer Überwachungsrahmen zur Messung des Fortschritts für die EU-Klima- und Umweltziele bis 2030 und 2050.

Naturschutz und der Erhalt der biologischen Vielfalt soll dem EU-Vorhabensbericht zufolge auch 2021 einen Schwerpunkt bilden. So soll die aufgrund der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr verschobene Weltnaturschutzkonferenz nachgeholt werden, bei der ein neuer globaler Aktionsrahmen für Biodiversität einschließlich neuer globaler Biodiversitäts-Ziele verabschiedet werden soll. Entsprechende Ziele sollen heuer aber auch auf EU-Ebene gesetzt werden. Bei den rechtsverbindlichen Zielen für die Wiederherstellung gesunder Ökosysteme sollen jenen Priorität eingeräumt werden, die das größte Potential an CO2-Speicherung und den besten Schutz vor Naturkatastrophen bieten. Diese Ziele sollen laut Umweltministerium dann auch einen Schwerpunkt in der nationalen Biodiversitätsstrategie 2030 bilden.

Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft und Chemikalienstrategie

Als zentraler Baustein des Europäischen Green Deals wurde auch ein Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgestellt, da die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Rohstoffgewinnung und –verarbeitung stamme. Ohne den Übergang zu einer kreislauforientierten Wirtschaft sei es nicht möglich, die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, heißt es in dem Bericht. Daher sollen 2021 im Rahmen des Aktionsplans verschiedene Maßnahmen vorgestellt werden. Vorgesehen sind unter anderem die Schaffung eines neuen "Rechts auf Reparatur", eine Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik, verbindliche Vorgaben für grüne öffentliche Beschaffung, einheitliche Ladegeräte sowie Maßnahmen gegen geplante Obsoleszenz und die Schaffung eines Rahmens für biobasierte Kunststoffe. Um die Abfallentsorgung einfacher zu gestalten und saubere Sekundärmaterialien für Unternehmen sicherzustellen, soll zudem ein EU-Modell für die getrennte Abfallsammlung vorgeschlagen werden.

Das Ziel der Kreislaufwirtschaft werde im Europäischen Green Deal eng mit dem Ziel der Dekarbonisierung des chemischen Sektors verknüpft. In diesem Zusammenhang werde 2021 auch im Zeichen der Umsetzung der Mitteilung zur Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (Chemical Strategy for Sustainability) der Europäischen Kommission stehen. Diese Strategie beruht unter anderem auf den Säulen Innovationen im Bereich sichere und nachhaltige Chemikalien, stärkerer Rechtsrahmen bei dringenden Umwelt- und Gesundheitsproblemen und einer vereinfachten Konsolidierung dieses Rechtsrahmens, umfassende Wissensbasis sowie ein verantwortliches Chemikalienmanagement. Als Maßnahmen werden zudem alternative, nachhaltige Geschäftsmodelle sowie Human-Biomonitoring genannt.

Energiesektor: Anpassungen an EU-Klimaziele

Einen wichtigen Aspekt innerhalb des Green Deals bildet der Energiesektor, da 75% der Treibhausgasemissionen bei der Erzeugung und dem Verbrauch von Energie ausgestoßen würden. Insbesondere vor dem Hintergrund des 2030-Ziels, die Emissionen gegenüber 1990 um 55% zu reduzieren, plane die EU 2021, einschlägige Vorschriften im Energie- und Klimabereich zu überarbeiten. So soll die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie an das 2030-Klimaziel angepasst werden, indem unter anderem ein verbindliches Unionsziel für den Anteil erneuerbarer Energiequellen festgelegt werden soll. Aber auch Regeln für finanzielle Unterstützungen und für den Eigenverbrauch von Strom aus erneuerbaren Energiequellen sollen etabliert werden.

Anpassungen erfordert das Ziel der Klimaneutralität weiters in den Bereichen entkarbonisiertes Gas, Energieeffizienz-Richtlinie sowie bei der Reduzierung der Methanemissionen im Energiesektor. Hier sind für 2021 Legislativvorschläge seitens der EU zu erwarten. Gerechnet wird zudem mit einer Überarbeitung der Verordnung über die Transeuropäischen Energienetze, um diese mit dem Green Deal in Einklang zu bringen. Gleichzeitig soll die Verordnung unter anderem zu Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerb beitragen sowie den Einsatz innovativer Technologien und Infrastrukturen fördern. (Schluss) see