Parlamentskorrespondenz Nr. 765 vom 22.06.2021

Prognose für Euroraum: Starker Aufholprozess in den Jahren 2021 und 2022

Aktuelle Aussprache im Finanzausschuss mit Nationalbank-Chefs Holzmann und Haber über Entwicklungen durch die Corona-Krise

Wien (PK) – In einer Aktuellen Aussprache im Finanzausschuss erörterten die Chefs der Österreichischen Nationalbank Robert Holzmann und Gottfried Haber mit den Abgeordneten die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung, Prognosen und Maßnahmen der Geldpolitik im Zusammenhang mit der Corona-Krise und dem "beispiellosen Einbruch" der Weltwirtschaft durch die Pandemie im vergangenen Jahr.

Laut Eurosystem-Prognose vom Juni 2021 sei beim BIP-Wachstum für 2021 und 2022 gegenüber der März-Prognose für den Euroraum nunmehr jedenfalls deutlich nach oben revidiert worden, nämlich um jeweils 0,6 Prozentpunkte auf 4,6% bzw. 4,7%, wie OeNB-Gouverneur Holzmann erläuterte. Das Vorkrisenniveau soll demnach bereits wieder im ersten Quartal 2022 erreicht werden und damit ein Quartal früher als im März prognostiziert.

Für Österreich zeige sich von 17. bis 30. Mai 2021 mit dem niedrigsten Wert der BIP-Lücke seit Ausbruch der COVID-19-Krise am OeNB-BIP-Indikator eine weitere Konjunkturbelebung in Folge der Öffnungsschritte vom 19. Mai. Die Lücke liege in dieser Berechnung nur mehr um 0,9% bzw. 1,5% unter dem Vorkrisenniveau.

Insgesamt ermögliche der Impffortschritt eine wirtschaftliche Erholung seit dem Frühling. 2021 soll sich die Inflation noch bei 2% befinden, 2022/23 wird mit 1,8% eine Inflation nahe dem Preisstabilitätsziel prognostiziert. Der private Konsum zeige sich in den Prognosen wieder deutlich ansteigend, so Holzmann, der zusätzlich von der Hoffnung sprach, dass die Sparquote bis 2023 wieder auf ein Niveau vor der Pandemie zurückkehren und damit das Geld wieder ausgegeben werde.

Was das Krisenjahr 2020 betrifft, hinterfragte Christoph Matznetter (SPÖ) die Gründe, warum es beim BIP zu einem Minus von 6,7% gekommen sein soll, trotz hoher Wirtschaftshilfen. Finanzminister Gernot Blümel sagte dazu, was den bereits abgerechneten Zeitraum betreffe, wisse man, dass der Wirtschaftseinbruch in Europa bei 6,6% liege, in Österreich bei 6,3%, also unterdurchschnittlich sei. OeNB-Gouverneur Holzmann erläuterte, dass für 2020 die Berechnungen noch nicht abgeschlossen seien.

Den Banken empfiehlt die OeNB, eine solide Kapitalbasis im Auge zu behalten sowie eine sorgfältige Abwägung von Gewinnverwendungen. Einbehaltene Gewinne haben für die Banken die Resilienz in der Pandemie weiter erhöht, so Vize-Gouverneur Haber. Sogenannte notleidende Kredite würden sich durch die COVID-19-Maßnahmen auf niedrigem Niveau halten, aber Vorschauindikatoren würden eine diesbezügliche Verschlechterung andeuten. Es brauche daher eine Vorbereitung auf das Auslaufen von Unterstützungsmaßnahmen in Österreich und Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE).

Empfehlungen für Vergabe von Wohnkrediten

Neben einer Entwicklung und Umsetzung geeigneter Strategien zum Umgang mit Herausforderungen aufgrund neuer Informationstechnologien und des Klimawandels brauche es bei den Banken eine Einhaltung nachhaltiger Kreditvergabestandards insbesondere bei Wohnimmobilienkrediten, so die Experten. Vize-Gouverneur Haber erläuterte, was Wohnimmobilien betreffe, sei die Kreditvergabe für private Haushalte auf einem sehr hohen Stand angekommen. Die Empfehlungen lauten hier, für Kredite drei Kriterien einzuhalten, nämlich mindestens 20% Eigenmittel, nicht mehr als 40% des Nettoeinkommens und Laufzeiten nicht über 35 Jahre.

Auf Fragen von Gerald Loacker (NEOS) und Nina Tomaselli (Grüne) meinte Haber, man würde sich nunmehr genau ansehen, ob die Empfehlungen umgesetzt werden und ob eine Stabilisierung eintritt. Erst dann werde evaluiert, ob es etwaige weitere Schritte bzw. verbindliche Empfehlungen brauche. Man sehe im Bereich der Immobilien derzeit eine hohe Dynamik, auch einen Nachholeffekt und eine gewisse Überbewertung. Eine "Blase" sei derzeit nicht erkennbar, aber die Leistbarkeit der Finanzierung könnte ein Thema sein, so der Experte.

Zum Thema Zahlungsmittel erläuterte OeNB-Gouverneur Holzmann, die Banknotenauslieferungen würden Stand Ende Mai 2021 rund 24% unter den Vorjahreswerten liegen. Von der Veränderung im Bezahlverhalten haben ihm zufolge alle anderen Zahlungsmittel profitiert. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, wie man eine europäische Unabhängigkeit von ausländischen Zahlungsplattformen erhalten könne, daher bestehe der Wunsch, eine entsprechende Plattform zu entwickeln.

Zudem würde derzeit die Möglichkeit eines Digitalen Euro (D€) evaluiert, als "Zentralbankgeld in digitaler Form", so Holzmann. Das würde aber neben den Geschäftsbanken nur eine bestimmte Menge an Geld als "Zentralbankgeld" betreffen, antwortete er auf Bedenken von Gerald Loacker (NEOS). Außerdem gebe es in Österreich eine starke Lobby für Bargeld, sodass es immer noch Bargeld geben werde. In Richtung Gerhard Kaniak (FPÖ) führte Holzmann aus, dass ein Negativzinssatz der Sicherstellung von geldpolitischen Effekten diene. Um davon wieder wegzukommen, brauche es aus seiner Sicht Strukturreformen, damit Liquidität und Arbeitsangebot wieder wachsen. (Fortsetzung Finanzausschuss) mbu