Parlamentskorrespondenz Nr. 852 vom 07.07.2021

Nationalrat beschließt Anti-Terror-Paket

Einstimmigkeit für den Punkt Führerscheinentzug für Terrorismus-Verurteilte

Wien (PK) – Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und – trotz einiger Kritikpunkte - teils der NEOS und der SPÖ hat der Nationalrat heute das sogenannte Anti-Terror-Paket beschlossen, das unter anderem Änderungen im Strafrecht, in der Strafprozessordnung, im Symbole-Gesetz und im Staatsbürgerschaftsgesetz vorsieht. Einstimmig erfolgte der Beschluss zu dem Teil, der den Führerscheinentzug für nach einem Terrorparagraphen Verurteilte betrifft.

Mit breiter Mehrheit – ohne die Stimmen der NEOS – befürworteten die Abgeordneten außerdem neue Regelungen zu Homeoffice und Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst.

Kontroverse Debatte über Paket zur Terrorbekämpfung

Es gelte, als Gesellschaft Vorsorge zu treffen, damit es nicht zu neuen Anschlägen komme, unterstrich Innenminister Karl Nehammer. Die Ableitungen aus der ins Leben gerufenen Kommission gleich nach dem Terror-Anschlag im November in Wien würden neben der Neuaufstellung des BVT, die morgen zur Debatte stehe, etwa auch 125 Mio. € mehr Mittel für die Sicherheit, also das Innenministerium, aber auch mehr Geld für die Justiz bringen, entgegnete er dem vorgebrachten Vorwurf einer "Showpolitik" etwa von Harald Stefan (FPÖ) und Hannes Amesbauer (FPÖ).

Gerade um MuslimInnen in Österreich zu schützen, brauche es ein starkes Islamgesetz, so der Innenminister. Der politische Islam geißle die Gesellschaft und das Zusammenleben, daher seien verschärfende Maßnahmen wesentlich und richtig. Auch aufgrund von Waffenfunden müsse man besonders wachsam sein, was radikal islamistischen Terror, aber auch rechtsextremen Terror betreffe, sagte Nehammer. Was das Thema Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte betrifft, sei für die Freiheit und Sicherheit von Vielen ein Eingriff in die Freiheit von Wenigen notwendig und richtig.

Das Paket umfasse ein Bündel an Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Terrorismus, zumal es keine einfache Antwort gebe, so Karl Mahrer (ÖVP). Er hob etwa die Fallkonferenzen und die elektronische Überwachungsmöglichkeit hervor. Wolfgang Gerstl (ÖVP) unterstrich, genau die umfassenden Vorschläge der eingesetzten Kommission sollen heute umgesetzt werden. Der Punkt religiös motivierte extremistische Verbindung gelte nun als vorgelagerter Straftatbestand, hob er hervor. 

Es gehe darum, dem Terror im Rahmen der Verfassung und Grundrechte präzise die Stirn zu bieten und nicht zuzulassen, die Gesellschaft zu spalten, so Georg Bürstmayr (Grüne). Er betonte, dass islamische Glaubensrichtungen Teil diese Landes sind. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) nannte drei wesentliche Elemente des Berichts der Untersuchungskommission nach dem Terroranschlag in Wien. Neben der Neuaufstellung des BVT gehe es um eine Vernetzung der Institutionen und Absicherung und Finanzierung der Deradikalisierung.

Enttäuscht, dass aus seiner Sicht "nichts weitergebracht wird", zeigte sich Harald Stefan (FPÖ). Was etwa das Islamgesetz betrifft, seien Umgehungen durch Stiftungen nach wie vor möglich. Es sei nicht alles schlecht an dem Paket, aber als "völlig sinnlos" bezeichnete er den Erschwerungsgrund der extremistischen religiös motivierten Begehung, weil das bereits im Gesetz abgebildet sei. Philipp Schrangl (FPÖ) wandte ein, was den Entzug der Staatsbürgerschaft betreffe, sei dies nach der Novelle auch nur bei den wenigen Fällen mit Doppelstaatsbürgerschaften möglich. Hannes Amesbauer (FPÖ) brachte einen Entschließungsantrag ein, wonach eine Staatsbürgerschaftsverleihung an Asylberechtigte und türkische Staatsbürger ausgeschlossen werden sollte. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Ein nicht erfolgter Ordnungsruf vonseiten des Vorsitzenden Norbert Hofer zu Totalitarismusvorwürfen seitens Herbert Kickl (FPÖ), die die ÖVP kritisierte bzw. scharf zurückwies, führte im Zuge der Debatte zu teils vehementen Einwänden der anderen Fraktionen. Kickl und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) hatten nachdrücklich kritisiert, dass auch für erlaubte Organisationen bzw. für die Identitären Symbole verboten würden.

Jörg Leichtfried (SPÖ) kritisierte seinerseits dem Umgang der Bundesregierung mit dem Terroranschlag im Zusammenhang mit "würdelosen Schuldzuweisungen" zwischen Innenminister und Justizministerin. Die Sozialdemokratie bekenne sich aber zu dem Anti-Terror-Paket. Ein Entschließungsantrag der SPÖ zur besonderen Beachtung des Datenschutzes im Zusammenhang mit dem Islamgesetz, den Leichtfried einbrachte, blieb in der Minderheit. Harald Troch (SPÖ) sprach im Zusammenhang mit dem Terroranschlag im November von einem Versagen der österreichischen Staatssicherheit. In diesem Sinne begrüße die SPÖ die nun vorgesehene bessere Zusammenarbeit der Behörden. Zur Verhinderung von Terror müsse aber wesentlich früher angesetzt werden, hier sieht Troch noch Handlungsbedarf.

Nikolaus Scherak (NEOS) schloss sich Leichtfried in dem Punkt an, dass die Schuldzuweisungen nicht sinnvoll gewesen seien, statt das System unter die Lupe zu nehmen im Hinblick darauf, dass man den Anschlag verhindern hätte können. Positiv erachte er an dem Paket etwa die Fallkonferenzen und Präventivmaßnahmen. Die religiös motivierte extremistische Strafhandlung mache allerdings keinen Sinn, weil sie bereits unter Strafe stehe. Für sinnvoll hält Scherak auch die Änderungen im Islamgesetz. Die NEOS würden daher in einzelnen Punkten dem Paket zustimmen. Johannes Margreiter (NEOS) sieht in dem Paket ebenso einige sinnvolle Aspekte, meinte aber auch, der Vorwurf der Showelemente sei nicht ganz unberechtigt.

Anti-Terror-Paket mit Terror-Bekämpfungs-Gesetz

Die Regierungsvorlage mit einem Terror-Bekämpfungs-Gesetz samt Änderungen in verschiedenen Materien als Teil des aktuellen Anti-Terror-Pakets konzentriert sich im Bereich der Justiz insbesondere darauf, die gerichtliche Überwachung terroristischer StraftäterInnen während des Vollzugs und nach bedingter Entlassung – auch mit elektronischer Überwachung von Weisungen - zu intensivieren und Prävention und Deradikalisierungsmaßnahmen zu verbessern. Darüber hinaus sollen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizienter bekämpft werden können. Zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche soll der Tatbestand der Geldwäscherei neu gefasst und ein neuer Erschwerungsgrund in das StGB eingeführt werden.

Zudem soll der Vorlage zufolge religiös motivierter Extremismus bekämpft werden können. Konkret sollen im Strafgesetzbuch ein neuer Erschwerungsgrund der religiös motivierten extremistischen Begehung sowie ein neuer Straftatbestand gegen religiös motivierte extremistische Bewegungen eingeführt werden. Auf bedingt zu entlassende verurteilte StraftäterInnen soll künftig mittels Weisungen unter anderem auf eine Distanzierung des Täters von einem Umfeld hingewirkt werden können, das zur Radikalisierung beigetragen hat, beispielsweise radikal-salafistische Bewegungen und Bethäuser.

Fallkonferenzen sollen dazu dienen, das Verhalten des Rechtsbrechers während gerichtlicher Aufsicht beurteilen zu können und jene Maßnahmen festzulegen, um die Einhaltung von Weisungen sicherzustellen sowie den Verurteilten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Um Fach- und Spezialwissen innerhalb der Gerichte entsprechend zu bündeln, sollen Sonderabteilungen für Verfahren wegen terroristischer Straftaten geschaffen werden.

Mit einem Abänderungsantrag zu dieser Vorlage wurden unter anderem Inkrafttretensbestimmungen festgelegt, einerseits mit Rücksicht auf die Umsetzungsfrist in Bezug auf die Geldwäsche-Richtlinie, andererseits im Hinblick auf die Koordinationsstelle, die erst ab 1. Jänner 2022 operativ werden könne, so die Erläuterungen.

In der Minderheit blieb die FPÖ mit einem Initiativantrag, der im Strafgesetzbuch auf einen Erschwerungsgrund für kriminelle MigrantInnen abzielt.

Entzug der Staatsbürgerschaft und des Führerscheins, Verbot von Symbolen

Novelliert werden sollen im Rahmen des Anti-Terror-Pakets auch das Staatsbürgerschaftsgesetz und das Symbole-Gesetz. Personen, die nach einem der Terrorparagraphen des Strafgesetzbuchs verurteilt werden, droht demnach künftig der Entzug der Staatsbürgerschaft, sofern sie dadurch nicht staatenlos werden und das Verfahren mit einer unbedingten oder teilbedingten Freiheitsstrafe beendet wurde. Umfasst sind dabei nicht nur Verurteilungen wegen terroristischer Straftaten, sondern etwa auch wegen Terrorismusfinanzierung, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der Aufforderung zu einer terroristischen Straftat oder Reisen zu terroristischen Zwecken. Derzeit müssen DoppelstaatsbürgerInnen nur dann mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft rechnen, wenn sie im Ausland für eine bewaffnete Gruppe kämpfen.

Mit der Erweiterung des Symbole-Gesetzes wird auch das Darstellen, Tragen, Verbreiten und Verwenden von Symbolen der rechtsextrem orientierten Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), der Gruppierung Die Österreicher (DO5), der sunnitisch-islamistischen Hizb ut-Tahrir (HuT), der dschihadistisch-islamistischen Gruppierung Kaukasus-Emirat sowie der marxistisch-leninistischen Revolutionären Volksbefreiungspartei bzw. -front (DHKP-C) verboten. Zudem soll die gesamte Hisbollah vom Verwendungsverbot umfasst sein und nicht nur wie derzeit deren militärischer Arm.

Wer nach einem Terrorparagraphen verurteilt wurde, könnte künftig außerdem den Führerschein verlieren, und zwar unabhängig von der Strafhöhe. Die Maßnahme knüpft an ähnliche bereits geltende Bestimmungen an, so droht etwa auch bei Straftaten wie erpresserischer Entführung oder schwerem Raub ein Führerscheinentzug.

Ziel der Novelle zum Islamgesetz ist es unter anderem, die Transparenz in Bezug auf die finanzielle Gebarung islamischer Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden sowie hinsichtlich ihrer Organisationsstrukturen zu erhöhen und so bestehende Bestimmungen wie das Verbot der Auslandsfinanzierung leichter kontrollieren zu können. Zudem sollen innerislamische Einrichtungen wie Moscheegemeinden im Falle von Gesetzesverstößen künftig einfacher geschlossen werden können.

Homeoffice und Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst

Eine Dienstrechts-Novelle, die anschließend zur Debatte stand und mit breiter Mehrheit angenommen wurde, sieht vor, die Homeoffice-Regelungen im Bundesdienst zu adaptieren. Insbesondere soll es künftig möglich sein, in beiderseitigem Einvernehmen von der Vorgabe abzuweichen, dass der Dienstgeber die für Telearbeit notwendigen technischen Arbeitsmittel bereitzustellen hat. Für solche Fälle soll demnach eine Aufwandsentschädigung gebühren. Analog zur Regelung in der Privatwirtschaft wird außerdem im Bundesbedienstetenschutzgesetz klargestellt, dass ArbeitsinspektorInnen nicht berechtigt sind, Wohnungen von Bediensteten im Homeoffice zu betreten. Sie können den Arbeitsplatz aber auf Wunsch des Beschäftigten besichtigen.

Um Nachbesetzungen zu beschleunigen, ist eine Änderung des Ausschreibungsgesetzes vorgesehen. Künftig müssen frei gewordene bzw. neue Planstellen im Bundesdienst nicht mehr zunächst ressortintern bzw. bundesintern ausgeschrieben werden, bevor eine externe Suche nach geeigneten BewerberInnen erfolgt. Die Entscheidung soll künftig vielmehr der jeweiligen Dienststelle überlassen bleiben.

Gerald Loacker (NEOS) warf der ÖVP zum Thema Ausschreibungen "Postenschacher" vor. Stattdessen brauche es die besten Leute im öffentlichen Dienst und nicht die "türkisesten". Ein dazu von ihm eingebrachter Abänderungsantrag, jede Planstelle öffentlich auszuschreiben, blieb in der Minderheit.

Eva Blimlinger (Grüne) hob als zentralen Punkt die Regelungen des Homeoffices und Gleichstellung mit der Privatwirtschaft hervor. Was die Ausschreibungen betrifft, gehe es darum, dass in den nächsten fünf Jahren etwa die Hälfte der Bundesbediensteten in Ruhestand bzw. Pension sein werden, darauf gelte es, schneller und flexibler reagieren zu können. Die neuen Regelungen würden Transparenz schaffen, entgegnete sie zum Thema "Nepotismus", wie sie es bezeichnete. Auch Michael Hammer (ÖVP) hob die Anpassungen im Bereich des Homeoffice hervor. Was die Ausschreibungen betreffe, gebe es aufgrund der demographischen Entwicklungen die Notwendigkeit, schnell und flexibel Dienstposten zu besetzen, was hiermit ermöglicht werde.

Selma Yildirim (SPÖ) dankte wie auch ihr Vorredner vor allem den öffentlich Bediensteten für ihren Einsatz während der Pandemie in äußerst schwierigen Phasen. Ein Kritikpunkt in Richtung ÖVP sei insgesamt, dass die Verwaltung "kaputtgespart" werde. Was die Ausschreibungen betrifft, sieht sie darin grundsätzliche Verbesserungen, die besten Kräfte unabhängig vom Parteibuch zu finden.

Die Novelle sei nur eine Anpassung und nicht der große Wurf, meinte demgegenüber Christian Lausch (FPÖ). Forderungen der FPÖ wie etwa Änderungen im Disziplinarrecht, im Besoldungsrecht oder auch für Ballungszulagen für PolizistInnen seien nicht berücksichtigt worden, bemängelte der FPÖ-Abgeordnete. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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