Parlamentskorrespondenz Nr. 938 vom 30.07.2021

Neu im Gesundheitsausschuss

COVID-19-Lagergesetz, Medizinalhanf, Facharztausbildung Kieferorthopädie, psychische Erkrankungen, Hygiene Austria, Komplementärmedizin

Wien (PK) – Neben drei Gesetzesanträgen von ÖVP und Grünen, die u.a. die Weitergabe von nicht mehr benötigten Schutzausrüstungen sowie medizinischen Materialien an diverse Einrichtungen und andere Staaten betreffen, wurden dem Gesundheitsausschuss auch wieder zahlreiche Initiativen der Oppositionsparteien zugewiesen. Darin geht es den Freiheitlichen etwa um die rasche Einführung einer Facharztausbildung für Kieferorthopädie, die Etablierung der Komplementärmedizin in Österreich, die Einrichtung einer Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung, die genaue Prüfung der Causa "Hygiene Austria" sowie um eine umfassende klinisch-psychologische Behandlung der Bevölkerung als Kassenleistung. Die NEOS wiederum wollen die magistrale Zubereitung und Verordnung von Medizinalhanf ermöglichen.

ÖVP-Grüne: Änderungen im COVID-19-Lagergesetz, diversen Sozialsicherungsgesetzen sowie redaktionelle Anpassungen

Der erste Antrag der Koalitionsparteien schlägt Änderungen im Bundesgesetz über die Einrichtung eines COVID‑19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei der Abgabe von Gütern vor (1822/A). Im Konkreten wird die Verteidigungsministerin im Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister bis Ende 2022 ermächtigt, eingelagerte Schutzausrüstungen und sonstige notwendige medizinische Materialien unentgeltlich zugunsten der Bundesländer, anderer Ressorts sowie sonstiger Bundeseinrichtungen (v.a. AGES und Sozialversicherungsträger) bereit zu stellen, soweit dies im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID‑19-Krise erforderlich ist. Damit sollen Engpässe oder Bedarfsspitzen für einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen und auch der Ausfall von etablierten Beschaffungswegen bestmöglich kompensiert werden.

Um eine wirtschaftliche, zweckmäßige und sparsame Lagerhaltung zu gewährleisten, können die beiden Ressortchefs über nicht mehr benötigte Güter auch ohne Vorliegen einer Krisensituation unentgeltlich verfügen. Im Einvernehmen mit dem Innen- und Außenminister sei auch eine entgeltliche Weitergabe an andere Staaten oder internationale Organisationen möglich. Wenn es entwicklungs-, nachbarschafts- bzw. gesundheitspolitische Gründe nahelegen, dann soll auch die unentgeltliche Abgabe von nicht mehr benötigten Gütern erlaubt sein. In allen Fällen müsse jedoch ein monatlicher Bericht über die abgegebenen Gegenstände dem Finanzminister übermittelt werden.

Änderungen in diversen Sozialversicherungsgesetzen (ASVG, Gewerbliches, Bauern und Beamten) sehen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Krise laut einem weiteren Initiativantrag von ÖVP und Grünen vor, dass die Österreichische Gesundheitskasse ab 1. Oktober 2021 "für die Durchführung der Impfung sowie für die Dokumentation ein pauschales Honorar zu bezahlen" hat (1823/A). In der aktuellen Bestimmung ist bloß von einer "zweimaligen Durchführung der Impfung" die Rede. Außerdem entfällt der Passus, wonach der Bund der ÖGK die Kosten für das Honorar aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zu ersetzen hat.

Der von den Regierungsfraktionen einbrachte Antrag betreffend das Epidemiegesetz und das COVID‑19-Maßnahmengesetz enthält vorerst nur redaktionelle Anpassungen (1824/A).

NEOS wollen magistrale Zubereitung und Verordnung von Medizinalhanf ermöglichen

Derzeit sei eine medizinische Anwendung reiner Cannabisblüten nicht möglich, da diese sowohl Tetrahydrocannabinol (THC) als auch Cannabidiol (CBD) enthalten, gibt Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) zu bedenken (1816/A(E)). Studien würden allerdings zeigen, dass eine Kombination aus CBD und THC bei der Behandlung von Krebserkrankungen oder bei neuropathischen Schmerzen eine höhere Wirksamkeit erziele als die Einzelnutzung eines der Wirkstoffe. Auch die WHO und der Europäische Gerichtshof hätten klargestellt, dass CBD nicht als Suchtmittel klassifiziert werden könne. Aus diesem Grunde sollte eine Verordnung von Medizinalhanf und in weiterer Folge eine magistrale Zubereitung durch ApothekerInnen erlaubt werden. Dafür brauche es jedoch eine entsprechende Änderung der Suchtgiftverordnung, lautet die Forderung der NEOS, die sich an den Gesundheitsminister richtet.

FPÖ drängte auf rasche Einführung einer Facharztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich

In der Nationalratssitzung vom 20. November 2020 wurde mit den Stimmen aller Fraktionen eine Entschließung an den damaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober betreffend Facharztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich verabschiedet, ruft Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) in Erinnerung (1837/A(E)). Da es seitdem keinerlei Berichte oder Mitteilungen von Seiten des Ressorts gegeben habe, wann dieses Vorhaben umgesetzt werden soll, erneuern die Freiheitlichen ihre Forderung nach Einführung einer staatlich geregelten universitären und klinischen Ausbildung für eine Spezialisierung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Ein entsprechender Gesetzesentwurf sollte nach Ansicht der FPÖ bis spätestens Ende des Jahres eingebracht werden.

FPÖ legt umfassendes Maßnahmenpaket für die Etablierung der Komplementärmedizin in Österreich vor

Ein umfassendes Konzept zur Verankerung und Etablierung der Komplementärmedizin im österreichischen Gesundheitswesen legen die Freiheitlichen vor (1838/A(E)). Sie sind der Auffassung, dass die Hochspezialisierung in der Medizin, die den Menschen viele Vorteile bringe, oft auch zu Lasten einer ganzheitlichen Zusammenschau gehe. Gerade bei chronischen Krankheiten und funktionellen Beschwerden würden das Wissen und die Möglichkeiten der konventionellen Medizin bei weitem nicht ausreichen, um nebenwirkungsarm und erfolgreich behandeln zu können. Aus diesem Grund habe etwa ein Viertel der österreichischen ÄrztInnen zusätzlich ein Diplom in komplementärmedizinischen Verfahren im Sinne eines integrativen Ansatzes, stellen die FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak und Dagmar Belakowitsch fest. Damit werde auch dem mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung entsprochen, die laut Umfragen zu 70% bis 80% eine Kombination aus Schul- und Komplementärmedizin bevorzuge. Sie bringen als weitere Argumente vor, dass Komplementärmedizin die Eigenverantwortung der PatientInnen stärke, die herkömmliche Medikation um bis zu 50% verringern könne und somit dem Gesundheitssystem viele Kosten erspare.

Therapeutisches Handeln gehöre immer an eine fundierte Ausbildung gebunden, es sollte auch weiterhin ÄrztInnen vorbehalten bleiben, betonen die freiheitlichen MandatarInnen Gerhard Kaniak, Peter Wurm und Dagmar Belakowitsch. Die Patronanz der Österreichischen Ärztekammer sichere die Qualität der jeweiligen Ausbildungen. Nach der Streichung der Wahlpflichtfächer für Homöopathie und Komplementärmedizin an den Unis in Wien und Linz würden jedoch nur mehr in Graz und Innsbruck Lehrveranstaltungen zu TCM und Akkupunktur angeboten. Währenddessen zeige ein Blick ins Ausland, dass beispielsweise in den USA bereits seit 2012 über 50 Institute für integrative Medizin bestehen und es in der Schweiz einen eigenen Lehrstuhl für Naturheilkunde gibt. Aus all diesen Überlegungen leiten die AntragstellerInnen folgende konkrete Forderungen ab: Einrichtung des Fachgebiets "Komplementärmedizin" in der akademischen Ausbildung an den Medizinischen Universitäten, entsprechende Unterstützung und Finanzierung komplementärmedizinischer Forschung, Etablierung eines breiten Angebots von Komplementärmedizin im gesamten Spitalsbereich, Förderung der aktiven Wissensvermittlung in diesem Bereich innerhalb der österreichischen Ärzteschaft sowie die Sicherstellung komplementärmedizinischer Ärztekammer-Diplome.

FPÖ für Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung

Die Freiheitlichen nehmen einen neuen Anlauf mit ihrer Forderung nach einer Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung (1828/A(E)). Die Bundesregierung solle die notwendigen rechtlichen, administrativen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine derartige Genossenschaft schaffen, fordern sie. Die Genossenschaft könnte PflegerInnen und BetreuerInnen beschäftigen und den Pflegebedürftigen zur Verfügung stellen, so die Vorstellung der FPÖ. Damit wären die Betroffenen bzw. ihre Angehörigen von administrativen Pflichten wie Anmeldung und Lohnabrechnung befreit, die bei der Anstellung unselbstständiger Pflege- bzw. Betreuungskräfte anfallen. Auch bräuchten sie sich nicht mehr selbst um eine Urlaubsvertretung kümmern. Ebenso könnte die Genossenschaft Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen organisieren. Ein gleichlautender Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen (1827/A(E)).

… für Prüfung der Causa "Hygiene Austria"

Ebenfalls erneut aufs Tapet bringen die Freiheitlichen die Causa "Hygiene Austria". Anhand von zahlreichen Auskünften aus den Ministerien stellt die FPÖ im Antrag eine Chronologie über den aus ihrer Sicht "türkisen Skandal" rund um das Unternehmen dar (1831/A(E)). Man habe medial für das Unternehmen lobbyiert und im großen Stil bei der Firma beschafft. Nur eine Aufklärung aller Kommunikations- und Informationsstränge, aller Aktenläufe und aller politischen Interventionen und Absprachen könne zu einer Klärung führen. Auch eine Dokumentation sämtlicher Beschaffungsvorgänge sowie sämtlicher Behördenkontrollen sollten dem Nationalrat übermittelt werden, so die Forderung. Gleichlautende Anträge wurden dem Konsumentenschutzausschuss (1830/A(E)) und dem Sozialausschuss (1832/A(E)) zugewiesen.

… und für psychologische Versorgung als Kassenleistung

In einem weiteren Entschließungsantrag (1840/A(E)) zitieren die Freiheitlichen Studien, wonach 26% der Bevölkerung an depressiven Symptomen leiden würden. Die Zahlen seien zuletzt wegen der Pandemie stark angestiegen. Viele Fachorganisationen würden sich daher zurecht für eine klinisch-psychologische Behandlung als Kassenleistung aussprechen – eine Forderung, die auch die Petition "Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich" erhoben hat. Die FPÖ drängt daher auf eine Regierungsvorlage, die die Einführung einer umfassenden psychologischen Versorgung samt klinisch-psychologischer Behandlungen als Kassenleistung sowie eine sofortige Aufnahme eines solchen Angebots ins Sozialversicherungsrecht enthalten soll. Ein gleichlautender Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen (1839/A(E)). (Schluss) sue