Parlamentskorrespondenz Nr. 1027 vom 28.09.2021

Rechnungshof weist auf Medikamentenengpässe in Österreich hin

RH-Präsidentin Kraker analysiert im Rechnungshofausschuss Mängel bei Arzneimittelversorgung

Wien (PK) – Schon vor der Corona-Krise bestanden in Österreich Engpässe bei Medikamenten, die zu hohen Kosten im Spitalsbereich überbrückt wurden. Das ergab eine Rechnungshofprüfung über Arzneimittellieferungen aus dem Jahr 2018, mit der sich der Rechnungshofausschuss des Nationalrats heute befasste. Der diesbezügliche Bericht wurde von den Ausschussmitgliedern einstimmig angenommen. Zu den Empfehlungen, die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker dem Ausschuss in der heutigen Sitzung gab, gehört die Einrichtung einer Bewertungsinstanz des Bundes für kostenintensive Krankenhausmedikamente. Diese Stelle sollte neben der Preisregulierung auch dafür sorgen, dass es in Österreich keinen "Spitalstourismus" gibt, so Kraker mit Hinweis auf die je nach Bundesland unterschiedlichen Beschaffungsformen.

Bewertungsboard soll dauerhaft werden

Das von Präsidentin Kraker angesprochene Bewertungsboard für den Einsatz von Medikamenten im stationären Bereich gibt es laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein bereits als Pilotprojekt der Bundesländer. Aufgrund positiver Erfahrungen damit sei eine Überführung dieser Bewertungsinstanz, deren Kosten die Bundesgesundheitsagentur trägt, in den Regelbetrieb geplant. Zur Lieferproblematik bei Arzneimitteln meinte Mückstein, sie sei eine Folge der Globalisierung: "Die Verlagerung der Produktion nach Asien ist ein Trend nicht nur in der Pharmabranche", worin ihm Hermann Gahr (ÖVP) beipflichtete. Österreich sei aber mit seinen EU-Partnern dabei, versicherte Mückstein, die Medikamentenforschung und -produktion wieder zurück nach Europa zu holen beziehungsweise hier zu halten. So ziele die Arzneimittelstrategie für Europa darauf ab, den Zugang und die Verfügbarkeit erschwinglicher Medikamente in der Europäischen Union ebenso sicherzustellen wie die finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme.

In seinem Bericht über die "Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol" weist der Rechnungshof (RH) auf 870 Meldungen von Krankenanstalten zu Lieferengpässen in allen Indikationsgruppen hin, die zwischen 2014 und 2017 in der Salzburger Landesapotheke eingingen. Der Anstaltsapotheke des Landeskrankenhauses Innsbruck wurden im gleichen Zeitraum 600 Engpässe bei Medikamentenlieferungen gemeldet, unter anderem bei Immunglobulinen, Antibiotika, Zytostatika und Impfstoffen. Beide Apotheken fungieren als Arzneimittelbeschaffer für die jeweiligen Landeskrankenhäuser (LKH), die in Betriebsgemeinschaften der öffentlichen Hand zusammengefasst sind.

Zur Bewältigung der Engpässe kauften beide Apotheken Arzneimittel häufig zu weit höheren Preisen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ein und begrenzten die Menge bestimmter Medikamente auf Kontingente. Weiters wurden Ersatztherapien mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten vereinbart. Laut Rechnungshof bestand im Jahr 2018 konkreter Handlungsbedarf bei mehr als 30% der gemeldeten Lieferengpässe (Salzburger Landesapotheke) beziehungsweise bei rund 100 Arzneimitteln (Apotheke des LKH Innsbruck).

Das Beschaffungsvolumen erhöhte sich somit in der Salzburger Landesapotheke in vier Jahren um rund 42% und lag 2017 bei 53,37 Mio. €. In der Apotheke des LKH Innsbruck erhöhte es sich um rund 20% und lag 2017 bei 77,01 Mio. €. Die vergaberechtlichen Bestimmungen wurden bei der Medikamentenbeschaffung laut RH-Analyse nicht eingehalten, so erfolgte der Kauf ohne Ausschreibung. Anders als für den niedergelassenen Bereich sieht das  Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für Krankenanstalten bei der Arzneimittelbeschaffung kein Verfahren zur Nutzenbewertung und Preisregulierung vor. Der Rechnungshof empfiehlt deswegen die Einrichtung des heute diskutierten zentralen Bewertungsgremiums. Dieses sollte die Preise für Medikamente, die in Krankenhäusern zu verwenden sind, anhand des EU-Durchschnittspreises festsetzen. Zudem solle bei der Entlassungsmedikation auf die ökonomischen Auswirkungen im niedergelassenen Bereich geachtet werden, mahnte RH-Präsidentin Kraker im Ausschuss.

Wirkstoffverschreibungen: Österreich hinkt nach

Die Ansicht des Rechnungshofs sowie von Gerald Loacker (NEOS), Wirkstoffverschreibungen würden helfen, Medikamentenengpässe leichter und kostengünstiger zu überwinden, teilt der Gesundheitsminister. Könnten statt bestimmter Handelsmarken die Wirkstoffe durch den Arzt oder die Ärztin verschrieben werden, würde die Austauschbarkeit von Arzneimitteln erleichtert. "In zehn EU-Ländern ist das bereits verpflichtend", in den meisten anderen bestehe zumindest diese Möglichkeit, so Mückstein, der sich auch Arzneimittelsubstitutionen  - also die Herausgabe äquivalenter Medikamente auf Apothekenebene – vorstellen kann und dazu eine Änderung im Rezeptpflichtgesetz in Aussicht stellt. Entsprechende Vorarbeiten durch die Bundeszielsteuerungsagentur seien schon seit Ende 2019 im Gange, coronabedingt verschiebe sich aber die für heuer geplante Beschlussfassung im Parlament.

David Stögmüller (Grüne) bemängelte vor diesem Hintergrund, die Pharmaindustrie betreibe für bestimmte Handelsmarken teures Lobbying; Compliance-Richtlinien sollten daher bei Absprachen mit den Landesbehörden eingeführt werden.

Gefahr für Patientenversorgung

Schon seit Jahren nähmen Lieferprobleme bei Arzneimitteln weltweit zu, erläutert der Rechnungshof in seinem Bericht. Nicht nur die daraus resultierenden höheren Kosten für heimische Krankenhäuser machen den PrüferInnen dabei Sorgen, sondern auch die Versorgungssicherheit der PatientInnen. Dem Gesundheitsminister legen sie daher ans Herz, die Lieferproblematik von Arzneimitteln in Österreich gesamthaft zu evaluieren und mit einer entsprechenden Strategie auf deren Lösung hinzuarbeiten. Speziell aus der Corona-Krise könnten zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit Lehren gezogen werden, empfahl Philip Kucher (SPÖ), der an Überlegungen der Bundesregierung erinnerte, mit Israel eine gemeinsame Arzneimittelproduktion in Österreich zu verwirklichen.

Gerhard Kaniak (FPÖ) regte in diesem Zusammenhang an, auf nationaler Ebene mittels medikamentöser Vorratshaltung Engpässen vorzubauen, wurde aber von Minister Mückstein darauf aufmerksam gemacht, dass hier ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene die beste Lösung ist. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) rei