Parlamentskorrespondenz Nr. 1062 vom 05.10.2021

Familienausschuss: ÖVP und Grüne für stärkeren Schutz unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Zahlreiche Oppositionsanträge vertagt

Wien (PK) – Im heutigen Familienausschuss diskutierten die Abgeordneten mit Familienministerin Susanne Raab zahlreiche Anliegen der Opposition, die Großteils vertagt oder abgelehnt wurden. ÖVP und Grüne brachten einen Antrag ein, mit dem der Schutz unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbessert werden soll.

ÖVP und Grüne wollen Schutz und Rechtsstellung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen verbessern

Die SPÖ setzte sich in einem Entschließungsantrag für besseren Schutz und Betreuung für geflüchtete Minderjährige (1743/A(E)) ein. Laut einer Datenanalyse des Rechercheverbunds "Lost in Europe" seien zwischen den Jahren 2018 und 2020 18.292 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche in Europa verschwunden. Auch in Österreich sollen 207 Kinder und Jugendliche von diesem Schicksal betroffen sein, zeigte die SPÖ auf und forderte, dass jedes unbegleitete Kind, das in Österreich ankommt, ab dem ersten Tag in die Zuständigkeit der österreichischen Kinder- und Jugendhilfe übergeben wird.

Mittels §27-Antrags bekannten sich ÖVP und Grüne zur Sicherstellung einer schnellen Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und zu besonderem Augenmerk auf Kindeswohl im Asylverfahren. Durch den Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, den Schutz und die Rechtsstellung der Kinder noch weiter zu verbessern. Unterstützung gab es dazu von den NEOS. Demgegenüber wollte Christian Lausch (FPÖ) den Antragstext auf Kinder bis 14 Jahre beschränken, um dem Schleppertum keinen Anschub zu leisten, wie er sagte. Die FPÖ stimmte schließlich gegen den Antrag und Lausch stellte einen eigenen Antrag dazu im Plenum in Aussicht. Der Entschließungsantrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS beschlossen, während der zugrundeliegende Antrag keine Mehrheit fand und abgelehnt wurde.

SPÖ-Forderung nach Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, kostenfreien Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr

Kritik von der SPÖ gab es auch hinsichtlich der – aus Sicht der Sozialdemokraten – zu niedrigen Investitionen in die Qualität und den Ausbau von Kinderbetreuung und elementarer Bildung. Petra Wimmer forderte einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, kostenfreien Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr. (1641/A(E)). Vorsitzender Norbert Sieber (ÖVP) wollte keinen Schnellschuss zu einem Rechtsanspruch machen. Laut Joachim Schnabel (ebenso ÖVP) fehle es vorrangig an fachlich gutem Personal. Er warb dafür, ein Gesamtpaket mit den Gemeinden abzusprechen und sprach sich für Unterstützung bei der Finanzierung aus. Schritte zur besseren Bezahlung der PädagogInnen müssten gesetzt werden, forderte Eva Maria Holzleitner (SPÖ) und wollte den Beruf attraktiver gestalten. Die FPÖ machte sich gegen einen Rechtsanspruch stark. Edith Mühlberghuber wollte erst den Bedarf nach ganztägiger Kinderbetreuung erheben, da aus ihrer Sicht, die Nachfrage am Land geringer sei als in der Stadt. Dies macht aber weder aus Sicht der ÖVP noch der NEOS Sinn, da das Angebot erst Bedarf schaffe, wie Bernhard ausführte.

ÖVP: Familienbonus ist keine Sozialleistung

Die kürzlich präsentierten Pläne der Bundesregierung zur Steuerreform enthalten unter anderem eine Erhöhung des Familienbonus, der bisher bei 1.500 € pro Kind lag und künftig auf 2.000 € angehoben werden soll. Für Petra Wimmer (SPÖ) gibt es dabei einen Konstruktionsfehler (377/A(E)). Der Bonus könne nur dann in voller Höhe beansprucht werden, wenn auch Einkommens- bzw. Lohnsteuer in diesem Ausmaß bezahlt wurden, argumentieren sie. Da jedes Kind gleich viel wert sein müsse, forderte die SPÖ die Einführung eines Familienbonus unabhängig vom Einkommen der Eltern. Während Julia Herr (SPÖ) auch unbezahlte Arbeit von Frauen wertschätzen möchte, sahen ÖVP und NEOS den Familienbonus nicht als Sozialleistung an. Das Ziel sei, arbeitende Menschen zu entlasten, so Sieber (ÖVP). Während Michael Bernhard (NEOS) das Geld lieber in Kinderbetreuungsplätze investieren würde, hielt Barbara Neßler (Grüne) fest, dass ihre Partei den Familienbonus kritisch gegenüberstehe, dieser jedoch mit dem Regierungspartner verhandelt wurde. Der Antrag wurde vertagt.

SPÖ und Freiheitliche für Ausweitung des Schulstartgeldes

Die beiden Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ setzten sich für eine Ausweitung des Schulstartgeldes ein. Laut Holzleitner stellt der Beginn eines Schuljahres immer eine große Belastung mit hohen Ausgaben dar. Insgesamt gaben Familien im Jahr 2020/21 durchschnittlich 2.132 € für den Schulbesuch ihrer Kinder aus, argumentierte sie für eine Verdoppelung auf 200 € und wollte dies rückwirkend für das Schuljahr 2021/22 ausbezahlen (1890/A(E). Da viele Schulmaterialien bereits in den Sommerferien gekauft würden, sollte das Schulstartgeld bereits im August (statt bisher September) gemeinsam mit der Familienbeihilfe überwiesen werden, lautet die weitere Forderung der SPÖ (1891/A(E)). Die Vorverlegung auf August wurde von der Opposition befürwortet und auch die Regierungsparteien zeigten sich demgegenüber offen. Das Ministerium prüfe dies, stellte Vorsitzender Norbert Sieber (ÖVP) fest und hielt eventuell einen gemeinsamen Antrag im nächsten Familienausschuss für möglich. Es gebe aber auch Gegenargumente, zum Beispiel, dass in der Ferienzeit das Geld vielleicht anderweitig ausgegeben werde und im September dann nicht mehr zur Verfügung stehe.

Für die FPÖ forderte Edith Mühlberghuber, die Auszahlung des Schulstartgelds in der Höhe von 100 €, das derzeit nur Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren erhalten, auf alle SchülerInnen der Sekundarstufe auszudehnen (1734/A(E)). Eine pauschale Ausweitung der Leistungen konnten sich Maria Großbauer (ÖVP) und Barbara Neßler (Grüne) nicht vorstellen und wollten zielgerichtet Mittel einsetzen. Trotz Zustimmung der FPÖ zu den beiden SPÖ-Anträgen fanden die beiden Anträge zur Ausweitung des Schulstartgeldes im Ausschuss keine Mehrheit und wurden abgelehnt. Der Antrag auf Vorverlegung in den August wurde vertagt.

Opposition für jährliche Valorisierungen von Familienbeihilfe und Bundesjugendförderung

Im Unterschied zu den Pensionen werde die Familienbeihilfe nicht inflationsangepasst, empfand Mühlberghuber (FPÖ) für ungerecht (1733/A(E)). Da es seit 1992 nur zu ungenügenden Valorisierungen gekommen sei, würden die einzelnen Beträge auf dem Niveau der späten 70er-Jahre liegen, forderte sie die Erhöhung der Familienbeihilfe in Höhe des Wertverlusts sowie eine jährliche Indexanpassung. Dem hielt Nikolaus Prinz (ÖVP) entgegen, dass Österreich im internationalen Vergleich bei den Familienleistungen im Spitzenfeld liege. Durch die Steuerreform werde viel für Familien getan, unterstrich auch Familienministerin Raab. Die SPÖ hoffte auf Anpassungen bei der Familienbeihilfe analog zu den Ergebnissen der Kinderkostenanalyse. Die Kinderkostenstudie soll noch im Herbst 2021 präsentiert werden, unterstrich Barbara Neßler (Grüne). Die NEOS hingegen wollten den Antrag direkt ablehnen. Anstelle einer Valorisierung der Familienbeihilfe treten diese für eine flächendeckende Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr ein.

Geht es nach der SPÖ, so gehören auch die Förderungen für Kinder- und Jugendorganisationen jährlich angepasst (580/A(E)). Da diese seit Einführung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes, nicht erhöht worden sind, habe sich ein Verlust von rund 40% der finanziellen Mittel ergeben, betonte Holzleitner. Unterstützt wurde sie an dieser Stelle von den NEOS. Michael Bernhard führte die Notwendigkeit der Valorisierung der jahrelang nicht angepassten Förderungen aus. Seitens der Regierungsparteienwurde der Antrag vertagt.

NEOS und SPÖ für Verbesserungen beim Kinderbetreuungsgeld

Probleme bei der Abwicklung des Kinderbetreuungsgeldes orten die NEOS, die auch auf diesbezügliche Kritik von Seiten des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft verweisen (1481/A(E)). Familien müssten oft monatelang auf die Auszahlung warten – insbesondere bei grenzüberschreitenden Fällen. Daher sei es dringend geboten, die Österreichische Gesundheitskasse anzuweisen, die Gründe für vermeidbare Verzögerungen unverzüglich zu identifizieren und organisatorische Maßnahmen zur Verkürzung der Erledigungsdauer zu setzen, unterstrich Bernhard. Der NEOS-Mandatar warnte vor Folgeproblemen durch fehlende Krankenversicherungen. Gudrun Kugler (ÖVP) betonte, dass allen Verzögerungen bestmöglich entgegengewirkt werde.

Dem Warten auf das Kinderbetreuungsgeld ein Ende setzen möchte auch die SPÖ. Seit vielen Monaten sei bekannt, dass es Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds gebe, wenn die Eltern in unterschiedlichen EU-Staaten leben, so Petra Wimmer(SPÖ) (1818/A(E)). Die SPÖ fordere daher eine EU-konforme Änderung des Paragraphen 27 Absatz 4 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes. Die beiden Regierungsparteien wollen diesbezüglich eine EU-konforme Lösung finden.

Ein weiteres Problem ortete die SPÖ beim Beobachtungszeitraum für das Einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld. Um diese Form des Kinderbetreuungsgeldes zu erhalten, müssen werdende Eltern eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im Inland in den 182 Kalendertagen vor der Geburt des Kindes nachweisen. Da durch die Corona-Pandemie noch länger mit einer angespannten Arbeitsmarktsituation zu rechnen sei, trat die SPÖ für eine Neuregelung dieser Anspruchsvoraussetzung ein (772/A(E)). Laut Kugler ist der Arbeitsmarkt derzeit gut aufgestellt. Die drei Anträge wurden seitens der Regierungsparteien vertagt.

Papamonat: Präsenzdienst, Assistenzeinsatz und Zivildienst anrechnen

Ungerechtigkeiten bei der Gewährung des "Papamonats" orten die Freiheitlichen (1738/A(E)). Seit dem 2019 haben alle unselbstständig erwerbstätigen Väter einen gesetzlichen Anspruch auf den Familienzeitbonus (22,60 € pro Tag), wenn sie sich nach der Geburt ihres Kindes vier Wochen der Familie widmen wollen, so der FPÖ-Abgeordnete Christian Ries. Voraussetzung dafür sei, dass der Vater in den letzten 182 Kalendertagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in Österreich ausgeübt hat. Ausgeschlossen seien somit etwa Milizangehörige im Einsatz, kritisierte die FPÖ und forderte die Zeit des Präsenzdienstes oder des Zivildienstes als kranken- und pensionsversicherungsrechtliche Erwerbstätigkeit anzuerkennen und somit für den Familienzeitbonus anzurechnen.

Das Anliegen sei berechtigt, unterstrichen ÖVP und Grüne. Es finde sich auch im Regierungsprogramm, betonte Kugler, die aber das bestehende Regelwerk nicht komplett ändern will. David Stögmüller (Grüne) wollte diesbezüglich eine verfassungsrechtliche Einschätzung abwarten und begründete damit die Vertagung. (Schluss) gla