Parlamentskorrespondenz Nr. 1066 vom 05.10.2021

Unterrichtsausschuss beschließt neue Hochschullehrgänge für Quereinstieg in die Elementarpädagogik

Zustimmung zu Analyse der hohen Zahl an Schulabmeldungen sowie zu Maßnahmen gegen Gender-Stereotypen im Schulunterricht

Wien (PK) – Mit einer Novelle zum Gesetz über fachliche Anstellungserfordernisse für ElementarpägagogInnen startete der Unterrichtsausschuss heute die neue Tagungsperiode. Mit der einstimmig beschlossenen Regelung möchte die Bundesregierung dem anhaltenden Personalmangel in österreichischen Kindergärten entgegentreten. Ebenfalls Einstimmigkeit gab es für den Antrag aller Fraktionen, der den Bildungsminister ersucht, die Ursachen für die hohe Zahl an Schulabmeldungen zu analysieren. Mehrheitlich, ohne Freiheitliche, unterstützte der Ausschuss einen gemeinsamen Antrag von ÖVP, Grünen und NEOS, der sich für Schritte gegen Gender-Stereoptype im Schulunterricht ausspricht. Ein bereits früher von den NEOS zum Thema der Stereotypen in Schulbüchern gilt als miterledigt.

Mehrere Anträge der Opposition wurden vertagt oder abgelehnt. So plädierte die FPÖ mit zwei Entschließungsanträgen dafür, dass SchülerInnen im Heimunterricht nicht benachteiligt werden dürfen. SPÖ und NEOS forderten den Ausbau von elementarpädagogischen Einrichtungen sowie der psychiatrischen und psychologischen Versorgung von jungen Menschen, für die sie coronabedingt akuten Bedarf sehen. Ebenso fordern die beiden Oppositionsparteien SPÖ und NEOS mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem durch einen bundesweiten Chancenindex. Die SPÖ spricht sich in Anträgen, die vertagt wurden, für den Ausbau von Reha-Klassen und –Schulen sowie von Ganztagsschulen aus.

Regierungsvorlage: Hochschullehrgang für Elementarpädagogik

Die Novelle sei eine Reaktion auf den anhaltenden Personalmangel in österreichischen Kindergärten, erläuterte Bildungsminister Heinz Faßmann. Daher setze man bei den fachlichen Anstellungserfordernisse für ElementarpädagogInnen an, um den Quereinstieg zu erleichtern (1042 d.B.). Ein neuer Abschluss an einer Pädagogischen Hochschule "Elementarpädagogik" mit 60 ECTS-Punkten solle den Quereinstieg in die Elementarpädagogik als GruppenleiterIn ermöglichen. Zielgruppe dafür sind laut Entwurf "facheinschlägig vorgebildete Personen". Auch für inklusive PädagogInnen soll es an den Pädagogischen Hochschulen einen eigenen Lehrgang im Umfang von 90 ECTS geben.

Generell werde mit dem Novellenvorschlag der Begriff "Elementarpädagogik" einheitlich festgelegt. Man trage damit der Weiterentwicklung der früher für "Kindergartenpädagogik" ausgewiesenen Bildungsanstalten Rechnung, erklärte Faßmann.

Sibylle Hamann von den Grünen zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit dem Schritt. Allerdings müssten den höherqualifizierten PädagogInnen auch entsprechende Arbeitsplätze angeboten werden. Das sei ein zentraler Inhalt einer neuen 15a-Vereinbarung mit den Ländern, die bereits verhandelt werde. Sie erwarte sich ein gutes Ergebnis der Verhandlungen. Auch Claudia Plakolm (ÖVP) wies auf die laufenden Verhandlungen mit den Bundesländern hin. Katharina Kucharowits (SPÖ) unterstützte die neuen Regelungen, forderte aber zusätzliche Ressourcen für Elementarpädagogik ein. Seitens der NEOS unterstützte Martina Künsberg Sarre die Neuerungen, auch wenn "der Pfad für QuereinsteigerInnen noch sehr schmal sei". In Zukunft müsse er erweitert werden, meinte sie. Hermann Brückl von den Freiheitlichen meinte, die Novelle sei "kein großer Wurf", seine Fraktion könne sie aber unterstützen.

SPÖ und NEOS sehen Österreich säumig bei elementarpädagogischer Bildung

Mit der Regierungsvorlage wurden auch Anträge der SPÖ und NEOS verhandelt, die Versäumnisse im Ausbau der elementarpädagogischen Bildung besonders für unter dreijährige Kinder sehen. Beide Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Ihrer Fraktion gehe es um frühkindliche Bildung als wichtigen Faktor für gesellschaftliche Chancengerechtigkeit, erläuterte SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits. Der Kern des Antrags der SPÖ sei daher die Erhöhung des Budgets für Elementarpädagogik auf 1% des Bruttoinlandsprodukts beziehungsweise eine Bildungsmilliarde, um ein flächendeckendes, angemessenes und kostenloses Angebot an Kindergärten mit optimiertem Betreuungsschlüssel zu schaffen (1889/A(E)). Claudia Plakolm (ÖVP) betonte, dass das kommende Budget die Elementarpädagogik deutlich berücksichtigen werden, und begründete damit ihren Vertagungsantrag

Die NEOS weisen auf eine Studie hin, wonach hierzulande 77% der Kinder bis zum dritten Geburtstag daheim betreut werden, und zwar meist von den Müttern. Martina Künsberg Sarre und Michael Bernhard (beide NEOS) weisen in einem Antrag darauf hin, dass Frauen aufgrund von langen Karenzzeiten beziehungsweise Teilzeitbeschäftigung oft die Altersarmut droht. Sie fordern daher einen "Zukunftsgipfel" zur Elementarpädagogik und dabei die Rahmenbedingungen für einen Ausbau ganztägiger Elementarbildung ab dem ersten Lebensjahr zu schaffen (1873/A(E)).

Alle Fraktionen wollen Ursachenforschung bei Schulabmeldungen

Im Schuljahr 2021/22 habe sich mit 7.515 Kindern bis zur neunten Schulstufe im häuslichen Unterricht die Zahl an Schulabmeldungen im Vergleich zu den Vorjahren verdreifacht, halten die Abgeordneten Martina Künsberg Sarre (NEOS), Rudolf Taschner (ÖVP), Sibylle Hamann (Grüne), Petra Vorderwinkler (SPÖ) und Hermann Brückl (FPÖ) fest. Ihr gemeinsamer Antrag (1899/A(E)) zielt darauf ab, unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen die Motivation für die Abmeldung von den Schulen zu analysieren, da die genauen Gründe nicht bekannt seien. Bildungsministerium die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden können. Die Abgeordneten waren sich einig, dass kein Kind auf seinem Bildungsweg zurückgelassen werden dürfe.

FPÖ: Keine Benachteiligung für SchülerInnen im Heimunterricht

Zwei FPÖ-Anträge zum Heimunterricht fanden keine Mehrheit im Ausschuss. Hermann Brückl (FPÖ) hält die Regierung für die vielen Schulabmeldungen für verantwortlich. Sie habe in der Corona-Pandemie die Bevölkerung verunsichert, weswegen viele Eltern ihre Kinder nun nicht einer möglichen Infektion an Schulen aussetzen wollten, erklärte er im Ausschuss. Vor diesem Hintergrund dürften Schülerinnen und Schüler im häuslichen Unterricht nicht diskriminiert werden (1920/A(E)), argumentierte Brückl und sprach sich gegen Schritte der Schulbehörden aus, die die Regeln für den Heimunterricht verschärfen.

Weiters will der freiheitliche Abgeordnete sichergestellt wissen, dass bei häuslichem beziehungsweise ortsungebundenem Unterricht den SchülerInnen die nötigen Unterrichtsmaterialien im selben Ausmaß wie im Präsenzunterricht zur Verfügung gestellt werden (1921/A(E)). Lerninhalte und Hausübungen wären zudem über eine Online-Plattform abrufbar zu machen, fordert er.

Die Anträge wurden nur von der FPÖ unterstützt, sie wurden damit abgelehnt. Gertraud Salzmann (ÖVP) verwahrte sich gegen die Darstellung, dass die Corona-Maßnahmen an den Schulen "Zwangsmaßnahmen" seien, wie es die FPÖ darstelle. Die Unterstützung für SchülerInnen im häuslichen Unterricht gebe es, führte die Abgeordnete weiter aus, allerdings sei es laut Gesetz auch an den Eltern, für entsprechenden Unterricht zu sorgen, wenn sie ihre Kinder aus der Schule nehmen.

SPÖ ortet akuten Mangel bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ortet die SPÖ akuten Handlungsbedarf in der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen (1895/A(E)). In Österreich fehle es nicht nur an Therapie- und Betreuungsplätzen, sondern auch an BeratungslehrerInnen und SchulpsychologInnen. Petra Vorderwinkler, Eva Maria Holzleitner und Philip Kucher (SPÖ) fordern Mittel für eine angemessene Ausstattung schulischer und außerschulischer psychologischer Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche sowie langfristige Strategien. ÖVP-Abgeordnete Gertraud Salzmann wies darauf hin, dass es bereits viele Projekte gebe. Sie betonte, dass man sich des Themas auch weiterhin annehmen werde, und stellte einen Vertagungsantrag, der mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen wurde.

NEOS: mehr multiprofessionelles Unterstützungspersonal für Schulen

Auch NEOS sehen eine Aufstockung von Unterstützungspersonal an Schulen angesichts der Corona-Krise jetzt dringender denn je, da während der Lockdowns Belastungen wie Depressionen, Ängste und Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen stark angestiegen seien. Für ein funktionierendes Miteinander an Schulen brauche es nachhaltige, multiprofessionelle Unterstützung durch Schulsozialarbeit, Schulpsychologie und SchulärztInnen. Die NEOS fordern (1786/A(E)) daher, dass das multiprofessionelle Unterstützungspersonal an Schulen umgehend aufgestockt wird, erklärte NEOS-Mandatar Yannick Shetty. Der Antrag wurde neben den NEOS nur von der SPÖ unterstützt und blieb damit in der Minderheit.

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS gegen Gender-Stereoptype im Schulunterricht

Im Zuge der Überarbeitung von Schulbüchern und anderen Lehrmaterialien sowie in den Curricula angehender LehrerInnen solle darauf geachtet werden, dass geschlechtsspezifische Rollenbilder überwunden werden. Darauf drängen Maria Theresia Niss (ÖVP), Sibylle Hamann (Grüne), Martina Künsberg Sarre (NEOS) und Gertraud Salzmann (ÖVP) im Vorfeld der nächsten Lehrplanrevision (1929/A(E)). Durch die Abkehr von Gender-Stereotypen sowohl in Schulbüchern als auch in der PädagogInnenausbildung erwarten die Antragstellerinnen ein gesteigertes Interesse bei Burschen und Mädchen für geschlechtsatypische Berufsfelder. Dementsprechend sei auf Gender-Sensibilisierung in den Ressourcen-, Ziel- und Leistungsplänen der Pädagogischen Hochschulen und der Universitäten zu achten. Neben den AntragstellerInnen sprach sich auch Nurten Yilmaz im Ausschuss für den Antrag aus. Sie sei nur leicht irritiert, dass ihre Fraktion nicht angefragt wurde, die Entschließung mitzutragen, der völlig auf SPÖ-Linie liege, sagte sie. ÖVP-Abgeordnete Salzmann erklärte, der Grund sei Zeitdruck gewesen. Der Antrag wurde von allen Fraktionen außer den Freiheitlichen befürwortet.

Mit in Verhandlung stand dabei ein wieder aufgenommener Entschließungsantrag der NEOS (1603/A(E)). Sie machen darauf aufmerksam, dass in Lehrmaterialien wie Schulbüchern noch immer traditionelle Rollenbilder von Frauen und Männern übermittelt werden. Der Bundesminister soll daher eine Evaluation der Schulbücher, Lehr- und Lernmaterialien in Kindergärten und Schulen hinsichtlich stereotyper Geschlechterrollen durchführen. Der Antrag wurde mit dem Drei-Parteien-Antrag miterledigt.

SPÖ und NEOS: Chancenindex für mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem

Das Modell des Chancenindex, bei dem sozioökonomische Faktoren eines Schulstandorts über die Höhe der ihm zugeteilten Budgetmittel entscheiden, ist Thema von Anträgen der SPÖ und der NEOS. Beide Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt, nachdem ÖVP-Abgeordneter Johann Weber einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Die Behauptung, dass die Bundesregierung nichts unternehme, stimme einfach nicht. Allerdings sollte man die Evaluierung des Projekts "100 Schulen – 1000 Chancen" abwarten. Bundesminister Heinz Faßmann hielt fest, dass es den Bundesländern bereits möglich sei, bei der Ressourcenverteilung Schwerpunkte zu setzen.

Nach Meinung von Petra Vorderwinkler (SPÖ) müsste der Chancenindex rasch flächendeckend umgesetzt werden, um SchülerInnen die gleichen Möglichkeiten in ihrer Schullaufbahn zu bieten (1896/A(E)). Das mit 100 Schulen gestartete Pilotprojekt zur Ressourcenzuteilung an Schulen sei hier unzureichend, befand sie. Vielmehr müsse die finanzielle Bedeckung des Mehrbedarfs von zumindest 5.000 zusätzlichen LehrerInnen vor allem an Volksschulen sichergestellt werden.

Seitens der NEOS unterstützte Abgeordnete Künsberg Sarre die Forderung ihrer Fraktion, den Chancenindex flächendeckend und bundesweit an österreichischen Schulen umsetzen (1787/A(E)). Durch die Corona-Krise sei deutlich geworden, dass Bildungserfolg in Österreich in hohem Maße vom Elternhaus geprägt werde und die Bildungschancen daher ungleich verteilt seien.

SPÖ für Ausbau ganztägiger Schulformen

Eine weitere Initiative in Richtung Chancengleichheit im Bildungssystem setzt SPÖ-Abgeordnete Petra Vorderwinkler in einem weiteren Antrag (1897/A(E)). Sie fordert ausreichend Bundesmittel für den Ausbau ganztägiger Schulformen mit kostenlosem Mittagessen. Ein Rechtsanspruch auf einen derartigen Schulplatz im Umkreis von 20 km wäre ihr zufolge notwendig. Weiters fordert sie rechtlichen Anspruch auf Kinderbetreuungsplätze ab dem ersten Lebensjahr und auf Sommerschulen ein. Ziel müsse sein, allen Kindern unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund die gleichen Rahmenbedingungen zum Wissenserwerb zu bieten. Auch dieser Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt. Aus Sicht von Gertraud Salzmann (ÖVP) besteht bereits ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass es letztlich am Schulerhalter liege, ob eine Ganztagsschule errichtet werde. Ihr Vertagungsantrag wurde von ÖVP und Grünen angenommen.

SPÖ spricht sich für Reha-Klassen und -Schulen aus

Weil einige Kinder und Jugendliche aufgrund ihres gesundheitlichen oder psychischen Zustandes nicht in der Lage seien, das Regelschulsystem zu besuchen, gebe es Heilstättenschulen, zeigt die SPÖ in einem Entschließungsantrag (1807/A(E)) auf. Insbesondere bei sogenannten "Systemsprengern", also sozial und emotional beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen, stoße das System an seine Grenzen. Für solche Fälle brauche es "Reha-Klassen" oder "Reha-Schulen", die sich vor allem an SchülerInnen mit psychiatrischer Diagnose richten. Dort könnte in Kleingruppen mit multiprofessionalen Teams, etwa LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PflegerInnen, TherapeutInnen, ÄrztInnen und ExekutivbeamtInnen, mit neuen pädagogischen Ansätzen gearbeitet werden. Die SPÖ will den Bildungsminister daher auffordern, ein Konzept zur bundesweiten Einführung von "Reha-Klassen" und langfristig von "Reha-Schulen" vorzulegen.

Petra Vorderwinkler (SPÖ) erklärte, dass der Antrag auf einen Hilferuf der Einrichtungen reagiere, die gerade in der Pandemie überfordert seien und nicht alle Kinder aufnehmen könnten. Brigitte Hamann (Grüne) erwiderte, das Problem sei bekannt und werde auch beachtet. Das Thema sei jedoch komplex, zudem sollte das Ziel der Inklusion nicht aus den Augen verloren werden, begründete sie ihren Vertagungsantrag. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in die Warteschleife geschickt. (Schluss Unterrichtsausschuss) sox


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