Parlamentskorrespondenz Nr. 1103 vom 12.10.2021

Sondersitzung des Nationalrats: Misstrauensantrag gegen Finanzminister Blümel abgelehnt

Debatte über SPÖ-Dringliche zu mutmaßlicher Involvierung in Aufträge für Inserate, Umfragen und Studien

Wien (PK) – Im Rahmen der heutigen Sondersitzung des Nationalrats brachte die SPÖ eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Gernot Blümel betreffend "'System Kurz' - Missbrauch von Steuergeld zu persönlichen Zwecken und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe" ein. Nach dem Statement von Anfragesteller Kai Jan Krainer sowie der Beantwortung des Finanzministers, der die Vorwürfe zurückwies, steckten die Parlamentsfraktionen ihre Positionen ab. Mit insgesamt 46 Fragen an den Finanzminister verlangten die SozialdemokratInnen Aufklärung über dessen Einbindung in die "Beauftragung und Verwertung von Umfragen", in die Praxis von Inseratenvergaben und der Beauftragung von Studien.

Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag gegen den Finanzminister fand keine Mehrheit. Gernot Blümel sei ein wesentlicher Teil des "Systems Kurz". Dieses sei offensichtlich dazu bereit, Steuermittel für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Personen mit einer solchen Gesinnung könnten nicht das Vertrauen des Nationalrats genießen, so Antragsteller Christoph Matznetter (SPÖ).

Weitere Anträge der Opposition abgelehnt

Die im Laufe der Debatte eingebrachten Entschließungsanträge der Oppositionsparteien wurden mehrheitlich abgelehnt. So forderten SPÖ, FPÖ und NEOS eine Neuregelung von Inseratenvergaben. Ein Medienfreiheits- und Transparenzpaket gegen "Inseratenkorruption und Message-Control" stand im Mittelpunkt der SPÖ-Forderung. Die Freiheitlichen setzen sich für einen "Kostendeckel" für Regierungsinserate, eine Koppelung der Inseratenvergabe an die Reichweite der Medien und einen jährlichen Evaluierungsbericht ein. Geht es nach den NEOS, sollen die Ausgaben für Inserate von öffentlichen Stellen "drastisch" reduziert und im Gegenzug dafür die Presseförderung erhöht werden.

Außerdem traten die SozialdemokratInnen für ein Löschverbot von Handydaten von AmtsträgerInnen der Republik ein, während die FPÖ für eine Auflösung der COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) und die Übertragung von deren Aufgaben an das Finanzministerium forderte. Die FPÖ kritisiert darin lange Wartezeiten für Unternehmen auf Corona-Hilfen sowie mangelnde Einspruchsmöglichkeiten gegen Entscheidungen der COFAG.

SPÖ: Blümel als Kurz-Vertrauter weiterhin an den entscheidenden Schaltstellen der Macht

"Sie haben gerade ein Meisterbeispiel gesehen, wie man auf sehr kritische Fragen keine Antworten geben kann", hielt Christoph Matznetter (SPÖ) zur Anfragebeantwortung des Finanzministers fest, der davor die Vorwürfe der SPÖ zurückgewiesen hatte. Als "Kurz-Vertrauter" tauche Blümel "überall" auf und sitze weiterhin an den "entscheidenden Schaltstellen der Macht". In Bezug auf den Vorwurf der Inseratenfinanzierung durch das Finanzministerium forderte Matznetter den Ressortchef auf, den "klaren Auftrag" zur Wiederbeschaffung des womöglich veruntreuten Geldes zu geben. Der SPÖ-Mandatar nahm zudem beide Regierungsparteien in die Pflicht. Einerseits müsse sich die ÖVP von der Gruppe rund um Sebastian Kurz "klar" abgrenzen, andererseits müssten die Grünen beim Misstrauensantrag gegen Blümel mitstimmen. Dieser sei genauso "untadelig" wie Alt-Kanzler Kurz, da es bei ihm etwa auch eine Hausdurchsuchung gegeben habe, so Matznetter.

Seine Fraktionskollegin Selma Yildirim (SPÖ) schlug in die selbe Kerbe. Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit würden im Raum stehen. Die deshalb stattgefundenen Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, Finanzministerium sowie der ÖVP-Zentrale seien in der Zweiten Republik unvergleichlich. Es brauche nun "so schnell wie möglich volle Aufklärung". Yildirim bezweifelte, dass der alleinige Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler ausreiche, um Österreich vor dem "System Kurz" zu schützen. Julia Elisabeth Herr (SPÖ) ergänzte, dass die ÖVP zu einer Partei geworden sei, in der Politik käuflich sein würde. Noch dazu würden die jetzigen Ermittlungen enthüllen, dass in diesem System die Bevölkerung "für die eigene Volksverblödung durch Fake News" auch noch zahlen müsse. Die staatspolitische Krise sei noch nicht vorbei, da das "System Kurz" noch nicht zu Ende sei. Doch der nächste Untersuchungsausschuss dazu würde kommen, unterstrich Herr.

ÖVP: Peinliche Anfrage mit verdrehten Sätzen

Statt einen Misstrauensantrag zu stellen, arbeite die ÖVP für Österreich, betonte Gabriela Schwarz (ÖVP). Der Finanzminister werde morgen ein Budget präsentieren, in dem etwa Familien entlastet, Ökologisierungsschritte gesetzt sowie Wenig-Verdienende entlastet würden. Ohne das Budget würde es zudem keine Corona-Hilfen oder die Unterstützung für Arbeitslose geben. Sie erwarte sich ein "gemeinsames Miteinander, um Österreich weiterhin gut durch die Pandemie zu bringen", so die ÖVP-Abgeordnete.

Auch Karlheinz Kopf (ÖVP) ritt zur Verteidigung von Finanzminister Blümel aus. Dieser habe "in der nun schon lange andauernden COVID-19-Krise mit klug gestalteten Wirtschaftshilfen großen Schaden verhindert". Kopf bezeichnete die Dringliche Anfrage als "peinlich", mit der seitens der SPÖ versucht werde, mit "verdrehten Sätzen" Herleitungen zu Blümel zu schaffen. Dieser sei in den Jahren 2016 und 2017 aber nicht Finanzminister gewesen. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz wäre es laut Kopf besser gewesen, auf die parlamentarische Anfrage zu verzichten und den Finanzminister "seine Arbeit für das Land machen zu lassen". Gabriel Obernosterer (ÖVP) empörte sich über den Verlauf der Sondersitzung. Er habe in seinen 15 Jahren im Hohen Haus noch keine Sitzung erlebt, die derartig von "Hass und Unwahrheiten unter dem Schutz der Immunität" geprägt gewesen sei.

FPÖ: Finanzminister ist konkrete Antworten schuldig geblieben

"Sie sind seit Langem rücktrittsreif", konstatierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) in Richtung des Finanzministers. Dieser schade wie der ehemalige Bundeskanzler Kurz dem Ansehen der Republik. Zudem habe Blümel im Zeitraum 2017 bis 2019 als Medienminister eine entscheidende Rolle gespielt. Die bekannt gewordenen Chats würden darüber hinaus belegen, das Blümel "eng" mit dem im Zentrum der Ermittlungen stehenden Thomas Schmid gewesen sei. Was die Anfragebeantwortung Blümels betrifft, kritisierte die FPÖ-Mandatarin, dass der Finanzminister konkrete Antworten schuldig geblieben sei. Etwa, ob er Wahrnehmungen dazu habe, in wie weit seit der letztwöchigen Hausdurchsuchung Akten und Daten im Finanzministerium gelöscht wurden.

Christian Ragger (FPÖ) wies auf weitere Verstrickungen der ÖVP in verschiedenen Medienunternehmen hin und sprach dabei von "Ansätzen einer mafiösen Organisation". Außerdem kritisierte er, dass Mittel der COFAG ohne parlamentarische Kontrolle ausgeschüttet worden wären. Sein Fraktionskollege Gerald Hauser (FPÖ) verurteilte ebenfalls den aus seiner Sicht getätigten Versuch der Regierung, "über Inserate Macht zu erkaufen".

Grüne: Es geht um die Gewährleistung von Aufklärung und Stabilität

Mit dem Rücktritt von Sebastian Kurz sei der ursprüngliche Grund für die Sondersitzung hinfällig, unterstrich Sigrid Maurer (Grüne). Zudem sei der Misstrauensantrag obsolet, da Finanzminister Gernot Blümel in den aktuellen Ermittlungen nicht als Beschuldigter geführt werde. Sollte es in einem anderen Verfahren rund um die Causa Casinos zur Anklageerhebung kommen, stehe sie zu Ihrer Aussage, dass dann ein Rücktritt Blümels "fällig sei", so die Klubobfrau der Grünen. Nun gehe es aber um die Gewährleistung von Aufklärung und Stabilität. Zweiteres sei durch den Rücktritt von Kurz bereits erfolgt. Aufklärung habe durch die unabhängige Justiz sowie durch einen künftigen Untersuchungsausschuss zu erfolgen.

Nina Tomaselli (Grüne) betonte, dass die nur zwei Jahre nach dem Ibiza-Video nun aufgetauchten Chats belegen würden, dass der innerste Kreis um Sebastian Kurz aus "Machtlust das eigene Fortkommen über das Wohl des Landes" stelle. Dies beschädige nicht nur die ÖVP, sondern zerstöre nachhaltig das Vertrauen in die gesamte Politik. Das Strafrecht könne nicht das Kriterium für die Würde eines politischen Amtes sein, es gehe vielmehr um Glaubwürdigkeit und Integrität, wobei es für die Betroffenen der Anschuldigungen nun heiße: "System overload – game over".

NEOS: System Kurz" steht für Demokratierverrat

Der Finanzminister spiele im "System Kurz" eine "entscheidende und zentrale Rolle" und sei einer der engsten Vertrauten des ehemaligen Kanzlers, so Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). Zudem komme Blümel sehr wohl in Chats in der aktuellen Causa vor. Laut Hoyos-Trauttmansdorff geht es nun darum, "diese Sümpfe trocken zu legen". Er habe dazu auf die Bereitschaft der ÖVP gehofft. Dem "System Kurz" gehe es aber anstatt um "Veränderung für Österreich" nur um "Macht, Macht und noch mehr Macht, befand der NEOS-Madatar.

Henrike Brandstötter (NEOS) kritisierte den "rotzfrechen Umgang des türkisen Systems" mit den staatlichen Institutionen, aber vor allem auch mit Presse und Medien. "Interventionen in Redaktionen, das Fälschen von Umfragen und das Erkaufen einer untertänigen Berichterstattung" sei alles Teil dieses Systems gewesen, welches für Brandstötter vor allem durch eine außerordentliche "Hybris" gekennzeichnet sei. Generell sei die freie und unabhängige Medienlandschaft aufgrund der Inseratenpolitik der letzten Jahrzehnte gefährdet, weshalb man auch hier für eine "Politik der sauberen Hände" sorgen müsse. Stephanie Krisper (NEOS) sprach davon, dass Sebastian Kurz und sein Umfeld sich zuerst die Macht in seiner Partei und anschließend, durch die unzulässige Überschreitung der Wahlkampfkosten, die Wahl gekauft habe, was einen Demokratierverrat darstelle. (Schluss Nationalrat) med/wit/pst

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.