Parlamentskorrespondenz Nr. 1279 vom 16.11.2021

FPÖ fordert in Dringlichem Antrag Plan B gegen Corona

Hitzige Debatte im Nationalrat zu Corona-Maßnahmen, keine Mehrheit für Misstrauensanträge

Wien (PK) – Mit einem Dringlichen Antrag machte die FPÖ heute die Corona-Maßnahmen der Regierung zum Thema im Nationalrat. Die Freiheitlichen kritisierten den Lockdown für Ungeimpfte scharf und forderten einen gänzlich anderen Kurs in der Corona-Politik, einen "Plan B". Bundeskanzler Alexander Schallenberg verteidigte die Maßnahmen, die man nicht leichten Herzens erlassen habe. Das klare Ziel sei, die niedrige Impfquote zu steigern. Der Antrag fand keine Mehrheit. Auch ein von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachter Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung sowie ein Misstrauensantrag der NEOS gegen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein blieben ebenso in der Minderheit wie die NEOS-Forderung nach verstärkten Impfungen in Apotheken.

Belakowitsch (FPÖ): Regierung sperrt gesunde BürgerInnen ein

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) warf der Regierung vor, gesunde BürgerInnen einzusperren und mit der 2G-Regel eine indirekte Impfpflicht eingeführt zu haben. Die Maßnahmen würden Geimpfte und Ungeimpfte, ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, Gäste und KellnerInnen spalten. Es entstehe der Eindruck, so Belakowitsch, die ÖVP wolle diese Spaltung. Aus ihrer Sicht gehe es der Regierung nicht um Wissenschaft oder Gesundheit, sondern nur um Politik.

Sie bezeichnete es zudem als Fehler, nur auf die Impfung zu setzen. Es brauche dringend eine Strategie auf zwei Standbeinen, nämlich auf Prävention und Medikation. Sie appellierte an den Bundeskanzler, die bisherige Strategie zu hinterfragen und einen neuen Weg einzuschlagen. Denn wenn es so weitergehe, werde man irgendwann öfter eine Booster-Impfung benötigen als einen Test.

In ihrem Dringlichen Antrag werfen die Freiheitlichen der Regierung falsche Versprechen in Bezug auf die Corona-Impfung und die Diskriminierung von Ungeimpften vor. Der Lockdown für Ungeimpfte ist aus Sicht der Oppositionsfraktion verfassungswidrig. Sie schlägt mit einem "Plan B" einen anderen Weg vor. Basis dafür soll eine Erhebung der Antikörper bei jedem Menschen in Österreich sein. Ab einem bestimmten, noch zu definierenden Niveau an Antikörpern habe man als immunisiert zu gelten. Bei all jenen ohne Antikörper sollen PCR-Tests durchgeführt werden, wenn Symptome auftreten. Positiv auf das Coronavirus getestete Personen sollen frühzeitig von ÄrztInnen behandelt werden. Von der Regierung fordert die FPÖ neben der Umsetzung dieses "Plan B" die Aufhebung des COVID-19-Maßnahmengesetzes und des Lockdowns für Ungeimpfte, ein Diskriminierungsverbot, ein Verbot von Kürzungen oder Streichungen von Sozialleistungen und von Kündigungen oder Nichtanstellungen von ungeimpften Personen und einen Rechtsanspruch gegen Diskriminierungen im Zusammenhang mit dem Impfstatus.

Bundeskanzler Schallenberg: Müssen beschämend niedrige Impfquote erhöhen

Bundeskanzler Alexander Schallenberg betonte, dass die Coronasituation in Österreich nach wie vor ernst sei. Das liege an der besonders ansteckenden Delta-Variante und auch an der zu geringen Impfquote. Ungeimpfte Personen seien derzeit ein wesentlicher Treiber des Infektionsgeschehens, so der Bundeskanzler. Daher habe man am Sonntag mit dem Lockdown für Ungeimpfte einen drastischen Schritt setzen müssen, den man nicht leichten Herzens gegangen sei. Schallenberg stehe zu dem klaren Ziel, ungeimpfte Personen zur Impfung zu bringen und nicht Geimpfte einzuschränken.

Ihm sei klar, dass es von der Politik ein gemeinsames Vorgehen und Klarheit in der Kommunikation brauche, so der Kanzler. Er habe sich deshalb heute mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein abgestimmt. Man wolle die Situation weiter beobachten und – falls notwendig – nachschärfen. Positive Zwischenbilanz zog er über die Einführung der 2G-Regel. Seitdem sei die Impfbereitschaft beeindruckend gestiegen. In der vergangenen Woche seien fast eine halbe Million Impfdosen verabreicht worden – so viel wie seit Juli nicht mehr. Nun seien alle gefordert, diesen Trend fortzuführen und die "beschämend niedrige" Impfquote zu erhöhen. Denn man müsse zur Kenntnis nehmen, dass das Virus nicht verschwinden werde. Die einzige Möglichkeit, damit zu leben und den Teufelskreis zu durchbrechen, sei die Impfung, so Schallenberg. An die FPÖ appellierte er in diesem Sinne zur Zusammenarbeit.

In einer kurzen Wortmeldung im Plenum gestand Gesundheitsminister Mückstein ein, dass die Regierung hinter ihrem Anspruch, an einem Strang zu ziehen, zurückgeblieben sei, verwehrte sich jedoch gegen den Vorwurf, zu wenig unternommen zu haben. Er zählte zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf und rief alle MandatarInnen angesichts der ernsten Lage zur besseren Zusammenarbeit auf.

ÖVP: Freiheitliche haben Blick für Realität verloren

Von einem Missbrauch des Freiheitsbegriffes durch die FPÖ sprachen die ÖVP-Abgeordneten Gabriela Schwarz und Claudia Plakolm. Neben dem Grundrecht auf Freiheit gebe es auch jenes auf die Gesundheit, betonte Schwarz und verurteilte die "letztklassige" Wortwahl sowie die "wissenschaftsfeindliche" Haltung der Freiheitlichen. Solidarität sei keine Einbahnstraße und zur Demokratie gehörten nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die FPÖ würde wissentlich Menschen verunsichern, die ihr vertrauen, was laut Plakolm verantwortungslos sei und einen "unglaublichen Machtmissbrauch" darstelle. Dreist seien auch die im "Plan B" angeführten Handlungsempfehlungen an das Gesundheitspersonal, da die FPÖ den Blick für die Realität auf den Intensivstationen absolut verloren hätte, erklärte Plakolm weiter. Das Herunterspielen der Pandemie sei ein Schlag ins Gesicht sowohl für das medizinische Personal als auch für Erkrankte und deren Angehörige. Dazu gehöre auch das ständige Beschwören von therapeutischen Maßnahmen gegen Covid-19, ergänzte Josef Smolle (ÖVP). Sollten wirksame Behandlungsmöglichkeiten verfügbar werden, würde deren Anwendung selbstverständlich auch gefördert. Doch bisweilen bleibe die Impfung die einzige Lösung. Neben Tausenden Krankenhausaufenthalten konnten bisher 6.118 Tote durch die Corona-Impfung verhindert werden, zitierte Werner Saxinger (ÖVP) eine Analyse der Gesund Österreich GmbH.

SozialdemokratInnen fordern Ende des "unwürdigen parteipolitischen Hickhacks"

Sowohl gegen die Argumentation der Regierung als auch jene der FPÖ richtete sich Philip Kucher (SPÖ). Beide Seiten würden die Meinungen von ExpertInnen nicht ausreichend berücksichtigen, doch die Verantwortung trage die Regierung. Österreich würde nunmehr im internationalen Vergleich beschämend dastehen, was an einem Mangel an faktenbasierter Politik sowie an einem "unwürdigen parteipolitischen Hickhack" innerhalb der Regierung liege. Auch die wahltaktischen Ankündigungen der Regierung, dass die Pandemie durch ihre Leistung beendet sei, bezeichnete Kucher als schäbig und reines "Marketing-Blabla". Die jetzige ernste Situation sei vermeidbar gewesen, wenn rechtzeitig gehandelt worden wäre, erklärte auch Cornelia Ecker (SPÖ) und plädierte an die Regierung, weniger zu streiten und stattdessen das Krisenmanagement in den Vordergrund zu stellen. Als Positivbeispiele nannte sie die Landeshauptmänner von Wien und dem Burgenland. Die "wissenschaftsfeindlichen" Aussagen mancher Landespolitiker kritisierte Reinhold Einwallner (SPÖ). Die Dankesworte der Bundesregierung an das medizinische Personal seien reine Lippenbekenntnisse und der Dank sei nicht im Budget abgebildet, meinte Melanie Erasim (SPÖ). Man müsse Impfen zu einer kollektiven Aktion machen und Polarisierung vermeiden, appellierte Alois Stöger (SPÖ).

FPÖ spricht Regierung wegen "grundlegend falscher Strategie" das Misstrauen aus

Der Freiheitliche Gerhard Kaniak bestätigte zunächst, dass die COVID-19-Lage eine ernste sei, betonte jedoch auch, dass die Lage der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit noch viel ernster sei. Der vormalige Grundkonsens, eine Überlastung der Intensivstationen möglichst zu vermeiden, sei nun einem planlosen Bestreben, die Durchimpfungsrate um jeden Preis zu erhöhen, gewichen. Die Maßnahmen hätten keinerlei Effekt auf den epidemiologischen Verlauf, konstatierte Kaniak in Hinblick auf die Pandemiesituation in Israel und Dänemark, wo trotz hoher Impfquoten eine starke vierte Welle zu bewältigen sei. Die "grundlegend falsche Strategie" der Regierung hielte einem internationalen Vergleich nicht Stand und stelle einen verhängnisvollen Irrweg dar. Deshalb sprach die FPÖ der gesamten Regierung das Misstrauen aus. Außerdem kritisierten Kaniaks FraktionskollegInnen Susanne Fürst und Peter Wurm die Kommunikation der Regierungsmitglieder, welche gezielt die "niederen Instinkte im Menschen" ansprechen würden. Sie plädierten an die Bevölkerung, sich von den "Drohungen und Einschüchterungen" nicht spalten zu lassen und warfen der Regierung eine bewusste Täuschung der BürgerInnen vor, die jedoch mittlerweile in sich zusammenbreche. Die Maßnahmen der Regierung würden an die Dreißigerjahre erinnern, meinte Christian Hafenecker (FPÖ). Gesunde Menschen würden eingesperrt, gebrandmarkt, diskreditiert und mit einem Bildungs- und Ausbildungsverbot belegt.

Grüne: "Plan B" der FPÖ ist nur ein Potemkinsches Dorf

Verbesserungspotenzial sah auch Ralph Schallmeiner von den Grünen. Dieses könne jedoch nur mit mehr Impfungen und einer Fokussierung auf Zahlen, Daten und Fakten ausgeschöpft werden. Der von der FPÖ eingebrachte "Plan B" sei keine Lösung, sondern lediglich ein "Potemkinsches Dorf", das keine einzige Ansteckung und keine Aufnahme auf die Intensivstation verhindere. Nur die Impfung würde Infektionen, symptomatische Erkrankungen und eine Überlastung der Intensivstationen verhindern, so Schallmeiner. Doch der FPÖ seien sowohl Fakten als auch die betroffenen Menschen egal. Seine Fraktionskollegin Bedrana Ribo (Grüne) kritisierte ebenfalls den "Plan B" der Freiheitlichen als nicht ausreichend, um die Pandemie effektiv zu bekämpfen. Besonders ging sie auf den Vorwurf der FPÖ ein, die Regierung würde die Gesellschaft spalten. Es sei gerade die FPÖ, die Spaltung zu ihrem Geschäftsmodell gemacht habe und von ihr lebe. Die grüne Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze bekannte sich zur Notwendigkeit erneuter Wirtschaftshilfen. Derzeit sei das Grundrecht aller Menschen auf ausreichende Gesundheitsversorgung gefährdet, erklärte Agnes Sirkka Prammer (Grüne) die Notwendigkeit der aktuellen Maßnahmen der Regierung.

Misstrauensantrag der NEOS gegen Gesundheitsminister Mückstein

Auch NEOS-Mandatar Gerald Loacker kritisierte die Argumentation der FPÖ und verwies darauf, dass ungefähr die Hälfte der freiheitlichen Abgeordneten geimpft sei, da auch sie in Wirklichkeit von der positiven Wirkung der Impfung wüssten. Doch die FPÖ bewirtschafte lediglich den Boden der Unzufriedenheit, den die Regierung durch leere Versprechungen bereitet hätte, unterstrich Loacker. Der Gesundheitsminister hätte sein Amt in einer vergleichsweise ruhigen Phase der Pandemie übernommen, in der vieles zur Vorbeugung der jetzigen Situation hätte unternommen werden können, so Loacker. Deshalb brachte er einen Misstrauensantrag gegen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ein. Darin werfen ihm die NEOS ein zu zögerliches Handeln bei der Bekämpfung der Pandemie vor. Mückstein habe den sich bereits im Juni abzeichnenden geringen Impffortschritt nicht ernst genommen und dementsprechend keine effektiven Maßnahmen gesetzt, um diesen wieder zu erhöhen. Ähnlich verhalte es sich laut NEOS mit den Booster-Impfungen. Aus wahltaktischen Motiven hinsichtlich der Landtagswahl in Oberösterreich sowie aufgrund einer "ärztelastigen Klientelpolitik", habe Mückstein nicht auf steigende Infektionszahlen reagiert und ein niederschwelliges Impfangebot (Impfen in Apotheken) unterlaufen. Generell hätte der Gesundheitsminister keine Führungskompetenz im Pandemiemanagement bewiesen und Respekt von der Opposition vermissen lassen, heißt es im Misstrauensantrag. Im Zuge der Debatte brachte Fiona Fiedler (NEOS) einen Entschließungsantrag mit der Forderung nach Corona-Impfungen in Apotheken ein, in der Hoffnung, damit die Durchimpfungsrate zu steigern. ÄrztInnen würden jeden Tag unglaubliche Verantwortung bei Entscheidungen tragen, meinte Helmut Brandstätter (NEOS) und forderte ein ebensolches Verantwortungsgefühl von der Regierung ein und kritisierte die oftmalige Wissenschaftsfeindlichkeit hierzulande. Die Regierung schränke besonders das Leben junger Menschen ein, kritisierte Martina Künsberg Sarre (NEOS) und verwies auf die Begleitschäden der Pandemie, wie überbelegte Jugendpsychiatrien. (Fortsetzung Nationalrat) kar/wit/pst

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