Parlamentskorrespondenz Nr. 1292 vom 17.11.2021

Nationalrat debattiert Budgetkapitel Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Agrarbudget soll 2022 um 3,2% auf insgesamt 3,37 Mrd. steigen

Wien (PK) - Am zweiten Tag der Budgetverhandlungen des Nationalrats stand die Untergliederung Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf der Tagesordnung. Im Budgetvoranschlag 2022 sind für diesen Bereich Auszahlungen von insgesamt 3,37 Mrd. € vorgesehen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 3,2%.

Den größten Anteil am Landwirtschaftsbudget nehmen nach wie vor die EU-Fördermittel ein. Für die Bereiche ländliche Entwicklung, Marktordung und Direktzahlungen sind insgesamt 1,61 Mrd. € vorgesehen. Dazu kommen 190,8 Mio. € für den EFRE. Weitere Budgetposten betreffen den Schutz vor Naturgefahren (250 Mio. €), das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen (191,6 Mio. €), den Tourismus (121,8 Mio. €), den Breitbandausbau (246,5 Mio. €) sowie den Waldfonds (102,5 Mio. €).

Die COVID-19-Pandemie hat im Jahr 2021 insbesondere im Tourismusbereich zu deutlichen Mehrauszahlungen geführt, die zum Großteil aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds gedeckt wurden (216,1 Mio. € bis Mitte Oktober 2021). Für 2022 und 2023 sind Krisenbewältigungs-Auszahlungen vor allem im Zusammenhang mit dem Schutzschirm für Veranstaltungen budgetiert. Der weitere Pandemieverlauf könne aber Mehrauszahlungen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds erforderlich machen, so der Budgetdienst des Parlaments in seiner Analyse.

ÖVP: Agrarbudget trägt zur Versorgungssicherheit in Österreich bei

"Das Landwirtschaftsbudget soll die Versorgungssicherheit mit hochwertigen Lebensmitteln in Österreich sichern", betonte Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) im Plenum. Dies sei der Verdienst einer erfolgreichen Agrarpolitik. Trotz der Klimakrise gehe es darum, die Produktion und den Bestand in Österreich aufrechtzuerhalten. Auch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sei ein wichtiges Standbein für die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern in Österreich. Die Betriebsgrößen der heimischen Landwirte seien im internationalen Vergleich kleinstrukturiert, was ein Verdienst der ÖVP-Agrarpolitik sei, so Schmuckenschlager. Sein Fraktionskollege Nikolaus Berlakovich forderte eine kritische Auseinandersetzung mit dem für eine nachhaltige und klimafreundliche Wirtschaftsweise verabschiedeten Green Deal der EU. Eine Folgekostenabschätzung habe ergeben, dass etwa durch die Ziele für mehr Pflanzenschutz der Import von Lebensmitteln notwendig sei. Priorität habe jedoch die Ernährungssicherung mit heimischen Lebensmitteln.

Gabriel Obernosterer (ÖVP) verteidigte die Corona-Hilfsprogramme der Bundesregierung für den Tourismus. Die aktuelle Corona-Situation sei ernst, der Finanzminister habe bei Bedarf mit insgesamt 5 Mrd. an Ermächtigungen für die Weiterführung der Maßnahmen gesorgt. Obernosterer appellierte an die Abgeordneten der FPÖ, politische Verantwortung zu übernehmen anstatt die Impfmoral zu untergraben. Franz Hörl (ÖVP) bezeichnete die aktuelle Infektionslage als katastrophal für den Tourismus, sprach sich aber gegen einen allgemeinen Lockdown aus. Es gehe nun darum, die drängenden Fragen schnell zu lösen. Dies betreffe etwa die 2G-Regelung für UrlauberInnen.

Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) meldete sich zum Breitbandausbau zu Wort. Dieser sei wichtig und dringlich und seit der verstärkten Nutzung von Homeoffice sowie von Homeschooling breit akzeptiert. Es gehe vorrangig um die Herstellung von Chancengleichheit zwischen Stadt und Land. Die Ziele für 2030 seien flächendeckende Gigabit-Anschlüsse. Lukas Brandweiner (ÖVP) freute sich über ausreichend budgetäre Mittel für den Zivildienst. Dieser sei unverzichtbar und habe positive ökonomische und soziale Auswirkungen auf das Land. Brandweiner sprach von 1 Mrd. € pro Jahr.

SPÖ: Mutloses und intransparentes Agrarbudget

"Die Kleinen verschwinden, die Großen werden immer größer. Das ist das Ergebnis der ÖVP-Agrarpolitik", kritisierte SPÖ-Abgeordnete Cornelia Ecker. Das Budget sei mutlos und werde den Bedürfnissen der heimischen Bäuerinnen und Bauern nicht gerecht. So geben es keine zusätzlichen Mittel für eine Pestizidreduktion oder für Anreiz- und Förderprogramme für Tierwohlmaßnahmen. Das Erhöhen der Direktzahlungen sei der falsche Ansatz. Ecker forderte eine "echte Herkunftskennzeichnung und ein starkes Lieferkettengesetz". Zudem sei die Budgetstruktur mit den vielen verschiedenen Aufgabenbereichen wiederholt unübersichtlich und intransparent.

Ihre Kollegin Melanie Erasim holte zur Fundamentalkritik an der Ministerin aus. Köstinger trage die Verantwortung für die aktuell "desaströse Situation" im Tourismus und forderte diese zum Rücktritt auf. Jeder Cent, der für Corona-Hilfen ausgeschüttet werden müsse, sei "ein Beweis für das Versagen der Ministerin". So gebe es keine Information über die dringend notwendigen Hilfen für den Tourismus. "Tausende" stünden vor den "Scherben ihrer Existenz". Eine Verlängerung des Härtefallfonds sei bis Jahresende ohne weitere Genehmigung durch die EU möglich, so Erasim.

FPÖ: Nur ein Bruchteil des Budgets kommt bei den Bäuerinnen und Bauern an

Peter Schmiedlechner (FPÖ) sprach von einem Budget für die Institutionen, Bürokratie, den Breitbandausbau und für die Inserate der Ministerin. Nur ein Bruchteil komme bei Bäuerinnen und Bauern an. Was die neue GAP-Periode betrifft, so habe man den Richtungswechsel für die Landwirte verabsäumt. Zudem werde der Green Deal den Strukturwandel in Österreich weiter beschleunigen. Die Folgen seien ein Einbruch der Produktion, der Rückgang der Einkommen sowie der Anstieg von Importen. Das Landwirtschaftsbudget trage jedoch nicht zur Verbesserung der prekären Lage der Betriebe bei. Zur Sicherung der heimischen Produktion brachte Schmiedlechner einen Entschließungsantrag ein, der zur Förderung von Arbeitsplätzen die Schaffung eines Sockelförderbetrages pro Arbeitskraft in der Landwirtschaft einfordert.

Auch Gerald Hauser (FPÖ) brachte in der Debatte einen Entschließungsantrag ein, der "dringend notwendige Schritte" für ein aktives Wolfsmanagement nach dem Vorbild von Schweden und Finnland beinhaltet. Wolfsrisse seien in den letzten Jahren "explodiert". Die Konsequenz sei, dass die Bäuerinnen und Bauern die Almen nicht mehr betreiben würden. Dies sei ein "immenser Verlust" für Landwirtschaft und Tourismus, so Hauser. Alois Kainz (FPÖ) vermisste eine "ordentliche Budgeterhöhung" für den Tourismus. Vor allem durch die 2G-Regerlung sei ein höherer Anstieg wichtig gewesen. Was den Waldfonds betrifft, würden von den insgesamt 350 Mio. € nur 60 Mio. € für vom Borkenkäfer geschädigte Betriebe ankommen, kritisiere Kainz.

Grüne: Landwirtschaft muss ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten

Das Budget für 2022 sei gesichert und werde in den Grundzügen weitergeschrieben, hielt Olga Voglauer (Grüne) fest. Es sei aber an der Zeit, sich den großen Fragen des Strukturwandels zu stellen. Noch immer würden zehn bis zwölf Betriebe pro Tag zusperren. Es gehe um die Absicherung der Einkommen und um den Diskurs um faire Preise, den die Klimakrise noch verschärfen werde. Für Voglauer sind die Bäuerinnen und Bauern nicht nur unmittelbare Betroffene der Klimakrise, diese müssten auch "ihren Beitrag leisten". Wer sich nur auf die Ökonomie besinne und den Klimawandel nicht berücksichtige, werde die Landwirtschaft "an die Wand fahren".

Die "wahre Bedrohung" für die Landwirtschaft seien nicht etwa höhere Auflagen für den Tierschutz, sondern das sei der Klimawandel, bekräftigte Clemens Stammler (Grüne). Der Erhalt der Biodiversität müsse deshalb oberste Priorität haben. Dazu brauche man künftig einen "Masterplan Landwirtschaft". Stammler forderte eine Umschichtung der Fördermittel in Richtung der kleinstrukturierten Betriebe, denn diese seien das Rückgrat der heimischen Landwirtschaft.

Investitionen in den Klimaschutz seien auch Investitionen für den Tourismus, unterstrich Barbara Neßler (Grüne). Ein zukunftsfitter Tourismus müsse "mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben". Was die kommende Wintersaison betrifft, hielt die Grünen-Mandatarin fest, dass niemand eine zweite Saison "kübeln" wolle. Man müsse nun auf ExpertInnen hören und die Infektionszahlen verringern. An oberster Stelle stehe die Gesundheit der Menschen.

NEOS: Es braucht große Visionen für die Zukunft

Das vorliegende Budget stehe eindeutig im Zeichen der Nachwehen der ersten beiden Corona-Jahre, betonte Julia Seidl (NEOS). Im Tourismusbereich habe man dieselben Herausforderungen wie in den letzten beiden Saisonen, was nicht "von einer steilen Lernkurve" der Bundesregierung zeuge. Die TouristikerInnen könnten sich nicht darauf verlassen, von den Hilfsprogrammen aufgefangen zu werden. Für Seidl sind die Wirtschaftshilfen weiterhin unübersichtlich, man habe es seitens der Bundesregierung verabsäumt, über den Sommer Klarheit zu schaffen.

Ihre Fraktionskollegin Karin Doppelbauer (NEOS) meldete sich zur Landwirtschaft zu Wort. Das Agrarbudget sei "uninspiriert", obwohl es für einen volkswirtschaftlichen Schlüsselsektor verantwortlich sei. Laut Doppelbauer braucht es große Visionen für die Zukunft, vor allem in den Bereichen Nahrungsmittelproduktion und Klimawandel. Die NEOS-Mandatarin sieht vor allem beim landwirtschaftlichen Fördersystem, in der Entbürokratisierung sowie in der Erschließung neuer Einkommensquellen, wie etwa der Energieerzeugung, Handlungsbedarf.

Köstinger: Corona-Krise hat gezeigt, dass auf die Bäuerinnen und Bauern Verlass ist

Im Budgetkapitel Landwirtschaft, Regionen und Tourismus seien viele unterschiedliche und große Politikbereiche vereint, die viel Bedeutung für Österreich hätten, betonte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Im Bereich der Regionen habe man den Auftrag, Chancengleichheit zwischen Stadt und Land herzustellen. Man wolle vor allem junge Menschen motivieren, in ländlichen Regionen zu bleiben. Hier sei die Digitalisierung ein entscheidender Faktor. Für den flächendeckenden Breitbandausbau stünden bis 2026 insgesamt 1,4 Mrd. € zur Verfügung.

In der Landwirtschaft würden die Budgetschwerpunkte in der Lebensmittelproduktion, der Landschaftspflege sowie im Klimaschutz im Rahmen des ÖPUL-Programms liegen. Volle Lebensmittelregale seien keine Selbstverständlichkeit. Gerade in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass sich die ÖsterreicherInnen auf die Bäuerinnen und Bauern verlassen können, so die Ministerin. Zudem setze man mit dem mit 120 Mio. € dotierten Tierwohlpaket Anreize für tierwohlgerechte Ställe. Für die Forstwirtschaft sei die Lage am Holzmarkt, der Klimawandel sowie der Borkenkäferbefall eine große Herausforderung, wo man mit dem eingerichteten Waldfonds entgegenwirken wolle. Insgesamt stünden 350 Mio. € für Wiederaufforstungsmaßnahmen sowie für eine große Holzbauoffensive bereit.

Was den Tourismus betrifft, sei dieser am allerhärtesten von der Pandemie getroffen. Man setzte aber maßgebliche Akzente im Budget. Die Corona-Hilfsinstrumente würden aber nicht im Landwirtschaftsbudget abgedeckt werden, erklärte Köstinger.

Die im Laufe der Debatte eingebrachten Anträge der Oppositionsparteien werden am Donnerstag am Ende der Budgetverhandlungen zusammen mit dem Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 abgestimmt.

(Fortsetzung Nationalrat) med

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.

Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.