Parlamentskorrespondenz Nr. 1293 vom 17.11.2021

Nationalrat debattiert über Budgets für Bildung, Wissenschaft und Forschung 2022

Koalition lobt budgetäre Schwerpunkte, Opposition hat Wünsche zu Betreuungsangebot, Fachhochschulen und COVID-19-Management

Wien (PK) – Deutliche Budgetsteigerungen sind im kommenden Jahr in den Budgetkapiteln vorgesehen, die in die Zuständigkeit von Bundesminister Heinz Faßmann fallen und über die heute im Nationalrat debattiert wurde. So werden laut dem Haushaltsentwurf 2022 und Bundesfinanzrahmen 2022-2025 im kommenden Jahr die Mittel im Bildungsbereich um 3,1% auf insgesamt 10,23 Mrd. € ansteigen. Ins Gewicht fallen hier insbesondere Personalkosten für den Schulbereich. Noch deutlicher fällt der prozentuelle Anstieg für Wissenschaft und Forschung aus, für den 5,82 Mrd. € vorgesehen sind, ein Anstieg von 6,8%, der vor allem den Universitäten zugutekommen soll. Auch die Grundlagenforschung soll auf eine gute finanzielle Basis gestellt werden.

Bildungsbudget erfährt deutliche Ausweitung der Mittel für Personal

Im Bereich Bildung wird es laut dem Budgetentwurf für 2022 eine Mittelsteigerung um 310,6 Mio. € auf 10,228 Mrd. € geben, also 3,1% mehr, als für 2021 veranschlagt waren. Ein großer Teil der Auszahlungen sind Personalkosten im weiteren Sinn: 8,5 Mrd. € oder rund 83,2 % des Bildungsbudgets sind für BundeslehrerInnen, LandeslehrerInnen und Personalleihe bzw. für als Sachaufwand budgetierte Personalkosten im Schulbereich veranschlagt. Der Kostenanstieg für Bundeslehrpersonal von 102,3 Mio. € gegenüber 2021 auf 3,77 Mrd. € im Jahr 2022 ergibt sich aus der Einrichtung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II, aus Gehaltserhöhungen, der demografischen Struktur der Lehrerschaft sowie aus dem Besoldungsschema im neuen Lehrerdienstrecht. Um etwa 100 Mio. € sollen die unter "Transferaufwand" verbuchten Leistungen für LandeslehrerInnen und das Personal berufsbildender Pflichtschulen auf rund 4,6 Mrd. € erhöht werden. Im Personalplan des Bildungsbudget-Entwurfs sind für nächstes Jahr 45.768 Planstellen vorgesehen, um 331 mehr als derzeit. Eingesetzt werden sollen die neuen Stellen vor allem in der Verwaltung von Bundesschulen – darunter fallen auch SchulpsychologInnen -, im IT-Bereich und eben für den Ethikunterricht.

Zur Bewältigung der COVID-19-Krise sind 306,4 Mio. € im Budgetentwurf vorgesehen. Neben Vorkehrungen für den Präsenzunterricht, also Antigen- und PCR-Testungen, Masken und Desinfektionsmittel zählt auch die Weiterführung des Förderstundenpakets zu den Coronamaßnahmen. Speziell durch Distanzunterricht entstandenen Lerndefiziten will man mit den zusätzlichen Förderungen beikommen.

Im internationalen Vergleich sei das österreichische Bildungsbudget zwar beachtlich, bei den erzielten Ergebnissen liege man aber weit hinten, sagte Hermann Brückl (FPÖ). Er forderte in einem Entschließungsantrag daher ein ausreichendes Budget für Aufholmaßnahmen und Förderunterricht. Brückl kritisierte auch die COVID-19-Maßnahmen an den Schulen und meinte, mittlerweile herrsche völlige Verwirrung. Der Bildungsminister müsse in seinem Bereich dafür sorgen, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, anstatt sie weiter zu vertiefen.

Die Schulen hätten "ein arges Jahr" hinter sich, aber sie sei überzeugt, dass sie gestärkt daraus hervorgehen könnten, sagte Sibylle Hamann (Grüne). Das Budget sorge für eine gute digitale Ausstattung der Schulen und fördere bei Sanierungen und Neubauten Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Hamann sah ein Budget mit sozialer Ausrichtung, das gezielt Ressourcen dorthin lenke, wo sie am meisten benötigt werden. Das Förderunterrichtspaket, das die SPÖ fordere, finde sich im Budget abgebildet, meinte Hamann. Auch werde der psychosoziale Support ausgebaut.

Das Budget enthalte zwar einige positive Maßnahmen, sagte Martina Künsberg Sarre (NEOS). Ein großer Teil des Zusatzbudgets entfalle jedoch auf Tests, Masken und Desinfektion und damit auf Gesundheitspolitik, nicht auf bildungspolitische Maßnahmen. Weder beim Chancenindex noch bei der Elementarbildung bewege sich etwas, beklagte die NEOS-Abgeordnete. Ihr Fraktionskollege Yannick Shetty betonte, es sei zwar erfreulich, dass mehr Geld für Schulpsychologie vorgesehen sei. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie würde aber noch viel mehr benötigen. Shetty sah die Belastung von Kindern und Jugendlichen als Folge eines "Totalversagens beim Pandemiemanagement". Keinesfalls dürfe das Krisenmanagement weiterhin auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen ausgetragen werden, meinte er. Der Bildungsminister solle es vor allem "nicht wagen, wieder Schulen zu schließen".

Auch Eva Maria Holzleitner (SPÖ) vermisste ein Angebot an psychologischer Betreuung für SchülerInnen. Zwar gebe es bereits gute Programme, sie müssten aber ausgeweitet werden, forderte sie. Für das Budget sei viel versprochen worden, aber was vorliege, sei weitgehend realitätsfern, kritisierte Petra Vorderwinkler (SPÖ). Sie finde darin nichts, um die in der Corona-Krise gestiegenen Herausforderungen für die Schulen zu bewältigen. Die Schulen brauchten jetzt dringend ein "Aufholpaket". Der Ausbau des schulischen Betreuungsangebots und der Ganztagsschulen stehe immer noch aus, sagte Vorderwinkler. Insgesamt lasse der Bildungsminister Führungsqualität vermissen. Faßmann müsse auch das Qualitätsmanagement seines Ressorts kritisch hinterfragen und Bildung wieder Priorität einräumen, sagte Vorderwinkler. Klaus Köchl (SPÖ) vermisste Mittel für die Lehrlingsbildung. Lehrlinge seien SchülerInnen wie alle anderen auch und hätten Anspruch auf eine gute Allgemeinbildung, betonte er.

Martina Kaufmann (ÖVP) warf NEOS-Mandatar Shetty seine Wortwahl vor und meinte, er lasse es an Respekt gegenüber denen fehlen, die alles getan hätten, damit Kinder und Jugendliche gut durch die Krise kommen, allen voran der Bildungsminister. Das Bildungssystem sei insgesamt durch den Einsatz der PädagogInnen gut durch die Krise gekommen. Es stimme einfach nicht, dass die Kinder während der Pandemie in den Schulen zu wenig gelernt hätten, sagte Kaufmann. Pessimismus sei hier nicht angebracht und nicht hilfreich. Nico Marchetti (ÖVP) lobte den Acht-Punkte-Plan für Digitalisierung. Er sah, wie auch Romana Deckenbacher (ÖVP), das Projekt "Hundert Schulen – tausend Chancen" für Brennpunktschulen als besonders vielversprechend. ÖVP-Abgeordnete Gertraud Salzmann betonte zum Thema Ganztagesschulen, ihre Fraktion stehe für Wahlfreiheit. In den letzten Jahren sei sehr viel in den Ausbau des Betreuungsangebots investiert worden, wie auch in die Aus- und Fortbildung der LehrerInnen und den Ausbau der Elementarbildung.

Rudolf Taschner (ÖVP) wies darauf hin, dass das Bildungsbudget erstmals die 10 Milliarden-Grenze überschreiten werde. Taschner hielt es für wichtig, mit Bildung auf den hohen Grad der Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich zu reagieren. Gerade den LehrerInnen falle eine entscheidende Aufgabe dabei zu, echtes wissenschaftliches Denken zu fördern. Deshalb sei auch die adäquate Ausbildung der künftigen LehrerInnen notwendig, meinte Taschner. Diese Aufgaben könnten mit Geld allein nicht gelöst werden, sie erforderten auch strategische Überlegungen. Johann Weber (ÖVP) sah die Unterstützung der Lehre mit Matura, die immer wichtiger für die Heranbildung hochqualifizierter Fachkräfte werde, als einen der Meilensteine des Budgets 2020. Die Bundesregierung sehe Bildung als beste Investition in die Zukunft, sagte Romana Deckenbacher (ÖVP). Agnes Totter (ÖVP) lobte, mit dem Bildungsbudget könne das überfällige Projekt der Digitalisierung der Schulen endlich umgesetzt werden. Dazu gehöre auch die Schaffung des Pflichtfachs "Digitale Grundbildung".

Universitäten und Grundlagenforschung erhalten mehr Mittel aus Wissenschafts- und Forschungsbudget

Die Finanzierung des tertiären Bildungsbereichs, also der österreichischen Universitäten und Fachhochschulen, sowie die finanzielle Absicherung der Grundlagenforschung gehören zu den Kernaufgaben des Budgetkapitels Wissenschaft und Forschung. Als drittes strategisches Ziel des Wissenschaftsressorts sind Maßnahmen zur Förderung einer Wissensgesellschaft zu sehen. Laut dem Budget 2022 werden die Mittel von 5,26 Mrd. € im Jahr 2021 im kommenden Jahr auf rund 5,62 Mrd. € steigen. Im Vergleich zum BVA 2021 bedeutet dies für 2022 einen Anstieg um 358,7 Mio. € bzw. 6,8 %.

Zusätzliche Mittel gehen dabei vor allem an die Universitäten, die um 268 Mio. € mehr erhalten. Aus dem Aufbau- und Resilienzplan (ARP) der EU werden ab 2022 die Maßnahmen für die Errichtung des Institutes of Precision Medicine mit 5 Mio. € sowie das Projekt Quantum Austria mit 21 Mio. € finanziert. Für die Valorisierung der Studienbeihilfe werden im Budget 20 Mio. € zusätzlich veranschlagt. Die Mittel für das IST Austria steigen um 10 Mio. €, für Strukturkooperationen und Netzwerke um 6 Mio. €. Insgesamt beträgt das Budget für die Universitäten (exklusive Klinikbauten) 4,095 Mrd. €. An die Fachhochschulen gehen 376 Mio. €, an den Forschungsförderungsfonds FWF 266 Mio. €, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) 137 Mio. €, an die Forschungseinrichtung IST Austria 91 Mio. €. Für die Studierenden in ihrer Gesamtheit sollen 306 Mio. € an Studienförderung fließen.

Die COVID-19-Impfung sei eines der deutlichsten Beispiele dafür, welche Bedeutung die Forschung habe, sagte Maria Theresia Niss (ÖVP). Auch andere Herausforderungen, wie Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung brauchten Forschung, um die in der Veränderung darin liegenden Chancen zu nützen. Zweifellos müsste der Transfer von der Grundlagenforschung zu Anwendungen besser werden. Sie wolle Österreich aber nicht schlechtreden lassen, da hierzulande außerordentliche wissenschaftliche Leistungen erbracht würden. Besser werden müsse Österreich noch beim Frauenanteil in der Wissenschaft, meinte Niss. Josef Smolle (ÖVP) wies auf die hohe Forschungs- und Entwicklungsquote Österreichs hin und meinte, nun gelte es sicherzustellen, dass der beträchtliche budgetäre Input auch Ergebnisse bringt. Er sehe gute Anzeichen, dass mit der F&E-Strategie und dem FTI-Pakt mit zentralen Forschungseinrichtungen der Forschungsoutput gesteigert werden kann. Johann Weber (ÖVP) lobte den Ausbau der Fachhochschulen, da diese sehr wichtig für das Angebot von Bildung und Ausbildung in den Regionen seien.

Auch Andrea Kuntzl (SPÖ) sah Wissenschaft und Forschung als essenziell für die Überwindung der Pandemie. Hier gelte es, auf die Expertise der Wissenschaft zu setzen, sagte sie mit Blick auf jüngste Diskussionen in der Bundesregierung. Das Wissenschaftsbudget zeige zwar einige gute Ansätze, sie hätte sich allerdings in einigen Punkten mehr erwartet. Zusagen zum Ausbau der Zahl an Fachhochschulplätzen seien nicht eingehalten worden, und die Valorisierung der Studienbeihilfe werde angesichts der hohen Inflation nicht ausreichen, meinte Kuntzl. Auch müsse der Kreis der BezieherInnen von Studienförderung deutlich erweitert werden. Katharina Kucharowits (SPÖ) schloss sich den Forderungen an. Sie vermisse im Budget auch Mittel für den Schutz von Studierenden vor Pandemiefolgen und für Studierendenheime, sagte sie. Sie werde daher weiter Mittel für Heimplätze fordern, auch wenn der Minister sich stets für nicht zuständig erkläre. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) beklagte, dass im Wissenschaftsbereich die gläserne Decke für Frauen immer noch vorhanden sei. Der Wissenschaftsminister solle mehr Ambitionen entwickeln, das zu ändern.

Eva Blimlinger (Grüne) widersprach der Kritik der SPÖ am Budget und sagte, der Ausbau der Fachhochschulen gehe, wie in den vergangenen Jahren, weiter und finde sich eindeutig im Budget wieder. Bei der Studienbeihilfe könne man sich zwar mehr wünschen, aber eine Valorisierung sei mit den zusätzlichen Mitteln möglich. Neue Leistungsvereinbarungen seien unterdessen mit fast allen Universitäten abgeschlossen und würden diesen Erhöhungen der Mittel von 7 bis 10 Prozent bringen. Damit könnten die Universitäten viele neue Projekte in Angriff nehmen. Eine markante Erhöhung der Ausstattung des Forschungsfonds FWF ermögliche es, nicht nur bestehende Programme zu fördern, sondern auch eine Exzellenzoffensive durchzuführen, ist Blimlinger überzeugt.

Martin Graf (FPÖ) befürchtete an den Hochschulen einen Ausschluss von ungeimpften Studierenden vom Bildungsangebot. Er forderte in einem Entschließungsantrag, dass Ungeimpfte nicht von Lehrveranstaltungen von Universitäten und Fachhochschulen ausgeschlossen werden dürften. Die Universitäten würden zwar etwas mehr Geld erhalten, aber damit würden keine Schwerpunkte gebildet, meinte er. Die Erhöhung der Mittel des FWF reicht aus seiner Sicht nicht aus, um alle guten Projekte tatsächlich zu finanzieren. Das müsse sich ändern, forderte Graf.

Die Erhöhung des Wissenschaftsbudgets sei zwar positiv, meinte Abgeordnete Künsberg Sarre (NEOS), vieles bleibe aber noch unklar, etwa die Zukunft der Studienplatzfinanzierung. Helmut Brandstätter (NEOS) verwies auf den Verfassungsgrundsatz, wonach Wissenschaft und Lehre frei sind. Durch Chat-Protokolle sei unterdessen bekannt, auf welche Weise ein Beamter des Finanzministeriums aus politischen Gründen die Leiter von IHS und Wifo unter Druck setzen wollte. Vor diesem Hintergrund fordere seine Fraktion in einem Entschließungsantrag eine völlige Neukonzeption der Finanzierung der beiden Forschungseinrichtungen. Ziel müsse sein, sie von politischer Einflussnahme unabhängig zu machen.

Faßmann: Mittel für Bildung, Wissenschaft und Forschung sind wichtige Zukunftsinvestitionen

Bundesminister Heinz Faßmann sagte, er verstehe zwar, dass die Opposition grundsätzlich immer mehr fordern müsse, er selbst sei sowohl mit dem Budget für Bildung als auch dem Budget für Wissenschaft und Forschung sehr zufrieden. Das Budget 2022 zeige, dass der Bundesregierung bewusst sei, dass Mittel für Bildung, Wissenschaft und Forschung wichtige Zukunftsinvestitionen darstellen. Er freue sich daher darüber, dass der Nationalrat ein solches Budget beschließen werde.

Was das Bildungsbudget angehe, so liege Österreich damit bei den Bildungsausgaben pro Kind international an vierter Stelle. Die österreichischen Schulen seien gut ausgestattet und könnten so ein gutes Lernumfeld bieten. Faßmann unterstrich, dass sein Ressort viel in die Elementarpädagogik investiere und mit den Ländern derzeit über die Ausweitung der Kofinanzierung verhandle. Österreich gebe auch viel für Förderunterricht aus, betonte der Minister. Das Budget unterstütze auch zwei neu Pflichtfächer, Ethik und digitale Grundbildung. Die Vorwürfe von Abgeordnetem Shetty könne er nicht nachvollziehen, da er selbstverständlich dem Präsenzunterricht große Bedeutung zumesse, betonte Faßmann.

Was das Wissenschaftsbudget angehe, so habe die letzte Leistungsvereinbarungsperiode eine enorme Expansion der österreichischen Universitäten erreicht, die sich fortsetzen werde. Der FWF habe noch nie über so viel Budget wie jetzt verfügt und könne mit dem Exzellenzcluster neue Schwerpunkte setzen. Auch andere Forschungseinrichtungen seien so gut wie nie zuvor ausgestattet. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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