Parlamentskorrespondenz Nr. 1296 vom 18.11.2021

Nationalrat: Arbeitsbudget legt Fokus auf Qualifizierung und Programm "Sprungbrett"

Deutlicher Rückgang der Auszahlungen um 32,8% aufgrund der Erholung am Arbeitsmarkt

Wien (PK) – Bereits von den aktuellen Meldungen über geplante regionale Lockdowns überlagert war die Nationalratsdebatte über das Budget für den Bereich Arbeit. Noch bis vor kurzem gingen die WirtschaftsexpertInnen von einer deutlichen Erholung am Arbeitsmarkt aus, was sich auch im Haushaltsvoranschlag für 2022 wiederspiegelt. Der ressortverantwortliche Minister Martin Kocher freute sich daher über Rekordwerte bei der Anzahl an Beschäftigten und der Zahl an offenen Stellen. Auch wenn trotz der starken Verschärfung der pandemischen Lage noch keine negativen Entwicklungen erkennbar seien, sei man auf alles vorbereitet, versicherte er. Vor allem die Kurzarbeit stelle weiterhin das Mittel der Wahl dar, um Schäden vom Arbeitsmarkt abzuhalten.

Über die im Laufe der Plenarberatungen eingebrachten Anträge wird am Donnerstag nach Ende der Debatten über die einzelnen Kapitel gemeinsam mit dem Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 abgestimmt. Von Seiten der SPÖ wurden etwa zusätzliche finanzielle Hilfen für Menschen, die schon lange arbeitslos sind, sowie ein Rechtsanspruch auf Freistellung für im Katastrophenschutz tätige Einsatzkräfte gefordert. Die Freiheitlichen traten im Sinne eines sogenannten COVID-19-Ausgleichs für die Auszahlung eines 30%igen Zuschlags zum Arbeitslosengeld ein.

Schwerpunkte in den Bereichen Qualifizierung, Langzeitarbeitslosigkeit und aktive Arbeitsmarktpolitik

Aufgrund der Erholung am Arbeitsmarkt kommt es in der heute zur Diskussion stehenden Budget-Untergliederung 20 zu einem deutlichen Rückgang der Auszahlungen auf rund 9,12 Mrd. €. Im Vergleich zum Jahr 2021 sind das um 4,45 Mrd. € bzw. 32,8% weniger. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass weniger Kurzarbeitsbeihilfen veranschlagt sind (-3,47 Mrd. €). Gleichzeitig gehen auch die Auszahlungen für Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und die Sozialversicherungsbeiträge zurück. Mehr Mittel sind hingegen für aktive Arbeitsmarktpolitik (+86,8 Mio. €) vorgesehen, allen voran für die Corona-Joboffensive sowie das Programm "Sprungbrett". Über mehr Ressourcen kann sich auch das AMS freuen, es erhält um 5% mehr Mittel für Personal- und Sachaufwand. Die Einzahlungen sind mit 8,04 Mrd. € budgetiert und damit um 5,7% höher als im Jahr 2021. Sie stammen im Wesentlichen aus den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen (7,76 Mrd. €), die im Vergleich zu 2021 um 6% ansteigen sollen.

SPÖ fordert Umsetzung der Aktion 40.000 und bessere Absicherung von pflegenden Angehörigen und ehrenamtlich Tätigen

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch ortete einen großen Handlungsbedarf beim Thema Langzeitbeschäftigungslosigkeit, da trotz Hochkonjunktur noch immer um 21.000 Personen mehr davon betroffen seien als vor der Krise. Obwohl die Mittel für das AMS und das Programm Sprungbrett nun höher budgetiert seien, brauche es nach Ansicht seiner Fraktion noch mehr Anreize, um vor allem den älteren Arbeitssuchenden wieder Berufsperspektiven geben zu können. Hätte man die von der SPÖ vorgeschlagene Aktion 40.000 rechtzeitig gestartet, wäre man viel besser durch die Pandemie gekommen, war er überzeugt. Dem schloss sich auch Rainer Wimmer (SPÖ) an, der vor allem bemängelte, dass viele Versprechen wie jene nach der Einführung einer Corona-Stiftung nicht eingelöst wurden. Michael Seemayer (SPÖ) setzte sich insbesondere für die bessere rechtliche und finanzielle Absicherung von pflegenden Angehörigen sowie der Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung und Katastrophenhilfe ein. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) machte auf die äußerst schwierigen Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen im Gesundheits- und Pflegebereich aufmerksam und mahnte einmal mehr die versprochene Pflegereform ein. Wichtig war ihr noch die Verlängerung der Freistellung von ungeimpften und geimpften Schwangeren sowie von Risikogruppen. In einem Entschließungsantrag setzten sich die SPÖ-MandatarInnen zudem für zusätzliche finanzielle Hilfe für Langzeitarbeitslose ein. Im Konkreten soll die Notstandshilfe in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes zumindest bis zum 30. Juni 2022 ausbezahlt werden.

ÖVP lobt Bundesminister Kocher für die richtige Schwerpunktsetzung

Ernst Gödl (ÖVP) hob die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt hervor und führte dies auf ein Bündel an Unterstützungsmaßnahmen wie etwa das Kurzarbeitsmodell zurück. Laut aktueller Monatsstatistik seien derzeit um 22.000 Menschen weniger auf Jobsuche als noch vor zwei Jahren. Auch die Anzahl an Langzeitarbeitslosen konnte seit dem Höhepunkt im April auf 114.000 reduziert werden, zeigte Gödl auf, dennoch müssten die Anstrengungen in diesem Bereich weiter verstärkt und die aktive Arbeitsmarktpolitik forciert werden. Deshalb wurden etwa das Programm "Sprungbrett" entwickelt sowie eine große Qualifizierungsoffensive eingeleitet, betonte Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP). Weiters wurden von Andreas Minnich (ÖVP) der Fachkräfte- und Mitarbeitermangel, von Tanja Graf und Rebecca Kirchbaumer (beide ÖVP) die zusätzlichen Mittel für die Lehrlingsausbildung, von Bettina Zopf (ÖVP) die Fortführung des Kurzarbeitmodells sowie von Peter Weidinger (ÖVP) die Entlastung der niedrigen EinkommensbezieherInnen angesprochen.

Grüne sehen im Umwelt- und Verkehrsbereich viele Jobmöglichkeiten mit Zukunftsperspektive

Abgeordneter Markus Koza (Grüne) sprach von erfreulichen Zahlen am Arbeitsmarkt, die sich auch im vorliegenden Budget widerspiegeln würden. Klar erkennen könne man dies an den sinkenden Ausgaben für die Kurzarbeit, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe. Richtig sei jedoch, dass es noch Probleme bei der Langzeitarbeitslosigkeit gebe, räumte Koza ein. Vor diesem Hintergrund sei die Etablierung der Corona-Joboffensive, die Mittel für Ausbildungen und berufliche Umorientierung zur Verfügung stellt, oder das Programm "Sprungbrett" mit einer Dotierung von 250 Mio. € umso wichtiger. Außerdem werden erstmals 20 Mio. € dezidiert für Arbeitsstiftungen im Umwelt- und Verkehrsbereich reserviert, strich Koza heraus. Gerade diese Sektoren, in denen es noch einen Mangel an Fachkräften gebe, würden viele Jobmöglichkeiten mit Zukunftsperspektiven bieten.

FPÖ: Wenig ambitioniertes Programm, das keine Vorsorgen für weitere Lockdowns trifft

Das vorliegende Arbeitsbudget sei eine reine Fortschreibung von Zahlen und nehme kaum Rücksicht darauf, dass es wieder zu Lockdowns kommen könne, monierte FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch. Was die Dotierung des Programms "Sprungbrett" angeht, so seien für 2022 zwar 250 Mio. € dotiert, im folgenden Jahr sehe es mit einer Reduktion auf 50 Mio. € aber schon wieder mager aus. Ein ähnliches Problem stelle sich bei der Corona-Joboffensive dar, wo für 2023 überhaupt keine Mittel mehr vorgesehen sind. Außerdem befürchtete sie, dass durch die mögliche Einführung einer Impfpflicht zahlreiche Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich mutwillig in die Arbeitslosigkeit getrieben werden. Um die finanzielle Notlage dieser Personen abzufedern, beantragte sie die Verlängerung des Bezugs der Arbeitslosenleistung bis mindestens 30. Juni 2022 sowie die Gewährung eines "COVID-19-Ausgleichs" in Form eines 30%igen Zuschlags, und zwar rückwirkend mit Stichtag 15. März 2020. Im Zusammenhang mit der Einführung der 3G-Regel am Arbeitsplatz kritisierte ihr Fraktionskollege Peter Wurm, dass sowohl die Unternehmen als auch die MitarbeiterInnen bei der praktischen Umsetzung allein gelassen wurden. Offen seien weiters zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen, falls wirklich eine allgemeine Impfpflicht kommen sollte.

NEOS treten für Reform des Kurzarbeitsmodells und des Arbeitslosengeldes ein

Offenbar habe Bundesminister Kocher das Fiasko bei der Pandemiebekämpfung vorhergesehen, mutmaßte Gerald Loacker von den NEOS, denn er habe sich im Budgetbegleitgesetz eine Verordnungsermächtigung für die unbegrenzte Mittelausschüttung für die Kurzarbeit geben lassen. Generell übte der NEOS-Mandatar Kritik daran, dass die Kurzarbeit zunehmend zu einem "Selbstbedienungsladen für die Unternehmen" geworden sei. So wurde etwa dem Opel-Werk in Aspern oder dem Flughafen Wien geholfen, MitarbeiterInnen zu behalten, die in anderen Firmen dringend gebraucht worden wären. Ein Neugestaltung des Kurzarbeitsmodells sei daher dringend notwendig. Wenig Optimismus hegte er auch bezüglich der geplanten Reform des Arbeitslosengeldes; es dürfe dabei nicht zu einem "Rosinenpicken" kommen.

Kocher setzt auf Corona-Joboffensive und spezielle Programme für Langzeitarbeitslose, junge Menschen und Frauen

Im Arbeitsbudget wurden in jenen Bereichen Schwerpunkte gesetzt, wo es notwendig war, zeigte sich Bundesminister Martin Kocher überzeugt. Er stimmte mit zahlreichen RednerInnen darin überein, dass es weitere Anstrengungen im Bereich Langzeitarbeitslosigkeit brauche. Um einen weiteren Rückgang der Zahlen zu erreichen, werden dafür daher im nächsten Jahr insgesamt 500 Mio. € aufgewendet. Die ersten Rückmeldungen ließen erkennen, dass es ein großes Interesse am Programm "Sprungbrett" gibt. Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt liege im Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen. Allein heuer hätten schon rund 60.000 Menschen von der Corona-Joboffensive profitiert; 30.000 davon hätten innerhalb von drei Monaten eine Beschäftigung gefunden. Auch im nächsten Jahr stehen laut Minister für dieses Instrument 214 Mio. € inklusive dem Bildungsbonus zur Verfügung. Um den jungen Menschen den Einstieg in den Beruf zu erleichtern, gebe es unter anderem 57 Mio. € für die Ausbildung bis 18 Jahre sowie einen eigenen Topf für die Förderung von Lehrstellen. Außerdem sei für die Förderung von Frauen das höchste Budget, das es je gegeben habe, verabschiedet.(Fortsetzung Nationalrat) sue

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