Parlamentskorrespondenz Nr. 1365 vom 30.11.2021

Neu im Justizausschuss

Regierung legt Sterbeverfügungsgesetz vor, Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung geplant

Wien (PK) - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das bisherige Verbot der Hilfeleistung beim Suizid mit Wirkung ab 1. Jänner 2022 aufgehoben. Zur gesetzlichen Neuregelung legt die Bundesregierung dem Nationalrat nun den Entwurf für ein Sterbeverfügungsgesetz sowie für Änderungen im Suchtmittelgesetz und Strafgesetzbuch vor (1177 d.B.).

Ein zentrales Anliegen des Entwurfs sei es, das vom VfGH in das Zentrum seiner Erwägungen gestellte Grundrecht auf Selbstbestimmung auszuführen und zugleich gegen damit allenfalls verbundenen Missbrauch abzusichern. Das vom Justizministerium ins Leben gerufene "Dialogforum Sterbehilfe" habe einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung der Materie geschaffen, so die Erläuterungen.

Der vorliegende Entwurf beschränke sich auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen es künftig zulässig sein soll, jemandem bei seinem Suizid Hilfe zu leisten. Rechtlich, medizinisch und ethisch bestehe ein gravierender Unterschied zwischen der Tötung einer anderen Person auf deren Verlangen - wo die Strafbarkeit nicht angetastet worden sei - und ihrer Unterstützung bei der eigenverantwortlichen Selbsttötung.

Darüber hinaus habe sich ein breiter Konsens herausgebildet, dass eine gut ausgebaute Palliativ- und Hospizversorgung den Wunsch nach frühzeitiger Beendigung des Lebens reduziert. Diese soll daher umfassend ausgebaut und erweitert werden, so die Erläuterungen.

Sicherstellung der Entscheidungsfähigkeit

Die sterbewillige Person muss laut Vorlage volljährig und entscheidungsfähig sein und an einer entsprechend unheilbaren bzw. schweren Krankheit im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes leiden. Die Entscheidungsfähigkeit muss zweifelsfrei gegeben sein. Der oder die helfende Dritte soll den Erläuterungen zufolge eine hinreichende Grundlage dafür haben, dass die sterbewillige Person tatsächlich eine auf freier Selbstbestimmung gegründete Entscheidung zur Selbsttötung gefasst hat. Der Entwurf sieht daher ein einzuhaltendes Prozedere vor. So muss eine Aufklärung über Alternativen durch zwei ärztliche Personen durchgeführt werden, von denen eine über eine palliativmedizinische Qualifikation verfügt. Bestehen Zweifel darüber, ob der Sterbewunsch in einer krankheitswertigen psychischen Störung begründet liegt, die die Entscheidungsfähigkeit ausschließt, so soll zusätzlich eine Abklärung durch eine Psychiaterin (einen Psychiater) oder einen klinischen Psychologen (eine klinische Psychologin) erfolgen. Zudem wird den Erläuterungen zufolge die sterbewillige Person über allfällige Behandlungsalternativen und palliativmedizinische Angebote informiert, sowie über die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht, über die Dosierung und Einnahme des zum Tod führenden Präparats und dessen Auswirkungen sowie über konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch und suizidpräventive Beratung.

Jene ärztliche Person, die über die Behandlungsalternativen aufklärt, habe zudem zu bestätigen, dass die sterbewillige Person entweder an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen sie in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, wobei die Krankheit in beiden Fällen einen für die sterbewillige Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen muss.

Nach Verstreichen einer Bedenkzeit ist auf zweiter Ebene eine Sterbeverfügung bei einem Notar (einer Notarin) oder einem (einer) rechtskundigen Mitarbeiter (Mitarbeiterin) der Patientenvertretungen zu errichten. Auch bei diesem Gespräch ist die Entscheidungsfähigkeit zu beurteilen und zu dokumentieren, ein umfassendes Gespräch über die im Aufklärungsgespräch thematisierten Punkte durchzuführen, auf Alternativen hinzuweisen und die sterbewillige Person insbesondere über die rechtlichen Auswirkungen ihrer Entscheidung zu belehren. Eine Sterbeverfügung kann nur wirksam errichtet werden, wenn die sterbewillige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder österreichische Staatsangehörige ist. Unmittelbar nach der Errichtung einer Sterbeverfügung ist diese an das Sterbeverfügungsregister zu melden.

Regelungen der Strafbarkeit

Die kontrollierte Abgabe eines letalen Präparats soll nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung durch für die Abgabe gelisteten Apotheken in der in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung erfolgen und ist an das Sterbeverfügungsregister zu melden. Der Entwurf sieht unter anderem auch ein verwaltungsstrafrechtlich zu ahndendes Werbeverbot für die gesamte Thematik vor. Das "Verleiten" bleibt weiterhin strafrechtlich relevant. Auch Fälle der Strafbarkeit der Hilfeleistung zur Selbsttötung werden laut Entwurf im Strafgesetzbuch geregelt. Strafbar sind demnach Suizid-Hilfeleistungen für minderjährige Personen und solche, die nicht an einer entsprechenden Krankheit im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes leiden. Ebenso strafbar ist etwa die Hilfeleistung aus einem verwerflichen Beweggrund und wenn die sterbewillige Person nicht nach dem festgelegten Prozedere ärztlich aufgeklärt wurde. (Schluss) mbu