Parlamentskorrespondenz Nr. 1384 vom 01.12.2021

Zukunft der Europäischen Union ist nicht nur Geldfrage

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Jahr der Jugend und EU-Hilfsprogramme

Wien (PK) – 2022 soll das "Jahr der Jugend" in der Europäischen Union werden. Diesen Ansatz der Europäischen Kommission zur Weiterentwicklung der EU unterstützte heute der EU-Ausschuss des Bundesrats mit einer mehrheitlich angenommenen Mitteilung an Brüssel. Begrüßt werden vor allem die Schwerpunkte "Beteiligung, Begegnung, Befähigung" in der EU-Jugendstrategie sowie der inklusive Charakter der Initiative. Aktivitäten wie die Dialogveranstaltung mit Jugendlichen unter dem Titel "Zukunft.Jugend.Europa", zu der der Bundesrat bereits am 25. Mai 2021 geladen hat und deren Beiträge auf einer multilingualen Plattform digital abrufbar sind, gehen für Ausschussobmann Christian Buchmann in die richtige Richtung: "Es ist klug, Betroffene zu Beteiligten zu machen".

Der Jahresbericht 2020 zur humanitären Hilfe der EU-Kommission stand ebenfalls zur Debatte im Länderkammerausschuss. Dabei gab es von der FPÖ Kritik, vielfach würden humanitäre Mittel an Länder fließen, mit denen kein Rücknahmeabkommen besteht. Eine dazu verfasste Stellungnahme der Freiheitlichen fand aber keine Mehrheit im Ausschuss. Elisabeth Grossmann (SPÖ/St) und Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/OÖ) betonten für ihre Fraktionen, humanitäres Engagement in Notsituationen müsse unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen der Rettung von Menschenleben dienen.

Budgetierung von "Jahr der Jugend" noch unsicher

Den politischen Fokus auf die Jugend begrüßt das Bundeskanzleramt (BKA) ebenso wie die Mehrheit im Bundesrat gerade in Hinblick auf die pandemiebedingten Entbehrungen der jungen Generationen. Ein großes Fragezeichen sieht die zuständige BKA-Vertreterin, die dem Ausschuss über das Projekt berichtete, allerdings bei der Finanzierung des "Europäischen Jahres der Jugend". Aktuell sei geplant, dass Erasmus+ und das Europäische Solidaritätskorps insgesamt rund 8 Mio. € aus den aufgestockten Kommunikationsbudgets zu seiner Umsetzung beitragen, informierte sie auf Nachfrage von Bundesrätin Elisabeth Grossmann (SPÖ/St). Aufgrund der Querschnittsmaterie sollen nach dem Vorbild des "Europäischen Jahrs des kulturellen Erbes" auch andere EU-Generaldirektionen abseits der Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur an der Umsetzung des Jahres beteiligt sein. Gespräche dazu seien im Gange. Erst nach Klärung der Finanzierungsfrage und nach den Beschlüssen darüber in Rat und EU-Parlament lasse sich die inhaltliche Ausgestaltung der Projekte konkretisieren, führte die Expertin aus.

Zu den Anmerkungen von Grossmann und Johannes Hübner (FPÖ/W), die konkrete Maßnahmen etwa im Bereich der Arbeitsmarktpolitik im Jugendjahr vermissten, meinte die BKA-Expertin, derartige Projekte seien aufgrund des engen Zeitrahmens nicht ausgearbeitet worden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe nämlich erst letzten September das "Jahr der Jugend" mit Starttermin 1.1.2022 ausgerufen. Ihre Ankündigung von etwa 3.000 Veranstaltungen in diesem Zusammenhang solle dazu beitragen, den europäischen Gedanken auch auf regionaler Ebene zu leben, so die BKA-Vertreterin: "Europa kommt in meine Gemeinde". 

Bundesrat unterstützt Jugendinitiative der EU

In ihrem Antrag auf Mitteilung unterstreichen ÖVP und Grüne, die Relevanz eines Jugendziels sei immer aus Sicht der Betroffenen festzustellen. Sinnvoll sei daher die Einbindung junger Menschen in laufende Konsultationsprozesse, etwa im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas oder dem EU-Jugenddialog. Das österreichische Parlament sei mit vier Vertreterinnen und Vertretern in der Plenarversammlung der Zukunftskonferenz vertreten, erläuterte Isabella Kaltenegger (ÖVP/St). Man plane dort insgesamt fünf Veranstaltungen mit Jugendlichen zu jeweils einem der neun großen Themen der Zukunftskonferenz-Plenarversammlung. Grundsätzlich sei Jugendpolitik eine Querschnittsmaterie, halten die BundesrätInnen in ihrem Schreiben an die EU-Kommission fest, das neben ÖVP und Grünen im Ausschuss auch SPÖ und NEOS unterstützten. Österreich setze seine in die europäischen Zielsetzungen eingebetteten Jugendziele unter Mitwirkung aller Ministerien und Stakeholder wie der Bundesjugendvertretung um.

Grundsätzlich würdigt das BKA die Bundesjugendvertretung als wichtigen Bestandteil der täglichen Jugendarbeit abseits von Schule und Beruf. Sie werde daher gemeinsam mit den LandesjugendreferentInnen, den Infostellen der Bundesländer und dem Netzwerk Offene Jugendarbeit gemeinsam mit MinisteriumsvertreterInnen die nationale Aktionsgruppe zur Umsetzung des europäischen Jahres der Jugend in Österreich bilden, erfuhr Bettina Lancaster (SPÖ/OÖ) von der Kanzleramtsvertreterin.

Jugend hauptbetroffen von Pandemie

In ihrem Vorschlag für ein Jahr der Jugend als Teil ihres Arbeitsprogramms 2022 weist die EU-Kommission auf die großen Beeinträchtigungen hin, denen junge Menschen während der COVID-19-Pandemie ausgesetzt sind. Einschränkungen in allen Lebensbereichen hätten sich "in beispielloser – und ungleichmäßiger – Weise auf die Bildung, Beschäftigung, soziale Inklusion und psychische Gesundheit" von Kindern und Jugendlichen ausgewirkt. Gleichzeitig würdigt die Kommission die Solidarität mit älteren Generationen, die Europas Jugend während der Corona-Krise durch die Akzeptanz von Ausgangssperren an den Tag gelegt hat. Vor diesem Hintergrund will die Kommission junge Menschen stärker in die Gestaltung des ökologischen und digitalen Wandels der EU einbinden. Visionen und Erkenntnisse der Jugend sollten neue Perspektiven für die Zukunft eröffnen.

Besonders Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen oder schutzbedürftigen Gruppen will die Kommission ermutigen, engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie Triebkräfte des Wandels zu werden, "inspiriert durch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu Europa". Dies erfordere allerdings ausgeweitete Möglichkeiten zur Beteiligung junger Menschen in der EU-Politik, etwa bei der Umsetzung von NextGenerationEU.

Welche Chancen die politischen Maßnahmen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene für die persönliche, soziale und berufliche Entwicklung junger Menschen in einer ökologischeren, digitaleren und inklusiveren Union eröffnen, sei verstärkt zu vermitteln. Als konkrete Maßnahmen der Jugendpolitik abseits des Jahres der Jugend nennt die Kommission in ihrem Entwurf unter anderem die mit Beginn nächsten Jahres geplante ALMA-Initiative (Aim, Learn, Master, Achieve), die ermöglicht, durch soziale Dienste im Ausland Berufserfahrung zu sammeln. Weiters trachte man mithilfe der Jugend nach einer umweltgerechteren Gestaltung von Erasmus+, des Programms "Kreatives Europa" und des Europäischen Solidaritätskorps, zumal die Jubiläumsfeierlichkeiten der EU-Mobilitätsprogramme auch im Jahr der Jugend 2022 begangen werden.

EU-Hilfen steigen wegen COVID-19, langer Konflikte und Naturkatastrophen

Corona, langandauernde Konflikte und die krisentreibenden Konsequenzen des Klimawandels sind aus Sicht des österreichischen Außenministeriums (BMEIA) Ursachen für den deutlichen Anstieg an benötigten EU-Hilfen im Jahr 2020. Bei der Ausschussdebatte über den Kommissionsbericht zu humanitären EU-Hilfen im Vorjahr erläuterte für das Außenamt ein Botschafter, mit 2,1 Mrd. € sei man 2020 über dem langjährigen Schnitt gelegen. Angesichts der Vielzahl an Krisen, die Fluchtbewegungen auslösen, erwartet er auch weiterhin eine deutliche Zunahmen erforderlicher Hilfsleistungen. Die effiziente Nutzung dieser Mittel, die kaum ausreichten, den Grundbedarf von Notleidenden zu decken, habe dabei immer oberste Priorität. Vor diesem Hintergrund wird laut BMEIA auch der Privatsektor verstärkt in die Realisierung humanitärer Hilfen eingebunden.

Bildung neuer Schwerpunkt bei humanitärer Hilfe

Deklariertes Ziel der EU sei, 10% der Hilfsgelder für Bildung einzusetzen, wies der Botschafter darauf hin, dass bewaffnete Konflikte mittlerweile durchschnittlich 17 Jahre dauern. Für Kinder und Jugendliche bedeute das, dass "17 Jahrgänge in eine Flüchtlingssituation geboren werden". Die österreichische Ratspräsidentschaft habe daher die Initiative gesetzt, Bildung auch in einer Notsituation zu ermöglichen. Ansonsten werde den betroffenen jungen Menschen durch Vertreibung die Chance genommen, ein normales Leben zu führen.

Humanitäre Hilfe kein Politikinstrument

Johannes Hübner (FPÖ/W) brachte in der Debatte über die Verteilung von Hilfsgeldern der EU einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem gefordert wird, dass humanitäre Hilfsleistungen nur noch solchen Staaten zuteilwerden, die ein funktionierendes Rücknahmeabkommen mit der EU haben. "Haarsträubend" ist für Hübner die Leistung finanzieller Hilfen an Länder, die häufig ihre illegal in Europa eingewanderten StaatsbürgerInnen nicht mehr aufnehmen wollten, wie er in dem Antrag feststellt. In der Ausschussdebatte übte Hübner außerdem Kritik an der Sanktionspolitik der USA, die von der EU in vielen Teilen der Welt gestützt werde.

Humanitäre Hilfe erfolge immer auf der Basis der Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, erinnerte der Experte des Außenamts den Freiheitlichen Bundesrat. Politische Bewertungen seien für Entscheidungen zur humanitären Hilfe daher irrelevant: "Humanitäre Hilfe ist kein Politikersatz, sie will Leben retten und Not lindern". Abgesehen davon gebe es bei Sanktionen immer humanitäre Ausnahmen, auch wenn diese oft nicht problemlos genutzt werden könnten. Außer der FPÖ stimmte niemand im Ausschuss für Hübners Antrag.

Klimafragen spielen immer mehr Rolle

Zum Thema Klimaresilienz, aufgeworfen von Marco Schreuder (Grüne/W), meinte der BMEIA-Experte, sie zu beachten, sei im Rahmen von humanitärer Hilfe nicht immer einfach. Am Beispiel der Wasserversorgung in einem Flüchtlingslager beschrieb der Botschafter die Konflikte, die beispielsweise Brunnenbohrungen in einem wasserarmen Gebiet auslösen können. Dennoch bemühe man sich, bei humanitären Hilfsleistungen Auswirkungen der Klimakrise stärker mitzubedenken. Immerhin "spare eine vorausschauende humanitäre Hilfe viel Geld", zog der Botschafter den Kreis zur Entwicklungszusammenarbeit.

EU als führender humanitärer Geber

Neben der COVID-19-Pandemie und anderen Gesundheitskrisen hätten im Vorjahr vor allem Naturkatastrophen eine Vielzahl an Hilfen erforderlich gemacht, so die EU-Kommission in ihrem Bericht. Für Millionen Menschen in mehr als 80 Ländern stellte die Kommission mit ihrer Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (GD ECHO) ihre Hilfen von 2,1 Mrd. € bereit und war damit ein führender humanitärer Geber. Die humanitäre Hilfe der EU in Bezug auf die Corona-Pandemie belief sich auf 450 Mio. €. Außerdem mobilisierte die Union als Ad-hoc-Maßnahme eine humanitäre Luftbrücke, die mit ihren 67 Flügen 20 Länder weltweit unterstützte.

Afrika hat dem Bericht zufolge einen wesentlichen Anteil der Unterstützungsleistungen erhalten, einen weiteren beträchtlichen Teil ihrer humanitären Hilfe ließ die EU den von der Krise betroffenen Menschen in Syrien und seinen Nachbarländern zukommen. Dazu wird auch die humanitäre Hilfe bei der EU-Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei gerechnet.

Die EU-Kommission hebt in ihrem Bericht weiters hervor, dass man sich auch auf die Unterstützung der von "vergessenen Krisen" betroffenen Menschen, beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan, in Pakistan, Kolumbien, Venezuela, Haiti und den Philippinen, konzentriere. Dabei setzt die EU auf eine Reihe von Maßnahmen mit Bedacht auf besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, ältere Menschen, Frauen und Menschen mit Behinderung. Die Förderung einer auf klaren Grundsätzen beruhenden humanitären Hilfe und der Achtung des humanitären Völkerrechts erklärt die Kommission abseits von finanziellen Hilfen als eine Hauptpriorität ihrer Hilfsaktivitäten. (Schluss) rei


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