Parlamentskorrespondenz Nr. 1386 vom 01.12.2021

Rechnungshofausschuss diskutiert Berichte zur Tagesbetreuung von SchülerInnen sowie zu Betreuungsverhältnissen an den Universitäten

Prüforgan empfiehlt Ausbau der schulischen Tagesbetreuung sowie bessere Betreuungsrelationen an den Universitäten

Wien (PK) - Zwei Prüfberichte, einerseits die Folgeüberprüfung zur "Tagesbetreuung von SchülerInnen" (III-361 d.B.), andererseits der Bericht "Lehre und Betreuungsverhältnisse – Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien" (III-437 d.B.) standen heute im zweiten Teil des Rechnungshofausschusses auf der Tagesordnung. Im Rahmen seiner Follow-up-Überprüfung zur Tagesbetreuung von SchülerInnen empfiehlt der Rechnungshof unter anderem, den bedarfsgerechten Ausbau im Sinne eines flächendeckenden Angebots weiter voranzutreiben. Was den Bericht zu den Betreuungsverhältnissen an den Universitäten betrifft, sehen die PrüferInnen Bedarf, Maßnahmen zur Verbesserung der Relationen zwischen Lehrenden und Studierenden zu setzen. Beide Berichte wurden vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesbetreuung von SchülerInnen: Rechnungshof empfiehlt, flächendeckendes Angebot weiter zu forcieren

Im Sommer 2020 führte der Rechnungshof eine Folgeüberprüfung zur "Tagesbetreuung von SchülerInnen" durch. Diese kommt zum Ergebnis, dass das Bildungsministerium von den ursprünglich 16 Empfehlungen des Prüforgans vier vollständig, fünf teilweise und sechs nicht umgesetzt hat. Die Umsetzung einer weiteren Empfehlung wurde zugesagt. Aufgrund dessen hat das Prüforgan neue Empfehlungen an das Bildungsministerium gerichtet.

Die PrüferInnen regen an, dass die Kompetenzzersplitterung im Bereich der schulischen Tagesbetreuung bei einer umfassenden Bildungsreform lösungsorientiert und im Sinne einer gesamthaften Betrachtung einzubringen wäre. Die komplexe Zuständigkeitsverteilung würde einen zielgerichteten Ausbau erschweren, betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Ausschuss. Zudem gehe es darum, den bedarfsgerechten Ausbau im Sinne eines flächendeckenden Angebots weiter zu forcieren, heißt es im Bericht. Im Zuge der Weiterentwicklung der schulischen Tagesbetreuung sei auf SchülerInnen aus benachteiligten Gruppen zu fokussieren, das Ministerium setze dazu jedoch keine konkreten Maßnahmen. Weiters brauche es Lösungsmöglichkeiten und gegebenenfalls gesetzliche Regelungen, um die Betreuung von SchülerInnen auch in den Ferien zu ermöglichen. Die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführte Sommerschule sei als erstes Beispiel dafür zu betrachten und dahingehend unter Berücksichtigung einer ganztätigen Betreuung zu evaluieren. Was die nachhaltige Finanzierung der ganztägigen Schulformen betrifft, sei die Einbeziehung in künftige Finanzausgleichsverhandlungen anzudenken, hielt die Rechnungshofpräsidentin im Ausschuss fest.

Den Bericht des Rechnungshofes bewertete SPÖ-Abgeordneter Andreas Kollross in der Debatte als "nicht sehr erfreulich". Er interessierte sich dafür, warum nur 4 der 16 Empfehlungen vollständig umgesetzt wurden. Kollross kritisierte das "Kompetenzwirrwarr" zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden. Man habe seitens des Bundes die selbstgesteckten Ziele zum Ausbau der Betreuung nicht erreicht. Auch Sibylle Hamann (Grüne) sprach von einer "unübersichtlichen Baustelle" im Bildungswesen und fragte nach den Plänen zum Ausbau der schulischen Tagesbetreuung. Hermann Brückl (FPÖ) interessierte sich dafür, ob es wie vom Rechnungshof vorgeschlagen Überlegungen zur Einbindung dieser Thematik bei den nächsten Finanzausgleichverhandlungen im Sinne einer nachhaltigen Finanzierung gebe. Lukas Brandweiner (ÖVP) fragte nach den Ergebnissen der Evaluierung der Sommerschulen. Martina Künsberg Sarre (NEOS) wollte wissen, warum die Finanzmittel für den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung teilweise nicht von den Bundesländern abgerufen wurden.

Es bedürfe einer nachhaltigen Finanzierung der schulischen Tagesbetreuung, die man mit einer Verankerung im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern erreichen wolle, betonte Bildungsminister Heinz Faßmann. Laut Faßmann soll die Koppelung der Ressourcen künftig auch in der Tagesbetreuung an die "Anzahl der Köpfe" gebunden sein. Damit schaffe man Sicherheit, die etwa BürgermeisterInnen zum Ausbau des Angebots brauchen würden. Die Empfehlungen des Rechnungshofes könne man grundsätzlich alle nachvollziehen, erläuterte ein Experte des Bildungsressorts. Jedoch tue man sich bei der Umsetzung der Empfehlungen mit föderalem Kontext schwerer als bei anderen. In Bezug auf die unterschiedliche Ausschöpfung der Finanzmittel sei man in Kontakt mit den Bundesländern. Es bedürfe dazu aber immer auch den Willen der Länder, so der Bildungsminister.

Bei der Evaluierung der Sommerschule habe man positive Ergebnisse aller Beteiligten zurückgemeldet bekommen, informierte Faßmann. Man wolle die Sommerschule nun in das Regelsystem übernehmen. Sie stehe für alle Kinder offen, egal ob diese als Ergänzungsunterricht oder als Betreuungsangebot genutzt werde. Was die dort tätigen Lehramtsstudiereden betrifft, wolle man deren Arbeit nach der Absolvierung des Pflichtpraktikums künftig auch finanziell honorieren.

Unterschiedliche Betreuungsverhältnisse an den Universitäten

Das Betreuungsverhältnis zwischen ProfessorInnen und Studierenden fällt an den einzelnen Universitäten und in den Studienfeldern sehr unterschiedlich aus. Das zeigt der Rechnungshofbericht "Lehre und Betreuungsverhältnisse – Universität Graz und Wirtschaftsuniversität Wien" auf. Überprüft wurden die Studienjahre 2014/15 bis 2018/19 an den beiden Universitäten.

Das Ziel von 1:40 im Betreuungsverhältnis von Studierenden zu Lehrenden sei an einzelnen Universitäten erreicht beziehungsweise sogar unterschritten worden, an großen Universitäten habe man die Vorgabe jedoch deutlich verfehlt, so das Prüforgan in seinem Bericht. So liege etwa das Betreuungsverhältnis im Studienjahr 2018/19 an der WU Wien bei rund 1:81, an der Universität Graz bei 1:48. Die große Bandbreite zeige sich auch innerhalb eines Studienfeldes. An der Universität Graz lag das Betreuungsverhältnis im Studienfeld Recht bei 1:55, an der WU Wien hatte eine ProfessorIn rund 140 Studierende im Studienjahr 2018/19 zu betreuen. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Wissenschaftsministerium, Maßnahmen zu setzen, die die Betreuungsrelationen an das Spitzenfeld der OECD-Staaten heranführen.

Was die Studienabschlüsse betrifft, sei die rückläufige Entwicklung an der Universität Graz zu analysieren und Maßnahmen zur Umkehr zu setzen. Im Prüfungszeitraum verringerten sich die Abschlüsse um 5,5%, an der WU Wien stiegen sie hingegen um 2,6%. Zudem seien vom Ministerium und den beiden Universitäten Maßnahmen zur Erhöhung der Prüfungsaktivität zu setzen, empfiehlt das Prüforgan. Nur knapp 60% aller Studierenden würden ihr Bachelor-, Diplom- und Masterstudium prüfungsaktiv betreiben. Weiters gehe es darum, die Gründe für die teilweise sinkende Lehrleistung je Vollzeitäquivalent zu analysieren und erforderlichenfalls Maßnahmen zu deren Erhöhung zu ergreifen.

Mit den Berichten zu den Betreuungsverhältnissen habe man wertvolle Basisarbeit mit einer großen Menge an Kennzahlen geleistet, betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Ausschuss. Grundsätzlich sei die Betreuungsrelation ein Indikator für die Qualität der Lehre, wobei es zwei Aspekte zu beachten gebe. Einerseits sei die Steigerung der prüfungsaktiven Studien von großer Bedeutung, wobei es laut Kraker strengere Parameter für Studierende brauche. Andererseits gebe es in der Erhöhung der Lehraktivität noch Potential nach oben sowie Unterschiede zwischen den einzelnen Universitäten.

Es gehe darum, die Betreuungsverhältnisse an den Universitäten zu verbessern, antwortete Wissenschaftsminister Faßmann SPÖ-Abgeordneter Eva Maria Holzleitner, die nach den Erkenntnissen aus dem Rechnungshofbericht gefragt hatte. Dabei stelle sich auch die Frage, welche Personen zum Lehrpersonal gezählt werden. Zudem seien die Ansprüche der Betreuungsrelation in den verschiedenen Fächern unterschiedlich zu bewerten. Der mit 1:40 vorgegebene Zielwert diene als Orientierungshilfe. Grundsätzlich könne man den Betreuungsschlüssel durch höhere Investitionen verbessern, so der Ressortchef gegenüber Eva Blimlinger (Grüne).

Zur Frage von Martina Künsberg Sarre (NEOS) nach der in der letzten Leistungsvereinbarungsperiode geschaffenen Anzahl an zusätzlichen Professuren, informierte der Wissenschaftsminister, dass es sich um 360 Stellen handle. In der kommenden Periode sei die Schaffung von weiteren 60 Professurenstellen geplant. Was die von Johann Singer (ÖVP) angesprochene geringe Studienintensität betrifft, kann man diese laut Faßmann durch "studierbare Curricula" und eine Steigerung der Verbindlichkeiten erhöhen. Er wolle die Aussagen des Rektors der Universität Klagenfurt zur Einführung einer 2-G-Regel nicht kommentieren, hielt der Wissenschaftsminister in Richtung Wolfgang Zanger (FPÖ) fest. Man habe durch die Möglichkeiten des Distance Learnings sichergestellt, dass auch ungeimpfte Studierende an den Lehrveranstaltungen teilnehmen können.

Der als Auskunftsperson geladene Rektor der Universität Graz Martin Polaschek betonte, dass man die Kritikpunkte des Rechnungshofes ernst nehme und teilweise bereits umgesetzt habe. So gebe es etwa ab 2023 ein neues Evaluierungssystem von Lehrveranstaltungen für Studierende, womit man sich eine höhere Rücklaufquote erwarte. Ebenso analysiere man den Rückgang der Studienabschlüsse. Bereits jetzt setze man dazu Maßnahmen, wie die Förderung von sogenannten "First Generation Students", also jenen Studierenden, die als erstes in ihrer Familie ein Hochschulstudium absolvieren. Zudem wolle man das Studienangebot durch stärkere Individualisierungsmöglichkeiten weiter attraktivieren. Aktuell gebe es rund 400 Professuren an der Universität Graz. Daneben würden die "Senior Lecturers" wichtige Lehrarbeit leisten. Da man möglichst viel habilitiertes Personal für die Betreuung von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten einsetzen wolle, würden diese teilweise weniger für die Abhaltung von Lehrveranstaltungen eingesetzt werden.

Die weiteren auf der Tagesordnung stehenden Rechnungshofberichte wurden ohne Debatte einstimmig zur Kenntnis genommen. Das betrifft die Berichte betreffend "Unterricht für Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung" (III-28 d.B.), "Europäischer Sozialfonds: Förderungen in Schulen und in der Erwachsenenbildung" (III-47 d.B), "Smart Minerals GmbH" (III-53 d.B.), "Geologische  Bundesanstalt" (III-106 d.B.), "Akkreditierung und öffentliche Finanzierung von Privatuniversitäten" (III-163 d.B.), "HTL Spengergasse" (III-184 d.B.), "Erasmus+; Bildung und Hochschulbildung" (III-185 d.B.), "Aufnahmeverfahren Human- und Zahnmedizin" (III-212 d.B.), "Management von Forschungsinfrastruktur" (III-290 d.B.) sowie die Folgeüberprüfungen "Ausgewählte Stiftungen bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften" (III-33 d.B) und "Beteiligungen von Universitäten an Unternehmen – Medizinische Universität Wien und Universität Linz" (III-431 d.B.).

Der zur Fristwahrung auf der Tagesordnung stehende Rechnungshofbericht betreffend "Verkehrsinfrastruktur des Bundes – Strategie, Planung, Finanzierung; Follow-up-Überprüfung und COVID-19-Auswirkungen" (III-430 d.B.) wurde einstimmig vertagt. (Schluss Rechnungshofausschuss) med


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