Parlamentskorrespondenz Nr. 1420 vom 07.12.2021

Staatssekretärin Plakolm sieht ihre Aufgabe als Impulsgeberin für Jugendthemen in allen Ressorts

Ausschuss für Familie und Jugend diskutiert Jugendstrategie und Sektenbericht über neue Entwicklungen auf dem Weltanschauungsmarkt

Wien (PK) - Der Ausschuss für Familie und Jugend diskutierte in seiner heutigen Sitzung zwei Berichte des Ressorts, die beide einstimmig zur Kenntnis genommen wurden. Ein Fokus waren die Maßnahmen, welche die Bundesregierung setzen will, um die Rahmenbedingungen für Jugendliche zu verbessern. Die Abgeordneten diskutierten diese Frage mit Ressortchefin Susanne Raab sowie dem Leiter des Kompetenzzentrums Jugend im Bundeskanzleramt Robert Lender anhand des Fortschrittsberichts 2021 zur Österreichischen Jugendstrategie. Bei dieser Gelegenheit stellte sich die neue Staatssekretärin Claudia Plakolm, die demnächst die Agenden Jugend und Generationen im Bundeskanzleramt übernehmen wird, dem Ausschuss vor.

Gemeinsam mit Ministerin Raab gab der Leiter der Bundesstelle für Sektenfragen im Familienministerium German Müller den Abgeordneten Auskünfte über aktuelle Entwicklungen in diesem Aufgabenbereich. Seit 2020 habe die Pandemie deutliche Auswirkungen auf die Arbeit der Stelle, welche den gesetzlichen Auftrag hat, sich mit allen "sektenähnlichen Aktivitäten" zu befassen, erfuhren die Abgeordneten. Verschwörungstheorien seien derzeit auf dem Vormarsch. Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen würden auch sektiererischen und verschwörungstheoretisch orientierten Gruppen ein Betätigungsfeld und eine Öffentlichkeit bieten.

Fortschrittsbericht 2021 informiert über Weiterentwicklung der Österreichischen Jugendstrategie

Die Bundesregierung plane mit ihrer Jugendstrategie, die Teil des Regierungsprogramm 2020–2024 sei, vielfältige Maßnahmen, um ideale Rahmenbedingungen für das Leben von Jugendlichen zu schaffen, sagte Familienministerin Susanne Raab. Über den Stand der Strategie informiert nun ein aktueller Bericht aus dem Familienressort (III-428 d.B.). Die Maßnahmen für junge Menschen würden unter Leitung des Kompetenzzentrums Jugend im Bundeskanzleramt gebündelt und systematisiert, erläuterte die Ministerin. Die Strategie definiere dabei vier Handlungsfelder: Bildung und Beschäftigung, Beteiligung und Engagement, Lebensqualität und Miteinander sowie Medien und Information, zu denen jeweils Ziele erarbeitet werden. Wichtig sei dabei, dass diese Ziele mit jungen Menschen bereits so genannten Reality Checks unterzogen wurden, führte Familienministerin Susanne Raab aus. Das solle auch bei allen weiteren Maßnahmen fortgeführt werden.

Die neu bestellte Staatssekretärin für Jugend Claudia Plakolm nützten die Gelegenheit zu einem Statement. Die formelle Übertragung der Agenden an sie habe zwar noch nicht stattgefunden, sagte die Staatssekretärin. Sie freue sich aber über die Gelegenheit, dem Ausschuss bereits jetzt ihre Herangehensweise an die neue Aufgabe erläutern zu können. Sie sehe Jugendpolitik als Querschnittsmaterie und in diesem Sinne ihre Rolle als Impulsgeberin für die einzelnen Ressorts, sagte Plakolm. Thema Nummer eins sei derzeit die Pandemie, die Kinder und Jugendliche besonders betreffe. Als weitere Schwerpunkte, denen sie sich widmen wolle, nannte die Staatssekretärin die Jugendziele in den Themenbereichen Ausbildung, Vorbereitung auf das Berufsleben und der Stärkung von Medienkompetenz.

Detailfragen zu den aktuellen Schwerpunkten in der Jugendstrategie und ihrer Umsetzung stellten Lukas Brandweiner (ÖVP), Eva Maria Holzleitner und Julia Herr (beide SPÖ), Barbara Neßler (Grüne), Michael Bernhard und Fiona Fiedler (NEOS) sowie Edith Mühlberghuber (FPÖ).

Familienministerin Susanne Raab verwies auf die vier Handlungsfelder, die von der Strategie abgedeckt werden. So gehe es bei "Bildung und Beschäftigung" darum, dass alle jungen Menschen ihre Talente bestmöglich entwickeln und ihre Chancen nutzen können, um den Herausforderungen der Arbeitswelt begegnen zu können. Gefördert werden sollen wirtschaftliches Denken, aber auch internationale Kompetenz sowie Interesse an Technik und den ökologischen Herausforderungen. Die österreichische Jugendpolitik wolle Instrumente für ein selbstständiges und eigenverantwortliches Leben zur Verfügung stellen, ohne zu bevormunden. Die Bereiche Gesundheit, Umwelt, Familie, Mobilität, aber auch persönliche Lebensperspektiven und die Lebenszufriedenheit würden dabei im Zentrum stehen. Jugendziele im Bereich der Bildung seien die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen und die Gestaltung von Schule als sicherem Lernort. Ein Fokus werde ferner auf Deradikalisierung junger Menschen und Hilfe für den Ausstieg aus dem gewaltbereiten Extremismus gelegt. Bundesministerin Raab verwies auf das Ausstiegs- und Deradikalisierungsprogramm "Kompass" und den Einsatz von mobilen PräventionsbeamtInnen.

Weiters soll laut Raab eine aktive, nachhaltige und sichere Kinder- und Jugendmobilität gefördert werden, um gesunde Fortbewegung zu stärken und den Weg in eine klimaneutrale Mobilitätszukunft zu ebnen. Grundsätzlich haben sich die Ressorts zum Ziel gesetzt, Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, die junge Menschen dabei unterstützen und stärken, um sich Krisen aktiv stellen zu können und sich als selbstwirksam sowie handlungsfähig zu erleben. Auch die psychosoziale Gesundheit der Jugendlichen solle gesteigert werden. Hier stelle man Materialien für Lehrpersonen zur Verfügung. Auch gehe es um die Attraktivierung der Mangelberufe in der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen und die Förderung von Projekten mit dem Fokus psychosozialen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Eine Regierungsvorlage zur Reform des Kindschaftsrechts werde gerade vom Justizministerium erarbeitet, sie erwarte, dass sie im ersten Halbjahr 2022 vorliegen werde. Außerdem soll eine aktive, nachhaltige und sichere Kinder- und Jugendmobilität gefördert werden, um den Weg in eine klimaneutrale Mobilitätszukunft zu ebnen, hier arbeite man mit dem Klimaschutzministerium zusammen. Zu den zahlreichen Maßnahmen betreffend Mobilität gehöre ein Beratungsangebot zu klimafreundlicher und gesunder Mobilität für Bildungseinrichtungen, Jugendmobilität, Verkehrssicherheit sowie die FTI-Strategie Mobilität 2040.

Da junge Menschen oft Vorreiter in der Nutzung und Aneignung neuer Technologien und Medien seien, werde verstärkt Augenmerk auf die Förderung der Medienkompetenz von Heranwachsenden, Familien und Fachpersonen der Jugendarbeit gelegt. Informationskompetenz sowie das Bereitstellen von jugendgerechter und -relevanter Information sollen helfen, Jugendliche gegen Cybermobbing, Hassrede und Fake News zu wappnen. Ein Jugendziel im Handlungsfeld Medien und Information sei das Entwickeln von Medienkompetenz, um die Teilhabe am gesellschaftlichen Dialog, die Nutzung der Technologien sowie darum, die Resilienz gegenüber demokratiefeindlicher und extremistischer Beeinflussung zu fördern und einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu gewährleisten.

Zum Umsetzungsfortschritt der Jugendstrategie hielt der Leiter der Kompetenzstelle Jugend im BKA Robert Lender fest, dass jedes Ministerium bereits eigene Maßnahmen erarbeitet und Ansprechpersonen für die Jugendstrategie benannt habe. Die Strategie zeichne sich vor allem auch dadurch aus, dass sie kein Enddatum habe, sondern laufend adaptiert werde. Sie werde in ihrer Wirksamkeit laufend optimiert und um neue Kooperationsfelder und Handlungsbereiche erweitert. Damit könne die Jugendstrategie flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren, betonte Lender. Die im letzten halben Jahr neu entwickelten Jugendziele seien Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen wie die Corona-Pandemie, Terrorismus und Klimawandel. Demnach sollen Jugendliche in ihrer Resilienz gegenüber demokratiefeindlicher und extremistischer Beeinflussung aus dem In- und Ausland gestärkt werden. Für das Jahr 2022 sei erstmals ein Umsetzungsbericht vorgesehen, der danach jährlich aktualisiert werden solle, teilte Lender den Abgeordneten mit.

Sektenbericht 2020: Corona-Krise fördert Verbreitung von Verschwörungstheorien

Gefragt wie nie zuvor war 2020 die Expertise der MitarbeiterInnen der Bundesstelle für Sektenfragen, wie einem aktuellen Tätigkeitsbericht der Stelle zu entnehmen ist (III-457 d.B.). Die COVID-19-Pandemie, die in allen gesellschaftlichen Bereichen ihre Spuren hinterlassen hat, habe maßgeblich zur weiteren Verbreitung von Verschwörungstheorien beigetragen, wie Bundesministerin Susanne Raab feststellte. Die Bundesstelle für Sektenfragen, an die sich im Jahr 2020 insgesamt 1.637 Personen gewandt haben, biete neben möglichst objektiver Information und Dokumentation auch individuelle psychosoziale Beratungen. 462 seien allein im Jahr 2020 durchgeführt worden. Die Medienanfragen an die Bundesstelle hätten zugenommen und seien ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt geworden, merkte Raab an. Hier zeige sich, dass die Stelle als Auskunftsstelle hohe Anerkennung genieße.

Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) interessierte sich für die Wahrnehmungen der Stelle zur Verbreitung von Verschwörungstheorien und wie Betroffene Beratungsangebote finden können. Barbara Neßler (Grüne) wollte wissen, welche Radikalisierungsgefahren von den Verschwörungstheorien ausgehen. Neßler thematisierte, wie auch Michael Bernhard (NEOS), die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Neßler, Bernhard und Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sprachen zudem die finanzielle Ausstattung der Bundesstelle an. Holzleitner fragte, ob die Stelle bei den Mitteln für Extremismusprävention berücksichtigt werde. Petra Wimmer (SPÖ) interessierte, ob die amorphe Szene der "Querdenker" neue AkteurInnen hervorbringe, oder ob es sich um bereits bekannte Gruppen handle, etwa die "Staatsverweigerer". Edith Mühlberghuber (FPÖ) erkundigte sich, wieso die Stelle auch das Thema "Blackout" aufgenommen habe, da es hier um eine durchaus reale Gefährdung gehe, die auch von Zivilschutz und Landesverteidigung ernst genommen werde. Auch Julia Herr (SPÖ) wollte wissen, für welche Gruppen das Thema "Blackout" besonders relevant sei.

Die Schwerpunkte der Bundesstelle würden sich an den jeweils aktuellen Fragen orientieren, die an sie herangetragen werden, erklärte Bundesministerin Raab. Hier helfe sie beratend und vermittelnd. Was die Ausstattung der Stelle betreffe, so könne sie die Schwerpunkte ihrer Arbeit derzeit abdecken. Die Mittel für Extremismusprävention würden in ihrem Ressort für verschiedene Beratungsstellen eingesetzt, darunter die Familienberatungen, an die die Bundesstelle für Sektenfragen Ratsuchende verweise.

Der Leiter der Bundesstelle für Sektenfragen German Müller führte aus, man habe bisher das Angebot nicht kürzen müssen. Mit zusätzlichen Mitteln könnte die Stelle ihr Beratungs- und Informationsangebot aber noch ausbauen. Die Pandemie habe das Thema der Verschwörungstheorien in den Fokus gerückt. In Beratungsgesprächen habe man einen hohen Leidensdruck von Angehörigen wahrnehmen können. Im Mai 2021 habe die Stelle deshalb einen eigenen Bericht zu Verschwörungstheorien veröffentlicht. Konfliktträchtige Strukturen oder potenzielle Gefährdungen sieht Müller nicht nur in religiösen oder weltanschaulichen Bereichen, sondern etwa auch im expandierenden kommerziellen Lebenshilfemarkt, der schwer zu überblickenden Esoterikszene sowie im Umfeld von Staatsverweigerern bzw. staatsfeindlichen Gruppierungen.

Schon vor dem Ausbruch der Pandemie hätten sich etwa weite Teile der Esoterik medizin- und impfkritisch gezeigt, berichtet Müller. Während der Pandemie habe diese Entwicklung einen neuen Höhepunkt erreicht. Selbstverständlich müsse man davon ausgehen, dass es sich bei den DemonstrantInnen gegen Corona-Maßnahmen vielfach um besorgte BürgerInnen aus der Mitte der Gesellschaft handle. Festzustellen sei aber auch, dass viele der Menschen, die sich mit der Querdenker-Bewegung identifizierten oder im Umfeld mit dem Verweigern von Testungen und Schutzmaßnahmen auffielen, der Esoterik-Szene angehören und dass verstärkt rechtsextreme Bewegungen, InfluencerInnen bzw. AktivistInnen auftreten und verschwörungstheoretische Inhalte verbreiten. Diese seien häufig offen oder versteckt antisemitisch. Beunruhigend sei etwa, wenn eine Umkehrung der Opferrolle mit einer Aneignung von jüdischen Symbolen wie dem Davidstern stattfinde, oder wenn unpassende Vergleiche zum Dritten Reich gezogen werden. Im Bereich "Kindeswohlgefährdung und Kinderrechte" beobachte man immer wieder Auswirkungen religiöser, weltanschaulicher oder ideologischer Vorstellungen von Eltern in Bezug auf die COVID-19-Pandemie, die etwa zu Verweigerungen von Hygiene- und Schutzmaßnahmen (z.B. Maskenpflicht) oder Corona-Testungen von Kindern und Jugendlichen führen.

Müller berichtete von zahlreichen Anfragen an seine Stelle zu gesetzlich nicht anerkannten Freikirchen bzw. freikirchlichen Gemeinschaften und zu aktuellen Entwicklungen wie dem Erstarken der rechten Esoterik, Antisemitismus und Staatsverweigerern. Das Thema "Blackout" habe die Stelle aufgrund von Medienanfragen zu sogenannten Preppern und Selbstversorgern in den aktuellen Bericht aufgenommen. Die Vorsorge gegen Störungen des Stromnetzes sei zwar eine reale Frage des Zivilschutzes, sie werde aber auch von Sekten und VerschwörungstheoretikerInnen aufgegriffen und in extreme Denksysteme eingebaut.

Ebenso wie im Vorjahr habe man besonderes Augenmerk auf die Situation von Kindern und Jugendlichen gelegt, die durch ihr Umfeld mit jenen religiösen oder weltanschaulichen Ideologien oder Vorstellungen in Kontakt kommen, die ihre Rechte beschneiden oder ein sicheres Aufwachsen und eine Partizipation in der Gesellschaft behindern oder einschränken können. Wenn es wenig Kontakte außerhalb des sozialen Umfeldes der Eltern gebe und auch der Schulbesuch umgangen werde, könne es geschehen, dass Kinder und Jugendliche in einer Art Parallelwelt aufwachsen, deren Werte und Regeln manchmal im Gegensatz zu einer liberalen modernen westlichen Gesellschaft stehen, gab Müller zu bedenken. Er sehe grundsätzlich eine Verantwortung von Personen des öffentlichen Lebens, ihre Wortwahl zu überdenken und Sorgfalt beim Umgang mit Fakten zu üben, sagte Müller. (Fortsetzung Familienausschuss) sox