Parlamentskorrespondenz Nr. 1427 vom 07.12.2021

Außenpolitischer Ausschuss diskutiert Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik

Abgeordnete sprechen sich einstimmig gegen HDP-Verbotsverfahren aus, Frauenrechte sollen in OEZA-Projekten gestärkt werden

Wien (PK) – Das Jahr 2020 sei ein außenpolitisch bewegtes Jahr gewesen, welches von der COVID-19-Krise geprägt war, betonte Außenminister Alexander Schallenberg nach seiner Rückkehr aus dem Bundeskanzleramt im Außenpolitischen Ausschuss. Die Abgeordneten debattierten heute den Außen- und Europapolitischen Bericht 2020. Auf Verlangen der SPÖ wurde dieser nicht enderledigt und steht somit im Nationalrat zur Debatte.

Zudem haben sich die Ausschussmitglieder einstimmig für die Einhaltung von politischen Rechten und demokratischen Grundfreiheiten in der Türkei und gegen ein Verbotsverfahren der HDP ausgesprochen. Mehrheitlich angenommen wurde ein Ausschussantrag, der die Stärkung von Frauenrechten und Gewaltprävention in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) einfordert. Beide Beschlüsse basierten auf Initiativen der SPÖ.

Eine NEOS-Initiative, die harte wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen Russland einfordert, falls es zu militärischen Interventionen Russlands im Osten der Ukraine kommt, wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Österreichs Außenpolitik vor zahlreichen globalen Herausforderungen

Österreich und die Welt stünden vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die weit über COVID-19 hinausreichen, heißt es im Außen- und Europapolitischen Bericht 2020 (III-482 d.B.). Neben der Bewältigung der Pandemie wird etwa der islamistische Terror oder die aufflammende Rechtsstaatlichkeitsdebatte in der EU genannt. Darüber hinaus sei Europa "von einem Ring aus Feuer umgeben", konstatiert das Außenressort angesichts von Konflikten und Krisenherden wie etwa in Belarus, in Berg-Karabach, in Syrien oder im Libanon. Hinzu komme, dass die globalen Herausforderungen wie der Klimawandel, der Umgang mit neuen Technologien, die Abrüstung, die Migration, der Kampf gegen den Terrorismus und Extremismus bis hin zu den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China nicht nachgelassen hätten. Geopolitische Spannungen würden zudem stärker als zuvor auch im Cyberraum ihren Niederschlag finden, heißt es im Bericht.

Im Zentrum der österreichischen Diplomatie stehe weiterhin die Partnerschaft innerhalb der EU sowie die transatlantischen Beziehungen. Im Rahmen einer zukunftsorientierten Amtssitzpolitik soll Österreich als Drehscheibe für zwei große Themenbereiche, nämlich die Förderung von Frieden und Sicherheit sowie die nachhaltige Entwicklung im Spannungsfeld mit Energie- und Umweltfragen wirken, so das Außenressort. Eine weitere Priorität der österreichischen Außenpolitik soll das Vorantreiben des EU-Beitrittsprozesses für die Staaten des Westbalkans sein. Weiterhin ein wesentlicher Pfeiler in Österreichs Interessens- und Außenpolitik stellen dem Bericht zufolge Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe dar.

In der Debatte begrüßte Ausschussvorsitzende Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) die Stärkung Wiens als Drehscheibe des internationalen Dialogs. Was die künftige Gestaltung der österreichischen Außenpolitik betrifft, forderte die SPÖ-Klubobfrau einen regelmäßigen Dialog zwischen den Parlamentsfraktionen und dem Minister. Ihr Fraktionskollege Harald Troch kritisierte, dass sich Österreich nur an vier von elf zivilen Missionen in Krisenregionen beteiligen würde. Zudem brauche es in Sachen "Türkeipolitik" eine Rückkehr zur Sachpolitik. Katharina Kucharowits (SPÖ) fragte nach dem Stand der Auszahlung des 20 Mio. € schweren Soforthilfepakts für Afghanistan. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sah "viele Baustellen", die außenpolitisch Sorgen bereiten würden und fragte den Außenminister nach seiner Einschätzung zur Situation an der ukrainisch-russischen Grenze. In Bezug auf die neue Führung des Iran, sprach Martin Engelberg (ÖVP) davon, dass Österreich und die EU "klare Signale" aussenden und politisch Position beziehen müssen. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) betonte die Wichtigkeit der Initiative "Refocus Austria", denn manche Türen könnten nur im Wege der Diplomatie geöffnet werden. Ihr Fraktionskollege Reinhold Lopatka interessierte sich für die Bewertung der kürzlich stattgefundenen Belarus-Konferenz in Wien.

In Bezug auf die illegale Migration seien neue Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern und der Kampf gegen Schlepper zentral, hielt FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst fest. Christian Hafenecker (FPÖ) sprach sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit EZA-Geldern aus, damit diese nicht "in die falschen Hände" kommen. Dazu brauche es eine Abkehr vom "Gießkannenprinzip" und die Einführung eines Qualitätsmanagements. Für Helmut Brandstätter (NEOS) kommt die Diskussion über den Bericht Ende 2021 zu spät, da sich die Welt schnell verändere. Zudem zeigte er sich darüber besorgt, dass weltweit nur mehr jeder vierte Staat die Werte von "Rule of Law und Demokratie" teilen würden. Seine Fraktionskollegin Henrike Brandstötter forderte eine planbare und langfristige Entwicklung des EZA-Budgets. Dem schloss sich Petra Bayr (SPÖ) an.

Schallenberg: Zusammenrücken in Krisenzeiten durch COVID-19

Er freue sich in seiner "alten neuen Funktion" wieder im Außenpolitischen Ausschuss anwesend zu sein, hielt Außenminister Schallenberg zu Beginn seiner Wortmeldung fest. 2020 sei ein außenpolitisch bewegtes Jahr gewesen, welches von der COVID-19-Krise geprägt war. Positiv bewertete Schallenberg das "Zusammenrücken in Krisenzeiten" vor allem mit den Nachbarländern. Was den Westbalkan betrifft, sprach sich der Außenminister im Sinne der Glaubwürdigkeit für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aus. So könne man dem "massiven Brain Drain" entgegnen. In Bezug auf die gerade begonnen Wiener Atomgespräche mit dem Iran und der Rolle Österreichs, betonte Schallenberg, dass er lange und zähe Verhandlungen erwarte. Da es aktuell noch keine Direktgespräche gebe, könne die Rolle Österreichs in der Weitergabe von Informationen liegen.

Was die Situation in der Ukraine betrifft, seien die russischen Truppenbewegungen "besorgniserregend", der Ressortchef erwartet jedoch kein unmittelbares Konfliktpotential. Zudem halte er nichts von einem "Krim-Donbass-Abtausch", die Krim dürfe nicht zur Verhandlungsmasse werden, so der Minister. Einen neuen Tiefpunkt in den Beziehungen gebe es zwischen Belarus und der EU, da Diktator Lukaschenko "MigrantInnen als Waffe" gebrauchen würde. Die Belarus-Konferenz sei ein Vermittlungsversuch gewesen, Moskau und Minsk hätten jedoch kein Interesse an einem Dialog mit der belarussischen Opposition. Die von der FPÖ angesprochenen Rücknahmeabkommen für MigrantInnen bezeichnete der Ressortchef als "Achillesferse Europas", da die Herkunftsländer oftmals kein Interesse an einer Rücknahme haben würden.

Zur Frage der Soforthilfegelder für Afghanistan, informierte Schallenberg, dass der gesamte Betrag von 20 Mio. € bereits ausbezahlt worden sei. Dasselbe gelte für die 3,5 Mio. € für den Libanon. Bis auf drei Personen, die jedoch freiwillig bleiben wollen, hätten alle österreichischen StaatsbürgerInnen Afghanistan verlassen. In Bezug auf die EZA-Budgetmittel gebe es seit 2018 ein kontinuierliches Wachstum, welches auch so fortgesetzt werde, betonte der Außenminister. Was Impfstoffspenden betrifft, entgegnete Schallenberg der Kritik, dass man Vakzine kurz vor der Ablauffrist weitergegeben habe. Auf die Geschwindigkeit des Verimpfens in den einzelnen Empfängerländern habe man jedoch keinen Einfluss.

Ausschussmitglieder sprechen sich einstimmig gegen ein Verbotsverfahren der türkischen HDP aus

Der Außenpolitische Ausschuss hat sich heute gegen ein Verbotsverfahren der türkischen HDP ausgesprochen. Die Basis dafür bildete ein Entschließungsantrag der SPÖ (1444/A(E)), der in der Fassung eines Abänderungsantrages von ÖVP, Grünen und SPÖ einstimmig angenommen wurde. Der Außenminister wird demnach ersucht, "weiterhin zu den Rückschritten im Bereich der politischen Rechte und demokratischen Grundfreiheiten in der Türkei klar Position zu beziehen und sich für deren Einhaltung einzusetzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die HDP, und wie bisher sowohl auf bilateraler als auch auf europäischer Ebene für den Schutz von pluralistischen und demokratischen Strukturen in der Türkei einzutreten".

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) begrüßte das gemeinsame Bemühen, dem Verbot einer demokratisch gewählten Partei im türkischen Parlament entgegenzutreten. Dem schloss sich Katharina Kucharowits an (SPÖ) an. Österreich müsse beim "Treten von Demokratie und Menschenrechten Flagge zeigen".

Stärkung von Frauenrechten und Gewaltprävention in der OEZA

In einem von ÖVP, Grünen und SPÖ mehrheitlich angenommen Ausschussantrag wird der Außenminister ersucht, im Rahmen der OEZA und humanitären Hilfe weiterhin Projekte zur Stärkung von Frauenrechten zu fördern, die insbesondere eine verbesserte Reaktion auf und Prävention von Gewalt an Frauen gewährleisten. Zudem sollen entwicklungspolitische Maßnahmen die strafrechtliche Verfolgung von Gewalt gegen Frauen sicherstellen und auf internationaler Ebene für die effektive Umsetzung entsprechender UN-Resolutionen eingetreten werden. Auch diesem Beschluss war eine Initiative der SPÖ (88/A(E)) vorausgegangen, die jedoch keine Mehrheit fand. Die SozialdemokratInnen sprechen sich darin für die Aufnahme von Präventionsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Behandlung von HIV/Aids in Projekte der OEZA ein. Zudem sollen Schritte gegen Gewalt an Frauen, insbesondere im Fall sexueller Nötigung und Vergewaltigung, weiblicher Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Frauenhandel, gesetzt werden.

Petra Bayr (SPÖ) signalisierte Zustimmung seitens der SPÖ, wenngleich der Ausschussantrag der Koalitionsparteien wenig mit dem SPÖ-Entschließungsantrag zu tun habe. Martin Engelberg (ÖVP) sprach davon, dass man das Thema weiter fassen wolle und sich zur Stärkung von Frauen auf allen Ebenen bekenne. Grundsätzlich begrüße man den Antrag, jedoch habe dieser eine Budgeterhöhung für UNHCR zur Folge, weshalb man nicht zustimmen könne, so Christian Hafenecker (FPÖ). Henrike Brandstötter begründete die Ablehnung der NEOS mit dem zu späten Einlangen des Antrags.

NEOS für territoriale Integrität der Ukraine

Die NEOS sprechen sich für harte wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen Russland aus, falls es zu militärischen Interventionen Russlands im Osten der Ukraine komme. Angesichts der weiteren Eskalation durch die russische Truppenkonzentration und dem hohen Risiko für mehr Gewalt und potentiell sogar Krieg, fordern die NEOS vom Außenminister, sich für eine Koordination der EU mit den USA bezüglich der Sanktionen und Gegenmaßnahmen einzusetzen. Eine solche Gegenmaßnahme wäre für Antragsteller Helmut Brandstätter (NEOS), die Prüfung der Möglichkeit eines Moratoriums für die Nutzung der Pipeline Nord Stream 2, solange Russland nicht die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellt und die Unversehrtheit der im Budapester Memorandum zugesicherten Grenzen vertraglich garantiert. Der Entschließungsantrag (1498/A(E)) wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Im Falle Russlands brauche es ein gemeinsames und verschärftes Vorgehen, hielt Helmut Brandstätter fest. Die territoriale Unversehrtheit der Ukraine müsse das Ziel sein, wobei eine nachhaltige Lösung nur unter Einbeziehung Russlands möglich sei, unterstrich Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Laut Harald Troch (SPÖ) soll Österreich den Dialog fördern und deeskalieren. Dem schloss sich auch Christian Hafenecker (FPÖ) an.

Ein weiterer SPÖ-Entschließungsantrag (2079/A(E)), in dem eine langfristige Aufstockung der Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit eingefordert wird, wurde dem Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zur weiteren Behandlung zugewiesen. (Schluss) med