Parlamentskorrespondenz Nr. 1438 vom 09.12.2021

Gesundheitsausschuss befürwortet Umsetzung von weiten Teilen des Tierschutzvolksbegehrens in einem Tierschutzpaket

Weitere Themen: Lebensmittelkontrolle, Qualitätssicherung und Vorbeugung von Tierseuchen

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss nahm heute die Debatte über das Tierschutzvolksbegehren wieder auf. ÖVP, Grüne und NEOS forderten die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, einen Gesetzesvorschlag für ein Tierschutzpaket vorzulegen, der weite Teile der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens umsetzt. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein nahm diese Forderungen als klaren Auftrag an die Bundesregierung entgegen.

Außerdem gaben die Abgeordneten grünes Licht für die Umsetzung von EU-Vorgaben im Bereich der Lebensmittelkontrolle und der Qualitätssicherung sowie für Maßnahmen zur Vorbeugung von Tierseuchen. Anträge der SPÖ und NEOS zur diskriminierungsfreien Blutspende wurden ebenso wie FPÖ-Forderungen für ein Schächtungsverbot und für ein Programm zur Rettung von Rehkitzen vor dem Mähtod mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Tierschutzvolksbegehren: Tieren eine Stimme geben

Den Tieren in Österreich eine Stimme geben, die keinen Schutz erhalten und Qualen erleiden, möchte das Tierschutzvolksbegehren (771 d.B.), das 416.229 mal unterzeichnet wurde. Bevollmächtigter Sebastian Bohrn Mena setzt sich damit für (verfassungs-)gesetzliche Änderungen ein, um das Tierleid zu beenden und heimische BäuerInnen, sowie Gesundheit, Umwelt und Klima zu stärken. "Für ein Österreich, das im Umgang mit Tieren vorbildlich ist", werden fünf Forderungen gestellt, die laut Antragsbegründung als Gesamtpaket zu betrachten sind. Geltend gemacht werden eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft, die Förderung des Tierwohls durch öffentliche Mittel, mehr Transparenz für KonsumentInnen, ein besseres Leben für Hunde und Katzen sowie eine starke Stimme für die Tiere.

Volksbegehren-Proponent Bohrn Mena: Tierschutz ist ein "Volksbegehren"

Es gehe um die Grundsatzfrage, wie man mit Tieren im 21. Jahrhundert umgehe, erklärte Sebastian Bohrn Mena das Anliegen des Tierschutzvolksbegehrens. Tierschutz sei ein "Volksbegehren", es berühre alle Menschen. Millionen Menschen würden sich für das Wohl von Tieren interessieren. Dementsprechend müssten diese auch in die Diskussionen einbezogen werden. Tierschutz sei in der öffentlichen und politischen Debatte zu selten ein Thema, bedauerte Bohrn Mena. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie habe aber den Stellenwert und die Auswirkungen von Tierschutz für die Gesellschaft gezeigt, da diese unmittelbar miteinander zusammenhängen würden. Ebenso seien die Klimakrise und das Artensterben "Zwillingskrisen". Artenschutz müsse daher Teil des Klimaschutzes sein. Es werde in der Diskussion immer die Verantwortung der KonsumentInnen hervorgehoben. Viel mehr Verantwortung hätte aber die Wirtschaft, erklärte Bohrn Mena. Es könne nicht sein, dass der Markt entscheide, was mit Tieren geschehe, sondern es sei eine politische Entscheidung, welche Waren unter welchen Bedingungen verkauft werden können, forderte Bohrn Mena. Die Politik solle nicht nur entscheiden, wie mit Tieren in Österreich umgegangen werde, über Kriterien für Beschaffungsvorgänge könne man dies auch weltweit beeinflussen.

ÖVP, Grüne und NEOS für Umsetzung von Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens in einem Tierschutzpaket

Maßnahmen zur schrittweisen Umsetzung der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens zu setzen, forderten Franz Eßl (ÖVP), Georg Strasser (ÖVP), Faika El-Nagashi (Grüne), Olga Voglauer(Grüne) und Fiona Fiedler (NEOS) von der Bundesregierung. Der dafür heute im Gesundheitsausschuss eingebrachte gemeinsame Entschließungsantrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS angenommen. Ein solches Tierschutzpaket solle durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen wie Marktanreize, gesetzliche Regelungen, Beratungsleistungen und Förderungen für noch mehr Tierwohl sorgen.

So forderten die Abgeordneten unter anderem ein Verbot des Schredderns von Küken, ein Ende von Vollspaltenbuchten in der Schweinehaltung bei Neu- und Umbauten und das Verbot des Exports von Schlacht- und Mastrindern in Drittstaaten. In der Landwirtschaft habe die Verbesserung der Haltungsbedingungen auch betriebswirtschaftliche Konsequenzen. Es sei daher Aufgabe der gesamten Gesellschaft, entstehende Mehrkosten über angemessene Produktpreise und öffentliche Mittel mitzutragen. Daher soll der Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung weiter vorangetrieben werden. Im GAP-Strategieplan soll ein solcher "tierwohlgerechter Zukunftsweg" der Landwirtschaft mit entsprechenden Maßnahmen begleitet, Investitionen für höhere Haltungsstandards gefördert und Anreize für die Absatzförderung von Tierwohlprodukten unterstützt werden. Augenmerk sollte den AntragstellerInnen zufolge auf eine rasche Umsetzung der Herkunftskennzeichnung gelegt werden, die in Kürze in Begutachtung sowie in EU-Notifizierung geschickt werde. Mit einer umfassenden Kennzeichnung der Herkunft tierischer Lebensmittel werde ein Lenkungseffekt in Richtung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion erzielt. Im Bereich von Hunden und Katzen sollen rechtlich bindende klare Definitionen zur Diagnose von Qualzuchtmerkmalen festgelegt werden. Basierend darauf sollen bestimmte, besonders stark mit Qualzuchtmerkmalen belastete Rassen grundsätzlich mit einem Zuchtverbot belegt werden.

Man habe in einem breiten Dialog versucht, zu Lösungen zu kommen, begrüßte Franz Leonhard Eßl den "umfangreichen und weiten" Antrag. Dieser sei ein großer Schritt für mehr Tierwohl. Das Ende der Vollspaltenhaltung sei ein wichtiger Schritt, erklärte Georg Strasser und begrüßte die Förderungen für LandwirtInnen, da diese nicht die "Zeche" für diese Weiterentwicklung zahlen sollten.

Die Menschen würden sich einen grundlegenden Systemwechsel erwarten, begründete Faika El-Nagashi (Grüne) den Antrag, der deutliche Maßnahmen beinhalte. Es gehe darum, wie man zukünftig miteinander leben wolle. Einen ersten Etappensieg für den Tierschutz sah Olga Voglauer (Grüne), weitere Etappen und Schritte seien aber notwendig. Das Aufstehen der Zivilgesellschaft könne etwas auslösen, befürwortete Clemens Stammler (Grüne) dieses "herzeigbare" Ergebnis.

Das Tierschutzvolksbegehren und das Anliegen, Österreich zum Vorreiter im Tierschutz zu machen, würden die NEOS unterstützen, erklärte Fiona Fiedler (NEOS). Es sei wichtig, die Landwirtschaft tiergerecht zu machen und dies durch eine Umgestaltung der Förderpolitik zu begleiten.

Tierschutzvolksbegehren: Gesundheitsminister Mückstein und Volksbegehren-Proponent Bohrn Mena begrüßen Antrag

Österreich erwarte sich einen besseren Umgang mit Tieren, mehr Transparenz und eine gute Zukunft für LandwirtInnen, begrüßte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein den parteiübergreifenden Auftrag an die Bundesregierung.

Es sei gelungen, einen Prozess des Paradigmenwechsels zu starten, befürwortete Sebastian Bohrn Mena den eingebrachten Antrag von ÖVP, Grünen und NEOS. Dieser sei ein Meilenstein.

Tierschutzvolksbegehren: SPÖ und FPÖ kritisieren mangelnde Ziele und Zeitvorgaben

Es sei Bewegung in den Tierschutz gekommen, erklärte FPÖ-Mandatar Gerald Hauser. Ein Großteil der Bevölkerung akzeptiere nicht mehr, wie mit Tieren umgegangen werde, betonte Hannes Amesbauer (FPÖ). Grundsätzlich positiv bewertete der Freiheitliche, dass die Regierungsfraktionen in ihrem Antrag weite Teile der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens übernommen hätten. Neben mangelnder Ziele und Fristen bemängelte Amesbauer aber, dass der Antrag sehr kurzfristig eingebracht worden sei und dementsprechend nicht ausreichend für eine Zustimmung beurteilt werden konnte. Diesen Kritikpunkten schloss sich Dietmar Keck (SPÖ) an. Es seien nur Absichtserklärungen aber keine Maßnahmen und Fristen enthalten. Im Bereich der Vollspaltenböden kritisierte der Sozialdemokrat, dass nur Neu- und Umbauten aber nicht bestehende Stallungen im Antrag behandelt würden.

Tierschutzvolksbegehren: Anträge der Opposition

Im Zuge des Hearings zum Tierschutzvolksbegehren im Gesundheitsausschuss vergangenen Juni stellten die Oppositionsparteien sechs Anträge. Diese gelangten heute zur Abstimmung, blieben aber mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und NEOS in der Minderheit. Die SPÖ stellte Forderungen für ein Verbot des betäubungslosen Kastrierens männlicher Schweine, für eine Kastrationspflicht von Freigängerkatzen, ein Verbot von Vollspaltenböden sowie dem Töten männlicher Küken. Gemeinsam mit FPÖ und NEOS forderte die sozialdemokratische Fraktion zudem ein Verbot der Qualzucht sowie einen verpflichtenden Tollwut-Impfschutz beim Import von Hunde- und Katzenwelpen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Tierhandels.

Schlachthäuser: Kontrollen auch von nicht-ärztlichem Personal

Nach Maßgabe neuer EU-Regelungen zur Lebensmittelkontrolle schlägt die Regierung vor, dass künftig amtliche Kontrollen in Zerlegungsbetrieben auch von besonders geschultem Personal durchgeführt werden dürfen (1163 d.B.). Derartige Kontrollen wären demnach nicht länger nur amtlichen TierärztInnen vorbehalten. Die zuständigen Behörden hätten mit Kontrollbefugnissen ausgestattetes Personal zu benennen, ergibt sich aus dem Entwurf für Änderungen im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) sowie im Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz. Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit, das 2022 seine Arbeit aufnimmt, wird im Entwurf grundsätzlich mit Tätigkeiten im Zusammenhang mit Waren, die unter das LMSVG fallen, betraut, etwa mit der Überprüfung von Lebensmitteln bei der Einfuhr aus Drittstaaten. Der Strafrahmen im LMSVG wird laut Novellenvorschlag von 50.000 € auf 35.000 € gesenkt, im Wiederholungsfall von 100.000 € auf 70.000 €, Mindeststrafen will man abschaffen.

Während Olga Voglauer (Grüne) die Senkung des Strafrahmens und die Abschaffung der Mindeststrafen aufgrund häufiger Kritik in der Vergangenheit begrüßte, kritisierten Christian Drobits (SPÖ), Gerhard Kaniak (FPÖ) und Julia Seidl (NEOS) das Wegfallen dieses Mittels der präventiven Wirkung. Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags von ÖVP und Grünen, der redaktionelle Richtigstellungen vorsieht, mit der Stimmenmehrheit der beiden Regierungsfraktionen beschlossen.

EU-Vorgaben zur Qualitätssicherung

Eine Reihe von Änderungen in EU-Verordnungen zur Qualitätssicherung im Lebensmittelbereich soll in heimisches Recht überführt werden. Der dazu vorgelegte Novellenvorschlag zum EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz (1173 d.B.) enthält unter anderem eine neue Bestimmung für biologische Lebensmittel. Demnach würden HändlerInnen, die nicht selbst produzierte Bio-Produkte direkt an die EndverbraucherInnen verkaufen, nicht dem ansonsten im Bio-Bereich vorgesehenen Kontrollsystem unter Aufsicht des Landeshauptmanns unterliegen. Die Regierungsvorlage wurde mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS beschlossen.

Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Einschleppung von Tierseuchen

Die Koalitionsfraktionen wollen es mit einer Änderung des Tierseuchengesetzes (2062/A) ermöglichen, dass Maßnahmen zur Seuchenabwehr bei Wildtieren bereits getroffen werden können, wenn die Krankheit in Österreich noch nicht ausgebrochen ist. Laut Erläuterungen ist die Afrikanische Schweinepest der Anlass, deren Einschleppung man verhindern will. Der Gesundheitsminister soll in Zukunft anordnen dürfen, dass an relevanten Stellen – insbesondere in Grenzgebieten – Zäune errichtet werden. Außerdem soll er Betretungsbeschränkungen für Wälder oder landwirtschaftliche Flächen anordnen dürfen. Die Regelung wird bis zum Inkrafttreten eines grundlegend novellierten Tierseuchengesetzes eingeführt.

Die Schweinepest sei für Wildtiere gefährlich aber auch auf Hausschweine übertragbar, begründete Franz Leonhard Eßl (ÖVP) die Maßnahme. Gerhard Kaniak (FPÖ) pflichtete dem grundsätzlichen Präventionsgedanken bei, für eine Zustimmung im Plenum würden die Freiheitlichen aber noch prüfen, wie die Rechte Betroffener ausgestaltet seien. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossen.

FPÖ: Programm zur Rettung von Rehkitzen aus Mitteln des Tierschutzes

Ein Programm zur Rettung von Rehkitzen vor dem drohenden Mähtod fordert Peter Schmiedlechner (FPÖ) in einem Entschließungsantrag (1977/A(E)). Trotz umfassender Vorkehrungen der LandwirtInnen würden jährlich bis zu 25.000 Jungtiere in Österreich den Mähwerken zum Opfer fallen. Vor allem soll der Ankauf von Vergrämungsgeräten und der Einsatz von Drohnen gefördert werden. Es brauche hier Lösungen, pflichtete Georg Strasser (ÖVP) grundsätzlich bei, verwies aber in seinem Vertagungsantrag darauf, dass die Förderung der geforderten Maßnahmen bereits geprüft werde. Ebenso für rasche Maßnahmen plädierte Dietmar Keck (SPÖ). Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ: Verbot des rituellen Schlachtens ohne Betäubung

Einen neuerlichen Vorstoß für ein Verbot des betäubungslosen Schlachtens von Tieren unternehmen die Freiheitlichen in Form eines Entschließungsantrags (1944/A(E)). Die aus rituellen Gründen im Judentum und im Islam praktizierte Methode, bei der die Tiere mittels eines speziellen Messers mit einem einzigen großen Schnitt quer durch die Halsunterseite getötet werden, führe trotz Durchtrennung der Luftröhre und der Hauptschlagadern oft zu einem mehrminütigen Todeskampf bei den Tieren. Aus Sicht der FPÖ sei es unzulässig, die "barbarische Methode der reinen Schlachtung" unter dem Deckmantel der freien Religionsausübung zuzulassen. Auch der Europäische Gerichtshof habe in einer Entscheidung geurteilt, dass es kein Recht auf rituelles Schächten ohne Betäubung gebe und dass EU-Mitgliedstaaten ein diesbezügliches Verbot aussprechen können.

Im Tierschutzrecht seien Betäubungslösungen implementiert worden, erklärte Georg Strasser (ÖVP) und begründete seinen Vertagungsantrag damit, dass eine Evaluierung dieser Maßnahme abgewartet werden sollte. Schächten sei eine sensible Frage, betonte Faika El-Nagashi (Grüne) mit Verweis auf das Grundrecht der freien Religionsausübung. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

SPÖ und NEOS: Diskriminierungsfreie Blutspende

Einen neuerlichen Vorstoß zur Beseitigung der Diskriminierung von homo- und bisexuellen Männern sowie transsexuellen Personen bei der Blutspende unternimmt NEOS- Abgeordneter Yannick Shetty (1884/A(E)). Er verweist dabei nicht nur auf die Ergebnisse eines ExpertInnenhearings vom Vorjahr im Gesundheitsausschuss, sondern auch auf die derzeitige massive Blutkonservenknappheit. Seit Pandemiebeginn hätten daher zahlreiche Länder ihre Blutspenderegelungen gelockert und die Rückstellung von Männern, die Sex mit Männern haben, auf einen Zeitraum von drei oder vier Monaten reduziert. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Ebenso mit den Stimmen der Regierungsfraktionen wurde ein ähnlicher Antrag der SPÖ für eine diskriminierungsfreie Blutspende vertagt (931/A(E)). (Schluss Gesundheitsausschuss) pst