Parlamentskorrespondenz Nr. 104 vom 03.02.2022

Landeshauptmann Wallner im Bundesrat: Das Miteinander macht uns stärker als das Gegeneinander

Pandemie: Wallner spricht sich für eine frühestmögliche Beendigung der Grundrechtseingriffe aus

Wien (PK) - Die Notwendigkeit der intensiven Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und ein starker Föderalismus waren heute zentrale Themen der Erklärung des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner vor dem Bundesrat. Dabei gehe es ihm nicht um Rechthaberei, sondern um kritische Auseinandersetzung, was auf welcher Ebene am besten geregelt werden kann, betonte er. Beispielhaft ging Wallner näher auf die Pandemiebekämpfung und Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs, die Pflegereform, die Elementarpädagogik und den Klimaschutz ein. Dementsprechend stellte er seine Rede auch unter das Motto "Gemeinsam in Verantwortung" und bekräftigte damit die Aussagen von Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V), die in ihrer Antrittsrede von der Wichtigkeit der Partnerschaft von Bund und Ländern sowie Städten und Gemeinden gesprochen hatte und den Schwerpunkt ihres Vorsitzes auf die Zukunft dezentraler Lebensräume legen wird (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 101 /2022).

In diesem Zusammenhang wies Wallner darauf hin, dass gleichwertige Lebensbedingungen für städtische und ländliche Regionen eine wesentliche Basis für den Erfolg darstellen. Selbstverständlich gebe es Unterschiede, sagte er, aber es sei ein Markenzeichen Österreichs, dass diese nicht so groß seien wie in anderen europäischen Regionen, wo man ausgehöhlte Räume mit kaum vorhandener Infrastruktur antreffe. Der Landeshauptmann brach einmal mehr eine Lanze für den Föderalismus und zitierte Studien, die den Produktionsfaktor mit guten Standortbedingungen und einer sozialen Balance, aber auch ein gutes Bildungssystem mit viel Chancengleichheit und hoher Forschungsquote und vor allem eine föderale Organisation als Erfolgsfaktoren für die erfolgreichsten Regionen in Europa nennen.

Wallner hat zu Jahresbeginn turnusmäßig den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz von seinem Tiroler Amtskollegen Günther Platter übernommen. Ebenfalls aus dem Ländle kommend steht im ersten Halbjahr 2022 Christine Schwarz-Fuchs an der Spitze des Bundesrats. Sie leitete heute erstmals in dieser Funktion die Sitzung.  

Zu Beginn wurden die beiden Wiener SPÖ-LändervertreterInnen Korinna Schumann und Sascha Obrecht angelobt. Sie gehören zwar bereits dem Bundesrat an, haben aber ihre Listenplätze getauscht. Daher mussten sie formell ihr Mandat zurücklegen und vom Wiener Landtag neu entsendet werden. Als Listenerste wird Schumann in der zweiten Jahreshälfte, wenn Wien an der Reihe ist, den Vorsitz im Bundesrat ausüben.

Wallner besorgt über "unversöhnliches Lagerdenken"

Die gemeinsame Verantwortung sei gerade in schwierigen Zeiten wesentlich, betonte Landeshauptmann Wallner und ging dabei auf die aktuellen Herausforderungen durch die Pandemie und ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen ein. Es sei erforderlich, nicht nur gemeinsam den Weg aus der Pandemie herauszufinden, sondern vor allem auch Brücken zu schlagen. Mit großer Sorge sprach Wallner einen hohen Trend zu Radikalisierung und Polarisierung sowie zu einer Wortwahl an, die nicht mehr akzeptabel sei, zumal Worten auch Taten folgen. Er ortet ein unversöhnliches Lagerdenken und appellierte an alle, wieder das Miteinander in den Vordergrund zu stellen, denn das mache stärker als das Gegeneinander.

Den milden Verlauf der Omikron-Welle möchte Wallner auch als Chance nützen, um alles zu unternehmen, die vorhandenen Regeln frühestmöglich und nicht spätestmöglich, wie er betonte, abzuschaffen. Dabei plädierte er für ein höheres Tempo und merkte mit Nachdruck an, dass bei Eingriffen in Grundrechte mit höchster Sorgfalt umzugehen sei. Die Impfpflicht sieht er aber als einen Faktor für die milderen Auswirkungen von Omikron.

Der Landeshauptmann zeigte sich überzeugt davon, dass es im Zuge der Pandemiediskussion auch zu einer Föderalismusdiskussion kommen werde. Die Pandemiebekämpfung braucht beide Seiten, unterstrich er, wobei er durchaus Fehler nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene einräumte. Gleichzeitig merkte er an, dass die Testregime regional entwickelt worden seien. Er plädierte für eine kritische Auseinandersetzung, die rasches Handeln ohne Schwerfälligkeiten zum Ziel hat.

Weitere Schwerpunkte des Vorsitzes: Pflege, Elementarpädagogik, Klimaschutz

Als eine wesentliche Aufgabe seines Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz sieht er es, die Vorbereitungen für den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen. In diesem Sinne begrüßte er auch die jüngste Steuerreform mit ökologischen Schwerpunkten.

Auch die Vorbereitung der Pflegereform sei vordringlich, so Wallner. Dabei wandte er sich entschieden dagegen, die ältere Bevölkerung immer wieder als ein Kostenproblem darzustellen. Das sei nicht sein Verständnis dafür, wie man mit dieser Frage umgeht. Niemand komme in seinem Leben ohne staatliche Unterstützung aus, das beginne bereits mit der Bildung, so der Landeshauptmann.

Wesentlich in diesem Zusammenhang ist für Wallner angesichts des Fachkräftemangels die zügige Einrichtung des Ausbildungsfonds. Er machte sich auch für eine Pflegelehre stark, wobei es um eine Top-Ausbildung gehe, wo man aber auch mit der entsprechenden Sorgfalt für die betreffenden jungen Menschen vorgehen müsse, wie er unterstrich.  

Gerade im Pflegebereich zeige sich die Notwendigkeit föderaler Strukturen. Hier sei der Zentralismus falsch am Platz, vielmehr brauche es die Gemeinden und den Nahraum, um mobile Dienste sicherzustellen und die Hauskrankenpflege zu unterstützen. Dafür benötige man auch entsprechende Freiräume, selbstverständlich unter Beachtung hoher Standards. Bund und Länder hätten im Hintergrund für die Finanzierung zu sorgen.

Seiner Meinung nach muss man die pflegenden Angehörigen in den Mittelpunkt stellen. Wallner zeigte sich aber skeptisch in Bezug auf das Modell im Burgenland, weil er die Praktikabilität des Angestelltengesetzes mit Urlaubsansprüchen, Arbeitszeiten, Überstunden etc. innerhalb einer Familie bezweifelt. Man werde das aber offen und genau beobachten, sicherte er zu. Das Pflegegeld hält er für eine wichtige Stütze, es müsse aber für die Pflegenden und nicht für die Angehörigen da sein, präzisierte er.

Wallner möchte auch in der Frage der Elementarpädagogik einiges weiterbringen, insbesondere in Bezug auf die Verlängerung der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Besonderes Augenmerk werde er dabei auf die Qualität der Betreuung, die Ausweitung des Betreuungsangebots und eine frühsprachliche Förderung legen. Diese sei nämlich entscheidend für eine gelungene Integration von Kindern mit Migrationshintergrund.

Selbstverständlich bilden laut Wallner auch Energie und Klimaschutz zentrale Themen seines Vorsitzes. Wallner sprach die Preisexplosion bei der Energie an und warnte davor, die Energiewende zu einem Programm für Privilegierte zu machen. Man dürfe keineswegs die Klimaziele aus den Augen verlieren, aber diese auch zu erreichen, sei nur möglich, wenn die Bevölkerung mitgeht und die Maßnahmen sozial ausgewogen seien und eine soziale Balance hergestellt werde, unterstrich Wallner.

ÖVP: Vorarlberg zeigt, dass es Verantwortung übernehmen kann

In der Debatte gingen die RednerInnen der Fraktionen eingehend auf die Erklärung des Vorarlberger Landeshauptmanns ein. So bekräftigte Heike Eder (ÖVP/V) den Appell Wallners zur Zusammenarbeit und betonte, dass sich Erfolge nur dann einstellen würden, wenn alle an einem Strang ziehen. Sie hob auch die Erfolge Vorarlbergs hervor und wies darauf hin, dass das Land zu den stärksten Wirtschaftsregionen zähle. Es liege an der 7. Stelle der innovativsten Regionen weltweit, unter den Top 5 in Europa bei der Patentstatistik. Zudem würden 83% der Unternehmen in Familienhand liegen und die Lehrlingsquote belaufe sich auf 50%.

SPÖ drängt auf Maßnahmen für leistbares Wohnen in den Regionen

David Egger (SPÖ/S) griff das Thema Pflege auf und drängte auf rasches Handeln sowohl im Bund als auch in den Ländern. Er lobte das burgenländische Modell und forderte 1.700 € Gehalt in der Ausbildung sowie eine Reduzierung der Normalarbeitszeit. Auch zeigte er sich im Hinblick auf die Pflegelehre offen.

Was die Regionen betrifft, so sah er in der Abwanderung ein großes Problem. Dieses entstehe dadurch, dass durch den "Ausverkauf von Heimat an Millionäre" Mieten und Grundstücke unerschwinglich werden. Dem müsse man einen Riegel vorschieben, sagte Egger, damit junge Menschen in der Region bleiben.

Dem stimmte Landeshauptmann Wallner zu und hob die Wohnbauförderung als unverzichtbares Instrument für leistbares Wohnen hervor. Das Horten von Grundstücken sei ein großes Problem, sagte Wallner und meinte, das sei auch eine Frage des Grundverkehrsgesetzes und der Raumplanung.

FPÖ zur Pandemiepolitik: Regierung hat Bevölkerung gespalten

Auch die Freiheitlichen sehen Pflege als ein zentrales Thema an, wobei Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S) in Bezug auf die Pflegelehre das Wirtschaftsministerium am Zug sieht. Zur Unterstützung der Pflege zu Hause sieht sie die Länder in der Pflicht.

Steiner-Wieser sprach auch die seit rund 40 Jahren diskutierte Bodensee-Schnellstraße an und kritisierte Umwelt- und Verkehrsministerin Gewessler, weil diese das Projekt kippen wolle. Wallner bekräftigte in einer Reaktion darauf, dass er von der Ministerin die Einhaltung des Bundesstraßengesetzes verlange.

Hauptthema ihrer Rede war aber ihre Kritik an der Pandemiepolitik der Koalition. Sie warf der Regierung vor, die Bevölkerung zu spalten und meinte zudem, auch die Länder hätten föderaler agieren können, um mehr Bürgernähe sicherzustellen. Es gebe keine Planungssicherheit, weder für Unternehmen, noch für ArbeitnehmerInnen noch für Familien, so die freiheitliche Bundesrätin. Sie appellierte auch, von der Impfpflicht Abstand zu nehmen, diese sei in ihren Augen menschenverachtend und verfassungswidrig.

Grüne: Klimaschutz erfordert systematische Konsequenzen in Bund und Ländern

Eine gemeinsame Verantwortung klappe nur, wenn alle auch zu ihrer Verantwortung stehen, reagierte Adi Gross (Grüne/V) auf die Erklärung Wallners. Es gehe darum, dass die Politik ihr Handeln auf das Gemeinwohl ausrichtet und nicht auf Einzelinteressen. Es müssten alle zu ihrer Verantwortung stehen, auch wenn diese unangenehm sei, sagte er und äußerte sich kritisch zu Äußerungen einiger Landeshauptleute und KammervertreterInnen im Rahmen der Diskussion um Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung.

Gemeinsamen Handlungsbedarf sieht der Grüne Mandatar vor allem bei der Bewältigung der Klimakrise und forderte gleichzeitig eine mutige Energiewende ein. Es brauche ein Umdenken, sagte er, insbesondere andere Prioritäten im Verkehr. Die Zeit der Schnellstraßen sei vorbei. Umdenken brauche es auch bei der Bodenversiegelung und in der Frage der Biodiversität. Das alles erfordere systematische Konsequenzen von Bund und Ländern, weil es hier um Strukturänderungen gehe. Klimaschutz sei keine Bedrohung, sondern eine riesige Chance, um auf ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit umzustellen, meinte Gross. Er plädierte auch für mehr Bürgerbeteiligung, um der Krise der repräsentativen Demokratie zu begegnen.

NEOS für mehr Bürgerbeteiligung  

Auch Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) sprach sich für mehr Bürgerbeteiligung aus. Das sei vor allem auf Gemeindeebene wichtig. Der NEOS-Bundesrat forderte daher Landeshauptmann Wallner auf, sich während seines Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz für eine entsprechende Änderung der Bundesverfassung einzusetzen.

Den Föderalismus betrachtet Arlamovsky als einen Wettbewerb der Ideen und hob vor allem im Pflegebereich das Beispiel Wien und Vorarlberg beim Ausbau der ambulanten Dienste hervor. Ambulant vor stationär, müsse das Ziel sein, unterstrich er.

Einen Schwerpunkt legen die NEOS vor allem auf die Elementarpädagogik, wo sie noch viel Handlungsbedarf orten. So sei die Verfügbarkeit ganztägiger Betreuung noch zu gering, es brauche auch massive Investitionen für eine flächendeckende Betreuung. In einer Replik darauf äußerte Landeshauptmann Wallner Skepsis in Bezug auf den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Deutschland zeige, dass sich zunehmend Eltern und Gemeinden vor Gericht wieder finden, warnte Wallner. (Fortsetzung Bundesrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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