Parlamentskorrespondenz Nr. 111 vom 03.02.2022

Ökosoziale Steuerreform 2022 passiert Bundesrat

Mehrheitliche Zustimmung für Verlängerung des Finanzausgleichs und Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes

Wien (PK) – Ökologisierung, Steuerentlastungen und Corona-Krisenbewältigung waren zentrale Themen der heutigen Bundesratssitzung. So gab es grünes Licht für die ökosoziale Steuerreform 2022 sowie die darin enthaltenen Lohn- bzw. Einkommenssteuersenkungen und den Regionalen Klimabonus. Ebenso verhielt es sich mit der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis 2023, die coronabedingte Mindereinnahmen und Mehrausgaben auch weiterhin abfedern soll. Die notwendige Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer erhielt eine Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes, die unter anderem die Aussetzung der Ökostrom-Pauschale im Jahr 2022 mit sich bringt.

Keine Mehrheit fanden zwei während der Debatte eingebrachte Entschließungsanträge der FPÖ, die auf Maßnahmen gegen die Teuerung zielten, und eine Initiative der SPÖ, in der eine bundesweit einheitliche finanzielle Unterstützung für Gemeinden bei der Anschaffung Gerätschaften der Feuerwehr gefordert wird.

Ökosoziale Steuerreform 2022

Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform 2022 werden die zweite und dritte Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt sowie GeringverdienerInnen über die Erhöhung des Sozialversicherungs-Bonus und des Pensionistenabsetzbetrags entlastet. Dazu kommt die  Reduzierung des Beitragssatzes in der Krankenversicherung  für selbstständig Erwerbstätige mit niedrigen und mittleren Einkommen. Ein eigenes Gesetz wurde darüber hinaus für den  Regionalen Klimabonus  geschaffen, der die neue CO2-Bepreisung abfedern soll.

Konkret werden die Lohn- und Einkommensteuer von 35% auf 30%, bzw. von 42% auf 40% reduziert. Zudem wird der Grundfreibetrag beim Gewinnfreibetrag von 13% auf 15% angehoben, die stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) von 25% auf 23% umgesetzt und ein neuer Investitionsfreibetrag eingeführt. Familien werden durch die Erhöhung des Familienbonus Plus von 1.500 auf 2.000 € sowie des Kindermehrbetrags von 250 auf 450 € pro Kind und Jahr entlastet.

Um niedrige und mittlere Einkommen der selbstständig Erwerbstätigen sowie der nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz Versicherten finanziell zu entlasten, soll es eine jährliche Gutschrift für jene geben, die eine Beitragsgrundlage von 2.900 € nicht übersteigen. Weiters soll die Absenkung des fiktiven Ausgedinges eine Verbesserung für kleine bäuerliche Pensionen bringen und  Rechtssicherheit bei der nachträglichen Übertragung von Wohnobjekten in das (Mit)-Eigentum geschaffen werden.

Opposition: Steuerreform als Mogelpackung

Großteils unzufrieden mit der Ausgestaltung der Maßnahmen zeigten sich die Oppositionsparteien. So erklärte Elisabeth Grossmann (SPÖ/St), die Steuerreform verdiene weder das Adjektiv "ökosozial" noch die Zustimmung ihrer Fraktion. Das Prinzip, dass jenen, die mehr haben, auch mehr gegeben wird, ziehe sich wie ein "türkis-grüner Faden" durch sämtliche Maßnahmen, wodurch die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gehe. Die Steuerreform finanziere sich auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung, während Kapital und Vermögen weiterhin verschont blieben. Als beispielhaft für die fehlende soziale Treffsicherheit der Maßnahmen hob Grossmann den Familienbonus hervor, der 180.000 Kindern in Österreich nicht zugutekomme, weil deren Eltern zu wenig verdienen würden, um diesen in Anspruch nehmen zu können. Die Senkung der Tarifstufen betrachte sie grundsätzlich positiv, wobei deren Effekte nur kurzfristig seien, da sie durch die kalte Progression wiederum neutralisiert würden. Insgesamt handle es sich bei der Steuerreform um ein großes Belastungspaket und um eine "Mogelpackung", wie ihre Wiener Fraktionskollegin Daniela Gruber-Brunner weiter ausführte. Es sei natürlich an der Zeit, Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen, diese müssten jedoch auch sozial verträglich umgesetzt werden. Gerade das geschehe jedoch nicht, wie sich am Klimabonus zeige. Hier würden alle WienerInnen pauschal benachteiligt, da sich dieser an der Postleitzahl orientiere.

Auch die Freiheitlichen widmeten sich in ihren Wortmeldungen den sozialpolitischen Aspekten der Steuerreform. So habe es nach Michael Bernard (FPÖ/N) die Regierung zu verantworten, dass sich immer noch viele Menschen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit befänden und die wirtschaftlichen Existenzen zahlreicher UnternehmerInnen bedroht seien. Die ohnehin angespannte ökonomische Lage würde durch die "Klimahysterie" der Koalition noch weiter angeheizt und Personen, die auf den Individualverkehr angewiesen sind noch mehr belastet. Zur Abfederung der Belastung vor allem durch steigende Energiepreise brachte Bernard einen Entschließungsantrag ein, in dem ein "freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation" gefordert wird. Nach diesem soll auf der Basis von monatlich zu aktualisierenden Daten der Statistik Austria ein Warenkorb erstellt werden, in dem die Preise etwa für Lebensmittel, Mieten und Heizung abgebildet werden. Bei Abweichungen einzelner Endverbraucherpreise von über 10% solle der Konsumentenschutzausschuss den Konsumentenschutzminister mit einem befristeten Preisstopp für einzelne Waren und Dienstleistungen beauftragen. Der Antrag fand keine Mehrheit im Plenum.

Johannes Hübner (FPÖ/W) kritisierte die seiner Meinung nach ausufernde Komplexität der ökosozialen Steuerreform, die für die meisten BürgerInnen nicht nachvollziehbar sei. Als Beispiel griff er die Regelung zur Besteuerung von Kryptowährungen bzw. deren Definition im Gesetzestext heraus. Hier sei der "Irrsinn in die Legistik eingezogen".

Der Wiener NEOS-Abgeordnete Karl-Arthur Arlamovsky zeigte sich ebenfalls über die Regelung bezüglich der Kryptowährungen unzufrieden und regte die Einführung einer Behaltefrist an, um Anreize für längerfristige Anlagen zu schaffen. Kritisch äußerte er sich auch zur Reduzierung des Beitragssatzes in der Krankenversicherung, da diese dem Versicherungsprinzip widerspreche, und zum Klimabonus, der der gewünschten Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung entgegenwirke. Als begrüßenswert erachtete Arlamovsky unter anderem die Reformen des Einkommenssteuergesetzes, die steuerlichen Begünstigungen der Mitarbeiterbeteiligungen und die Erhöhung des Gewinnfreibetrags.

ÖVP und Grüne: Größte Steuerreform der Zweiten Republik

Die ökosoziale Steuerreform sei keineswegs eine Mogelpackung, sondern ein "gewaltiger Meilenstein" betonte Karl Bader (ÖVP/N) und sprach von der "größten Steuerreform der Zweiten Republik". Es gehe darum, die Menschen zu entlasten, den Wirtschaftsstandort zu sichern und die ökologische Nachhaltigkeit zu stärken - nicht um Klassenkampf, widersprach er der Argumentation der SPÖ. Die Steuerreform habe durchaus auch ein soziales Gesicht, führte sein Fraktionskollege Martin Preineder (ÖVP/N) aus und verwies auf zahlreiche Entlastungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Senkung des fiktiven Ausgedinges, was einer Erhöhung der Mindestpension in der Landwirtschaft entspreche. Seine oberösterreichische Fraktionskollegin Alexandra Platzer ging als Unternehmerin auf die ökonomischen Auswirkungen der Steuerreform ein. Die Regierung habe die Wirtschaft in dieser kritischen Zeit nicht im Stich gelassen. So sei die Beschäftigungsquote bereits fast wieder auf Vorkrisenniveau und ExpertInnen würden ein Wirtschaftswachstum von 5% attestieren, wobei 1% davon auf die ökosoziale Steuerreform zurückzuführen sei. Zudem sei ein weiterer Beschäftigungszuwachs von 30.000 Personen zu erwarten. Es gehe darum, sowohl soziale als auch ökologische Verantwortung zu übernehmen und den Wirtschaftsstandort zu stärken, resümierte Franz Ebner (ÖVP/O) den Anspruch der Maßnahmen.

Zum ersten Mal sei Klimaschutz als Prämisse in die Budgetpolitik eingeführt worden und man fange endlich an, diesen als Basis des politischen Handelns zu betrachten, unterstrich Elisabeth Kittl (Grüne/W) die ökologischen Aspekte der Steuerreform. Diese biete effektive Anreize zu klimafreundlichem Verhalten, ohne auf die soziale Dimension zu vergessen. Ein besonderes Augenmerk sei auf Menschen mit geringem Einkommen gelegt worden, die besonders von Maßnahmen wie der Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags und dem Kindermehrbetrag profitieren würden. Zudem können man sich durch die avisierte Energiewende und der damit einhergehenden größeren Energieautarkie von sich nun wieder abzeichnenden geopolitischen Drohszenarien befreien, so Kittl.

BundesministerInnen Leonore Gewessler und Magnus Brunner: Das Steuersystem zu einem Hebel für den Klimaschutz machen

Die ökosoziale Steuerreform sei eines der zentralen Projekte dieser Regierung und verdiene mit Entlastungen von über 18 Mrd. € auch die Superlative seiner Vorredner, zeigte sich Finanzminister Magnus Brunner erfreut. Österreich sei wesentlich besser durch die Krise gekommen, als vergleichbare Staaten, wie WirtschaftsforscherInnen und auch ausländische PolitikerInnen bestätigen würden. Trotz der Pandemie habe es einen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben, die durch die Steuerreform genutzt werden soll, um Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand zu sichern. Die Steuerreform sei "kein Allheilmittel" im Sinne der Ökologisierung, müsse jedoch immer im Zusammenhang mit Begleitmaßnahmen, wie dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs betrachtet werden. Diese schaffen laut Brunner weitere Anreize für ein klimafreundliches Verhalten, wodurch sich der Lenkungseffekt erhalte. Außerdem müssten die BürgerInnen mit sozial verträglichen Ökologisierungsmaßnahmen auch mitgenommen werden, um keine "Gelbwesten-Zustände" wie in Frankreich zu produzieren.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler teilte die Freude des Finanzministers, nach 30 Jahren der Debatte darüber, die ökosoziale Steuerreform nun endlich auf den Weg zu bringen und somit das Steuersystem zu einem Hebel für den Klimaschutz zu machen. Klimaschädliches Verhalten bekomme nun seinen gerechten Preis. Gerechtigkeit heiße aber auch, dass, wer das Klima schont, auch finanziell belohnt werde. Dies werde durch den Klimabonus realisiert, der die erste Leistung in Österreich darstellt, die jeder, unabhängig von Beschäftigungsstatus, Alter etc. erhält. Wichtig sei Gewessler ein niederschwelliger Zugang, weshalb dieser auch antragslos ausbezahlt werde. "Mehr Geld im Börserl und weniger Dreck in der Luft" sei die Zielvorstellung der Steuerreform.

Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis 2023

Mehrheitlich genehmigt wurde auch eine Novelle des Finanzausgleichsgesetzes sowie weiterer Bundesgesetze. Um es Bund, Ländern und Gemeinden weiterhin zu ermöglichen, alle Kräfte in der Corona-Krisenbewältigung zu bündeln, soll der aktuelle Finanzausgleich vorerst für zwei Jahre bis 2023 verlängert werden. Ohne eine entsprechende Regelung hätten bereits 2021 die Verhandlungen über die neue Finanzausgleichsperiode geführt werden müssen. Die Regierungsvorlage umfasst etwa auch Ausgleichszahlungen an die Länder für die Krankenanstalten für 2020 und 2021. Insgesamt sollen für die coronabedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben 750 Mio. € zur Verfügung stehen. Per Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates brachten die Koalitionsparteien weitere Mittel für die Gemeinden in Höhe von 275 Mio. € auf den Weg.

Breite Zustimmung in der Länderkammer

Finanzminister Magnus Brunner schickte im Bundesrat voraus, dass ein solcher Beschluss normalerweise intensive Verhandlungen benötige, in Krisenzeiten jedoch ein schnelleres Handeln notwendig sei, damit das Gesundheitssystem in den Ländern aufrecht erhalten werden könne. Da die Gebietskörperschaften, speziell die Gemeinden, in der Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen seien, habe man bereits zwei Gemeindepakete geschnürt. Davon seien bisher 800 Mio. € abgerufen worden, so Brunner. Zudem habe man die Ertragsanteile der Gemeinden um 400 Mio. € erhöht und den Strukturfonds um 100 Mio € aufgestockt. Damit die erhöhten Absetzbeträge für kleine Einkommen nicht zu Lasten der Gemeinden gehen, übernehme der Bund die Mindereinnahmen zur Gänze, was 180 Mio. € im Jahr 2022 entspreche. Diese "riesigen Summen" seien notwendig, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in den Ländern und Gemeinden zu lindern, so Finanzminister Brunner.

Zufrieden mit der unbürokratischen Verlängerung der Finanzausgleichsperiode zeigte sich auch Eduard Köck (ÖVP/N). Kritik äußerte er jedoch an der Aufteilung der Ertragsanteile nach einem Bevölkerungsschlüssel, der kleinere Gemeinden benachteilige. Diese Regelung stamme aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und müsse neu verhandelt werden.

Elisabeth Kittl (Grüne/W) bemerkte, dass die Verlängerung nun ausreichend Zeit biete, um notwendige Reformen vorzubereiten. Sie nannte unter anderem die "Entwirrung der Transferströme" und den dringen erforderlichen Ausbau einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung in ganz Österreich. Dies werde aktuell zwischen Bund und Ländern verhandelt.

Die "massive Personalnot" im Bereich der Kinderbetreuung sei ein strukturelles Problem und nicht nur coronabedingt, warf Bettina Lancaster (SPÖ/O) ein. Auch sie signalisierte ihre Zustimmung zur Verlängerung und verlieh ihrer Sorge um die kritischen finanzielle Lage der Gemeinden Ausdruck. Besonders betroffen seien auch die freiwilligen Feuerwehren deren Einsatzbereitschaft durch die leeren Kassen nicht mehr gewährleistet werden könne. Dementsprechend brachte Lancaster einen Entschließungsantrag ein, in dem eine bundesweit einheitliche finanzielle Unterstützung für Gemeinden bei der Anschaffung oder Reparatur von Gerätschaften der Feuerwehr gefordert wird. Dieser fand keine Mehrheit.

Der freiheitliche Bundesrat Markus Steinmaurer aus Oberösterreich sprach von dringendem Handlungsbedarf im Gesundheitssystem, das mittlerweile selbst zum "Intensivpatienten" werde. Die Bundesregierung müsse den Pflegenotstand und die angespannte Situation in den Krankenhäusern endlich ernst nehmen.

Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes: Aussetzung der Ökostrompauschale für 2022

Die erforderliche Zweidrittelmehrheit des Bundesrates erhielt eine Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG). Diese bringt unter anderem eine Aussetzung der Ökostrom-Pauschale im Jahr 2022 mit sich, womit EnergiekundInnen entlastet werden sollen. Umgesetzt werden mit der Novelle vor allem auch beihilfenrechtliche Anpassungen beim Ausbau erneuerbarer Energieformen in Bezug auf das EU-Notifikationsverfahren zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Klargestellt wird zudem, dass im Fall von einseitigen Vertrags- und Entgeltänderungen durch den Stromversorger den KundInnen ein Kündigungsrecht zukommt.

Keine Mehrheit erhielt ein von Michael Bernard (FPÖ/N) während der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag, der auf die Verhinderung von Energiearmut abzielt. Darin fordern die Freiheitlichen, dass auf Umsätze mit Strom und Gas zumindest bis zum 31. März 2023 keine Umsatzsteuer eingehoben wird. (Fortsetzung Bundesrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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