Parlamentskorrespondenz Nr. 231 vom 08.03.2022

Green Deal: EU will Energiewende vorantreiben

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Klimaschutzplan der Union

Wien (PK) – Erhebliche Anstrengungen braucht es aus Sicht der EU-Kommission, um der Klimakrise beizukommen. So schlug sie letzten Sommer im Rahmen ihres Klimaschutzpakets "Green Deal" noch ambitioniertere Maßnahmen zur Senkung der klimaschädlichen Treibhausemissionen vor. Nachdem der EU-Ausschuss des Bundesrats in seiner letzten Sitzung diesbezügliche Vorschläge zur Hebung der Energieeffizienz und zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vertagt hatte, wurden sie heute erneut behandelt. Hinzu kam ein Richtlinienvorschlag zur Energieeffizienz in Gebäuden. Weiters stand der Plan, ein neues Eigenmittelsystem in der EU einzuführen, auf der Tagesordnung.

Bundesländer beziehen Stellung zum Klimaschutz

Die BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen verdeutlichten in zwei Mitteilungen an die EU-Kommission ihre grundsätzlich positive Haltung zu den Vorschlägen für mehr Energieeffizienz und für den Ausbau von E-Ladestationen im Rahmen des Green Deal. Hinterfragt wird in den mehrheitlich angenommenen Schreiben jedoch, inwieweit auf regionale Gegebenheiten in den Maßnahmenvorschlägen aus Brüssel Bedacht genommen wurde. So dürften Ladestationen für elektrisch betriebene Fahrzeuge nicht auf Kosten der FußgängerInnen- und Radverkehrsinfrastruktur gehen, wies Stefan Schennach (SPÖ/W) auf den begrenzten Platz vor allem in Städten hin.

Für die FPÖ erklärte Michael Bernard (FPÖ/N) die Ablehnung der Mitteilungen durch seine Fraktion damit, dass die angedachten Maßnahmen vor allem im Verkehrsbereich "nicht umsetzbar" seien. Außerdem würde dadurch eine "massive Teuerung" ins Land ziehen, die von den derzeitigen VerkehrsteilnehmerInnen zu tragen wäre.

Im Sinne substantieller Treibhauseinsparungen im Verkehrsbereich plädieren die Bundesrätinnen und Bundesräte in ihrer Mitteilung zur alternativen Verkehrsinfrastruktur vor allem für eine Reihe von Maßnahmen, um konsequent den Straßen(güter)verkehr auf die Schiene zu verlagern. Bei der Positionierung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge sei darauf zu achten, dass der multimodale Verkehr als Rückgrat der europäischen Wirtschaft unterstützt wird.

Auch in einer gemeinsamen Länderstellungnahme zur Energieeffizienz-Richtlinie wird zwar grundsätzlich die Abkehr von fossilen Energieformen im Sinne des Klimaschutzes begrüßt. Die Bundesländer mahnen aber weitreichendere Maßnahmen ein, etwa den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mehr Energieeffizienz in der Wasserversorgung von Ballungsräumen oder die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft.

In der neuen Richtlinie zur Energieeffizienz in Gebäuden sieht das Land Vorarlberg mehrere Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip und beanstandet in einer Stellungnahme dazu beispielsweise, Vorgaben darüber, wie erneuerbare Energie für Gebäude generiert wird, oder Regelungen zum Brandschutz lägen nicht im Kompetenzbereich der EU. Ähnlich lautet die Kritik in einer gemeinsamen Länderstellungnahme und in einer ÖVP-Grünen-Mitteilung zur Vorlage. Ungeachtet dessen bekennt sich Vorarlberg im Sinne der Energieautonomie grundsätzlich so europaweit einheitlichen Standards. Gerade die aktuelle Situation in der Ukraine zeige, wie notwendig eine dramatische Reduktion des Energieverbrauchs sowohl im Bestand wie auch im Neubau sei.

In ihrem Richtlinienentwurf zur Energieeffizienz in Gebäuden weist die EU-Kommission darauf hin, dass EU-weit auf Gebäude 40% des Energieverbrauchs und 36% der direkten und indirekten Treibhausgasemissionen im Energiebereich entfallen. 80% des Energieverbrauchs der Haushalte in der Union entstünden durch Heizung, Kühlung und Warmwasser. Klimagerechte Gebäuderenovierungen seien nicht nur ein entscheidender Faktor zur Verringerung des Energieverbrauchs, sie trügen auch dazu bei, Europa unabhängiger von fossilen Energieformen zu machen.

Null-Schadstoff-Ziel bis 2050

Laut übergeordnetem Klimaziel will die EU bis zum Jahr 2030 die Treibhausgase der Staatengemeinschaft um mindestens 55% unter den Wert von 1990 senken und bis 2050 klimaneutral werden. Zur Erreichung dieses Null-Schadstoff-Ziels soll Ressourceneffizienz Grundlage einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden und Wohlstand langfristig absichern. Im diesbezüglichen Arbeitsprogramm der Kommission, "Fit-für-55", werden mehrere Politikbereiche abgedeckt, darunter Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Landnutzung, Energiebesteuerung, Lastenteilung und Emissionshandel.

Seitens der ÖVP würdigten Isabella Kaltenegger (ÖVP/St) und Martin Preineder (ÖVP/N) die Ambitionen für mehr Klimaschutz, sie unterstrichen aber, bereits erfolgte Anstrengungen von Unternehmerseite in diesem Bereich dürften ebenso wenig aus dem Blick verloren werden wie Neuerungen der technologischen Entwicklung. Zum technischen Fortschritt im Verkehrssektor bemerkte ein Vertreter aus dem Klimaschutzministerium, neue EU-Vorgaben für Fahrzeughersteller befänden sich bereits in Verhandlung. Vor diesem Hintergrund werde der Aufbau alternativer Infrastrukturen an Dynamik gewinnen, so die Überzeugung des Experten. Immerhin zeigten Frächter und Unternehmer großes Interesse an emissionsfreiem Transport.

Ambitionierte Ziele bei Energieeffizienz

In ihrer Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie schlägt die EU-Kommission vor, die Reduktionsziele für den Primär- und Endenergieverbrauch bis 2030 auf 39% beziehungsweise 36% anzuheben, gemessen an den aktualisierten Basisprojektionen aus dem Jahr 2020. Zur Erreichung dieser unionsweiten Senkung des Energieverbrauchs müssten die Mitgliedstaaten nationale Richtziele festlegen, wobei die jährliche Endenergie-Einsparverpflichtung auf 1,5% des Endenergieverbrauchs erhöht wird. Die öffentliche Hand soll laut Entwurf mit gutem Beispiel vorangehen und pro Jahr den Energieverbrauch im öffentlichen Sektor um 1,7% senken. Mindestens 3% der Gebäude der öffentlichen Verwaltung sollten dazu klimagerecht saniert werden. Bei öffentlichen Vergaben in den Mitgliedstaaten will Brüssel auf allen Ebenen sicherstellen, dass Energieeffizienzanforderungen berücksichtigt werden.

E-Autos: EU will Ausbau der Lademöglichkeiten forcieren

Im Green Deal der EU wird eine Absenkung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen um 90% bis 2050 gefordert. Der breite Umstieg auf Elektrofahrzeuge und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge kann laut EU-Kommission aber nur gelingen, wenn es überall im Binnenmarkt einheitliche Lade- oder Betankungsmöglichkeiten gibt. Folglich sei die Schaffung einer geografisch gerecht verteilten Lade- und Betankungsinfrastruktur notwendig, wird im diesbezüglichen Verordnungsentwurf festgehalten. Die Mitgliedstaaten sollten bei ihrer Infrastrukturplanung auf gemeinsame technische Spezifikationen setzen, um die Interoperabilität von Anlagen und Fahrzeugen zu gewährleisten. Dazu gehören laut Entwurf auch einheitliche und benutzerfreundliche Zahlungsmethoden und eine vollständige Preistransparenz in der gesamten Union.

Europaweit einheitliche Rahmenbedingungen für die Verkehrsnetze sind Adi Gross (Grüne/Vbg) zufolge ein zentraler Faktor für die "Bewegungsfreiheit in Europa". Der Anregung von Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W), Preisaufschläge beim Laden von E-Autos an Stationen anderer Anbieter zu regulieren, wird die EU-Kommission laut Klimaschutzministerium wohl nicht so schnell folgen, zu groß seien noch die Widerstände aus den Mitgliedstaaten. Zumindest grenzüberschreitendes "Roaming" beim Laden von Elektrofahrzeugen werde aber nicht zulässig sein.

Neue Eigenmittel für den EU-Haushalt

Wie ein Experte aus dem Finanzministerium dem Ausschuss anhand der diesbezüglichen Kommissionsmitteilung schilderte, will die Europäische Kommission neue Kategorien für Eigenmittel zur Finanzierung des EU-Haushalts einführen. So sollen künftig 25% der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel, 75% der Einnahmen aus einem CO2-Grenzausgleichssystem und 15% des zu versteuernden Residualgewinns der größten multinationalen Unternehmen als neue Eigenmittel gelten. Die Mitgliedsbeiträge würden bei gleichbleibendem EU-Budget dadurch sinken, hob der BMF-Experte die daraus resultierende "Netto-Ersparnis" für Österreich hervor.

Zusätzlich schlägt die Kommission vor, einen Klima-Sozialfonds einzurichten, um finanziell schwächere Haushalte vor zusätzlichen Belastungen durch die Einführung eines neuen Emissionshandelssystems für Gebäude und den Straßenverkehr in der EU zu schützen.

Zur Finanzierung dieses Klima-Sozialfonds und zur Rückzahlung von Schulden aus der Corona-Aufbauinitiative NextGeneration EU beabsichtigt die Kommission laut Finanzministerium, die Einführung neuer Eigenmittelkategorien mit einer Hebung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021 – 2027 zu begleiten. Die Budgetsteigerung sei in der erwarteten Höhe der neuen Eigenmittel geplant. Im Rat der Europäischen Union würden die Verhandlungen über den Vorschlag frühestens im Juni 2022 starten, verwies der Experte darauf, dass noch Detailinformationen fehlen. Dennoch begrüßte das Ministerium die Überlegungen grundsätzlich und auch die Wirtschaftskammer äußerte sich weitgehend positiv. Einzig die Erträge aus dem Emissionshandel wollte die anwesende WKÖ-Vertreterin vollständig für Maßnahmen zur nationalen Dekarbonisierung aufgewendet wissen.

Deutlich gegen die Schaffung neuer Finanzierungsquellen zur Generierung weiterer EU-Eigenmittel trat im Ausschuss dagegen die FPÖ auf. Johannes Hübner (FPÖ/W) fand für seinen dazu verfassten Antrag auf Stellungnahme bei den übrigen Fraktionen jedoch keine Zustimmung. Seinem Argument, die EU entziehe den Mitgliedstaaten Steuermittel zur Finanzierung eigener Initiativen, hielt Stefan Schennach (SPÖ/W) entgegen, Programme wie jene zur Ländlichen Entwicklung ließen sich nach dem BREXIT nur mit neuen Finanzierungsquellen fortführen: "Es geht um Lückenfüllung". "Durchaus sinnvoll" nannte Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) das angedachte neue Eigenmittelsystem, er verwehrte sich aber gegen die Bildung einer "Schuldenunion". (Schluss EU-Ausschuss) rei


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