Parlamentskorrespondenz Nr. 285 vom 16.03.2022

Sozialausschuss diskutiert Berichte zu EU-Vorhaben, Corona-Kurzarbeit sowie zur Sonderbetreuungszeit

Ruhezeiten für Lkw-FahrerInnen werden angepasst

Wien (PK) - Im Sozialausschuss standen heute der Bericht des Arbeitsministers zur EU-Jahresvorschau für das Jahr 2022 sowie Monatsberichte über die Ausgaben für die coronabedingte Kurzarbeit und Sonderbetreuungszeit auf der Tagesordnung. Zur Sonderbetreuungszeit für Eltern von betreuungspflichtigen Kindern gab Arbeitsminister Martin Kocher bekannt, dass er mit einer Verlängerung bis zum Ende des Schuljahres rechne.

Mit einer einstimmig angenommenen Regierungsvorlage kommt es zudem zu Änderungen bei Ruhezeiten für Lkw-FahrerInnen. Ein SPÖ-Antrag zur Rehabilitationsfreistellung für Eltern wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Arbeitsminister Kocher legt EU-Jahresvorschau für 2022 vor

Österreich unterstützt das Ziel von angemessenen Mindestlöhnen und der Förderung von Kollektivverträgen in der EU. Ein entsprechender Richtlinienvorschlag ist auf europäischer Ebene aktuell in Verhandlung. Das geht aus der EU-Jahresvorschau für das Jahr 2022 hervor, die der Arbeitsminister vorgelegt hat (III-554 d.B.). Weitere relevante EU-Vorhaben sind aus österreichischer Sicht eine Richtlinie für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten sowie Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung in der Arbeitswelt. Der Bericht wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Das EU-Arbeitsprogramm in seinem Bereich sei von den Folgen der Corona-Pandemie sowie von der digitalen Transformation geprägt, hielt Arbeitsminister Martin Kocher im Ausschuss fest. Die Bewältigung der großen Anzahl an Flüchtenden aus der Ukraine sei die größte Herausforderung für die EU in den nächsten Monaten. "Wir müssen alles tun, um den Menschen Schutz zu geben." Bei der von der Bundesregierung erlassenen Vertriebenenverordnung gehe es um temporären Schutz in Österreich sowie um einen unbürokratischen und vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, so der Minister gegenüber Alois Stöger (SPÖ). Kocher wies zudem die von Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kritisierte "unmutige Position" Österreichs im Bereich der Lohntransparenz zurück. Man sei prinzipiell für Lohntransparenz, jedoch über die Geschwindigkeit des Richtlinienentwurfs überrascht. Hier gehe es noch um die Abklärung technischer Fragen.

Was die EU-Mindestlohnrichtlinie betrifft, teile Österreich prinzipiell das Ziel fairer Mindestlöhne, es dürfe aber zu keiner Aushöhlung des österreichischen Kollektivvertragssystems kommen, so Kocher zu Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Gerald Loacker (NEOS) wollte wissen, warum Österreich dem Plan eines einheitlichen elektronischen Formulars für die Meldung von Entsendungen von ArbeitnehmerInnen kritisch gegenübersteht. Man sei generell für den Austausch von Daten auf EU-Ebene, jedoch gebe es bereits ein funktionierendes System zu einem einheitlichen Austausch, erklärte der Minister.

Kocher: Sonderbetreuungszeit soll bis zum Ende des Schuljahres verlängert werden

Seit Mitte März 2020 können Eltern im Rahmen der Sonderbetreuungszeit von der Arbeit freigestellt werden, wenn sie ihre Kinder coronabedingt zu Hause betreuen müssen. Die Lohnkosten werden den ArbeitgeberInnen dabei vom Bund ersetzt. Finanziert wird das Instrument aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds. Die Monatsberichte für den Zeitraum November bis Dezember 2021 zeigen auf, dass bis Ende 2021 rund 17,44 Mio. € für die Sonderbetreuungszeit ausgegeben wurden III-511 d.B. und III-539 d.B.). Laut dem Bericht für Jänner 2022 haben sich die Ausgaben im Vergleich mit den Vormonaten nicht verändert (III-572 d.B.). Diese Berichte wurden mit den Stimmen der Regierungsfraktionen mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Trotz der aktuell höchsten Infektionszahlen laufe die derzeitige Regelung am 31. März aus, weshalb eine baldige Bekanntgabe der weiteren Vorgehensweise dringend notwendig sei, betonte Verena Nussbaum (SPÖ). Ein Anspruch auf Sonderbetreuungszeit sei nur dann gegeben, wenn Kinder behördlich in Quarantäne seien, kritisiere FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Sie sprach sich für ein generelles Offenhalten der Schulen aus. Für Bettina Zopf (ÖVP) hat die "soziale Maßnahme der Sonderbetreuungszeit gut gegriffen". Die Regierung habe dafür "wirklich Geld in die Hand genommen", um Eltern und Schwangere zu unterstützen.

Man plane eine Verlängerung der Sonderbetreuungszeit bis zum Ende des Schuljahres, gab der Arbeitsminister im Ausschuss bekannt. Derzeit müssten dazu noch die letzten Details abgesprochen werden. Grundsätzlich habe man überwiegend positive Rückmeldungen zur Sonderbetreuungszeit erhalten.

Corona-Kurzarbeit: Kosten von rund 9,27 Mrd. € bis Ende Jänner 2022

Bis Ende Jänner 2022 haben sich die Ausgaben für Kurzarbeit auf rund 9,27 Mrd. € erhöht. Das geht aus den Berichten des Arbeitsministers für die Monate Oktober 2021 bis Jänner 2022 hervor, die von ÖVP, Grünen und der SPÖ mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurden (III-494 d.B., III-516 d.B., III-541 d.B., III-573 d.B.). Inklusive noch offener Verpflichtungen betrug die Budgetbelastung Ende Jänner rund 11,12 Mrd. €. Auch die Zahl der betroffenen Personen hat sich auf 1,303.357 erhöht. Diese sind in 119.725 Betrieben beschäftigt. Der Frauenanteil betrug mit Ende Jänner 2022 44,2%. Die meisten Kurzarbeitsbeihilfen wurden 2022 in Wien und Oberösterreich ausbezahlt. Unverändert an der Spitze liegen die Branchen Warenerzeugung, Handel sowie Beherbergung und Gastronomie.

Ernst Gödl (ÖVP) sprach davon, dass sich die Kurzarbeit bewährt habe und ein "taugliches Instrument" zur Absicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen in der Pandemie gewesen sei. Das sahen Gerald Loacker (NEOS) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) anders. Beide sprachen von einem "vernichtenden Urteil" des Rechnungshofes. Dieser habe festgestellt, dass das AMS sowie die dafür zuständigen BeamtInnen nicht eingebunden gewesen wären. Laut Loacker ist es außerdem zu einer Überförderung in der Höhe von 500 Mio. € gekommen. Belakowitsch forderte Richtlinien zur Kurzarbeit für zukünftige Krisen. Michael Seemayer (SPÖ) wies darauf hin, dass Frauen in der Pandemie stärker und länger von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen waren. Zudem zeigte sich der SPÖ-Mandatar über den Anstieg der Anträge auf Kurzarbeit aufgrund der Ukraine-Krise besorgt.

Es sei wichtig gewesen, den Betrieben zu Beginn der Pandemie Sicherheit zu geben, betonte Arbeitsminister Kocher. Die Kurzarbeit sei grundsätzlich eine ökonomische Kosten-Nutzen-Abwägung gewesen. Ohne deren Einführung wäre es zu hoher Arbeitslosigkeit gekommen. Derzeit werde die Kurzarbeit aufgrund von Lieferengpässen durch die Ukraine-Krise stärker genützt. Der von Loacker geforderten Rückzahlung von Überförderungen erteilte Kocher eine Absage. Rückforderungen seien gesetzlich ausgeschlossen. Die hohe Frauenquote sei großteils auf die von der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen zurückzuführen, wie etwa körpernahe Dienstleistungen, die Gastronomie oder Hotellerie. Hier seien Frauen überproportional stark beschäftigt.

Änderungen bei Ruhezeiten für Lkw-FahrerInnen

Aufgrund von Verordnungsänderungen auf EU-Ebene sind Begleitmaßnahmen im Arbeitszeitgesetz (AZG) und im Arbeitsruhegesetz (ARG) nötig. Mit der im Sozialausschuss einstimmig angenommenen Regierungsvorlage sollen die entsprechenden Anpassungen für Lkw-FahrerInnen verwirklicht werden (1331 d.B.). Konkret darf die wöchentliche Ruhezeit künftig nicht mehr im Fahrzeug verbracht werden. Die Ruhezeiten müssen so geplant werden, dass sie mindestens einmal im Monat zu Hause verbracht werden können. Bei Verstößen können ArbeitgeberInnen bestraft werden. Das bestehende Verbot, dass LenkerInnen nicht nach der zurückgelegten Strecke oder der Menge der beförderten Güter bezahlt werden dürfen, wird ausgeweitet. So soll es künftig auch nicht erlaubt sein, sie nach der Schnelligkeit der Auslieferung zu bezahlen. Zudem wird die Mitführpflicht für Lenkeraufzeichnungen ab 2025 auf 56 Tage verlängert. Weiters sollen die Regelungen ab 1. Juli 2026 auf bestimmten Strecken für Lkws mit 2,5 Tonnen ausgeweitet werden.

SPÖ beantragt Rehabilitationsfreistellung für Eltern

Die SPÖ will einen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsfreistellung für Eltern einführen (2127/A). Stationäre Reha-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche würden nicht ausreichend in Anspruch genommen, da viele Eltern nicht die nötigen vier Wochen von der Arbeit fernbleiben könnten, so die AntragstellerInnen. Sie schlagen vor, dass ArbeitnehmerInnen, deren erkranktem Kind ein Reha-Aufenthalt bewilligt wurde, bis zu vier Wochen unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt werden können. Die vier Wochen sollen auch zwischen zwei Elternteilen aufgeteilt werden können. Wenn ein Kind eine "familienorientierte Reha" bewilligt bekommen hat, soll es für jeden Elternteil einen eigenen Anspruch auf Freistellung von maximal vier Wochen geben. Zudem soll ein erhöhter Kündigungs- und Entlassungsschutz gelten. Der Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Man brauche eine Freistellungsregelung für betroffene Eltern, da diese oftmals schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft hätten, wie etwa den Urlaubsanspruch, appellierte Alois Stöger (SPÖ). Laut Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sind die Eltern derzeit vom Willen der Arbeitgeber abhängig. Daher brauche es jetzt eine Lösung. Es bleibe keine Zeit, den Antrag zu vertagen.

Markus Koza (Grüne) und Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) sahen ebenfalls die Notwendigkeit, Abhilfe zu schaffen. Für Koza gibt es bereits ähnliche Lösungen im Bereich der Familienhospiz, die es anzusehen gelte. Scheucher-Pichler sprach von einer "typischen Sozialpartnermaterie", bei der es eine Begutachtung brauche.

Es gebe bereits gute Möglichkeiten zur Betreuung von Kindern im Genesungsprozess, unterstrich Gerald Loacker (NEOS). Zudem gelte es, auf die Balance zwischen LeistungsbezieherInnen und –empfängerInnen im Gesundheitssystem zu achten. (Fortsetzung Sozialausschuss) med