Parlamentskorrespondenz Nr. 503 vom 12.05.2022

Freiheitliche fordern in Dringlicher Anfrage im Bundesrat Entlastungsmaßnahmen gegen "Kostenlawine"

Finanzminister Brunner: Der Staat kann nicht jede Krise zu 100% kompensieren, aber unterstützen wo es am nötigsten ist

Wien (PK) – In der heutigen Bundesratssitzung richtete die FPÖ eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner. Gegenstand waren die aus FPÖ-Sicht massiven Teuerungen in den verschiedenen Bereichen, von den Energiekosten über die Lebensmittelpreise bis hin zu den Wohnkosten. Der Bundesregierung warfen sie in diesem Zusammenhang eine substanzlose Ankündigungspolitik und "Entlastungskosmetik" ohne Wirkung vor und lasteten ihr an, die Lage etwa durch die CO2-Bepreisung oder die Sanktionen gegenüber Russland noch weiter zu verschärfen. Finanzminister Magnus Brunner verwies auf bereits gesetzte Entlastungsmaßnahmen und plädierte für eine evidenzbasierte Politik.

Ein im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage eingebrachter Entschließungsantrag der Freiheitlichen fand keine Mehrheit. Darin fordern sie angesichts einer 29 Punkte langen "Versagensliste" den Rücktritt der Bundesregierung. Ebenfalls in der Minderheit blieb ein Antrag der SPÖ, nach dem den "exorbitanten Preissteigerungen im Supermarkt" mit einer befristeten Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel begegnet werden soll. Durch ein umfassendes Monitoring und empfindliche Strafen für Unternehmen, bei Nichtweitergabe der Steuersenkungen an die Konsument:innen, sollen die preisgesetzlichen Vorschriften durchgesetzt werden. In  einem weiteren abgelehnten Entschließungsantrag forderte auch die SPÖ den Rücktritt der Bundesregierung, da diese aufgrund zahlreicher Fehlentscheidungen nicht mehr über das notwendige Vertrauen verfüge.

Dringliche Anfrage der FPÖ: Echte Entlastungsmaßnahmen dulden keinen Aufschub mehr

"Explodierende" Energie- und Treibstoffpreise sehen die Freiheitlichen als Hauptfaktor für die steigende Inflation und die damit verbundenen Erhöhungen der Verbraucherpreise, unter denen die Bevölkerung tagtäglich leiden würde. Diese Situation habe sich seit Beginn des Krieges in der Ukraine noch zusätzlich verschärft - insbesondere was die Gaspreise betreffe, wie es in der Dringlichen Anfrage heißt. Treibstoff werde zum Luxusgut, Wohnen bald unleistbar und Nahrungsmittel immer teurer, so die FPÖ. Die Einkommensverluste für einen Haushalt lägen bei rund 400 € und im mittleren Einkommensbereich (5.Dezil) bereits bei 557 € jährlich, womit die durchschnittlichen Verluste die Entlastung durch die Steuerreform bereits überstiegen. Auch sämtliche Wirtschaftsbereiche bekämen die Auswirkungen der Teuerung zu spüren und erste Betriebe sähen sich bereits aufgrund der Kostenentwicklung, speziell beim Gas, gezwungen, ihre Produktion zu drosseln oder ganz einzustellen.

Heftige Kritik üben die Freiheitlichen an der Bundesregierung, die laut FPÖ versuche, "mit kosmetischen Korrekturen, zynischen Aktionen und Ankündigungen den Anschein zu erwecken, echte Maßnahmen gegen Energiearmut und Teuerung zu setzen", in Wahrheit jedoch die Preissteigerungen etwa durch die Einführung der "CO2-Steuer" noch befeuere. Entlastungsmaßnahmen wie den Energiekostenausgleich oder den Klimabonus bezeichnet die FPÖ als "blanken Hohn", da diese,  die von der Regierung verursachten Mehrkosten bei weitem nicht abdecken würden. Außerdem würde das Finanzministerium von den Preiserhöhungen bzw. den damit einhergehenden steigenden Steuereinnahmen enorm profitieren, während die Menschen nicht wüssten, wie sie die nächste Stromrechnung oder Tankfüllung begleichen sollen. Kritisch betrachten die Freiheitlichen auch ein Öl-Embargo gegen Russland, da dieses der eigenen Bevölkerung mehr Schaden würde, als dem eigentlichen Adressaten. Russland würde sein Öl problemlos in Indien oder China verkaufen, während in Europa noch weitere Teuerungen folgen würden.

Es sei nun an der Zeit, von der Ankündigungspolitik zu wirksamen Maßnahmen zur Entlastung der Menschen zu kommen, so die FPÖ, denn es müsse mit allen Mitteln verhindert werden, dass vor allem Personen mit geringem Einkommen sich das Leben nicht mehr leisten können. Vor diesem Hintergrund plädierten  die Freiheitlichen unter anderem für die Möglichkeit von Steuersenkungen auf Treibstoff, die Einführung eines bundesweiten Heizkostenzuschusses für bedürftige Personen in der Höhe von mindestens 300 €, einer automatischen Inflationsanpassung bei sämtlichen Versicherungs-, Familien- und Sozialleistungen, einer Senkung der Lohnnebenkosten und einer Evaluierung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland. Außerdem fragten Sie nach den konkreten Tätigkeiten der "Expert:innengruppe zur Beobachtung und Analyse der Inflationsentwicklung (EBAI)", die mit einem Vortrag an den Ministerrat vom 20. März 2022 eingerichtet wurde, und sie erkundigten sich nach der Haltung von Finanzminister Brunner gegenüber einem Ölembargo gegen Russland.

Finanzminister Brunner plädiert für mehr Seriosität in der Debatte und eine evidenzbasierte Politik

Finanzminister Magnus Brunner stimmte den Afragesteller:innen insofern zu, dass die Teuerung die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen stelle. Er verwies jedoch auf bereits gesetzte Maßnahmen der Bundesregierung, die die Bevölkerung mehr als in anderen EU-Ländern entlasten würden. Es sei von größter Relevanz, dass alle Gebietskörperschaften an einem Strang ziehen, da bisher nur der Bund Abhilfe geschaffen hätte. Außerdem brauche es "einen kühlen Kopf und eine ruhige Hand", da viele der von der Opposition vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die Teuerung eher kontraproduktiv oder gar inflationstreibend wirken würden. So sei die Preisdeckelung bei Treibstoff schon in Slowenien und Ungarn nicht sonderlich erfolgreich gewesen und eine allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer nicht sozial treffsicher.

Brunner plädierte für mehr Seriosität in der Debatte und eine evidenzbasierte Politik, wofür auch die EBAI eingerichtet worden sei. Die gegenwärtige prekäre Lage sei in globalen Entwicklungen begründet und der Nationalstaat könne nicht jede Krise zu 100% kompensieren. Sehr wohl könne er jedoch die Preissteigerungen dort abfedern, wo es am dringendsten vonnöten sei und hier habe Österreich bezüglich der Geschwindigkeit, des Volumens und der Dauer, weitaus effektiver gehandelt als andere EU-Staaten. Auch die Ökosoziale Steuerreform beginne gerade jetzt ihre Wirkung zu entfalten.

Auf die Fragen der Freiheitlichen antwortete Brunner unter anderem, dass eine Steuersenkung auf Benzin und Diesel unionsrechtlich nicht zulässig sei. Stattdessen setze man hier auf Maßnahmen wie die Erhöhung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros. Um weiteren Belastungen durch die CO2-Bepreisung entgegenzuwirken, seien im Rahmen der ökosozialen Steuerreform bereits Vorkehrungen getroffen worden. Sozialleistungen unterlägen bereits jetzt großteils einer automatisierten Inflationsanpassung und eine Senkung der Lohnnebenkosten werde von der EBAI geprüft. Zu den Sanktionen bzw. dem angedachten Öl-Embargo gegen Russland sagte Brunner, dass dies gemeinsam mit den europäischen Partnern entschieden werden müsse. Das Ausmaß der negativen Rückwirkungen auf Österreich lasse sich schwer prognostizieren, doch auch eine ungehemmte Fortsetzung des Krieges zeitige schwerwiegende ökonomische Folgen.

FPÖ fordert Rücktritt der Bundesregierung

Im Plenum bekräftigte Christoph Steiner (FPÖ/T) den Tenor der Dringlichen Anfrage und verlieh seinem Unverständnis darüber Ausdruck, dass die Bürger:innen sich "das minimalste Leben" nicht leisten könnten, während der Finanzminister Milliarden mit diesem "Leid" verdiene. Dieser versuche - die durch eine katastrophale Corona-Politik geleerten Kassen - nun wieder aufzufüllen und verspiele damit die Zukunft unserer Kinder. So werde der zu 80% in öffentlicher Hand befindliche Verbund-Konzern im Jahr 2022 bis zu 2 Mrd. € Nettogewinn machen – was mehr als einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr entspreche. Steiner bezeichnete die Entlastungspakete der Koalition angesichts der prekären Situation vieler Menschen als "lächerlich".

Die Bundesregierung könne sich laut Steiner wegen ihres eigenen personellen Chaos nicht um die Sorgen der Österreicher:innen kümmern und solle deshalb zurücktreten. Eine Forderung die Josef Ofner (FPÖ/K) mit einem dementsprechenden Entschließungsantrag unterstrich. Laut Ofner leide die Koalition an "Wahrnehmungsstörungen in Bezug auf die Realität" und bringe keinerlei Empathie für die Bevölkerung auf, weshalb sie den Weg für Neuwahlen frei machen solle. Die Zeit des Redens sei endgültig vorbei, zeigten sich auch Andreas Arthur Spanring (FPÖ/T) und Günter Pröller (FPÖ/O) überzeugt.

ÖVP und Grüne: Einseitige Schuldzuweisungen helfen gegen globale Krisen nicht

Sebastian Kolland (ÖVP/T) zeigte Verständnis für die Emotionalität der Debatte, gab jedoch zu bedenken, dass es sich bei der Inflation nicht um ein auf Österreich beschränktes Phänomen handle. Einseitige Schuldzuweisungen an die Regierung seien angesichts von Entlastungspaketen in der Höhe von insgesamt 4 Mrd. € fehl am Platz, dies sei vor allem im Vergleich mit anderen EU-Staaten nicht bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zudem würden bereits weitere Maßnahmen, wie die Abschaffung der kalten Progression angedacht.

Kollands niederösterreichische Fraktionskollegin Sonja Zwazl zeigte ebenfalls Unverständnis ob der Angriffe der Opposition und betonte, dass trotz aller globaler Auswirkungen der Pandemie, die Regierung in der Krise erfolgreich gehandelt habe – insbesondere im internationalen Vergleich. Auch der Krieg in der Ukraine habe globale ökonomische Auswirkungen, denen man nur begegnen könne, wenn produktiv zusammengearbeitet und nicht der gesellschaftlichen Spaltung Vorschub geleistet werde.

Auch Elisabeth Kittl (Grüne/W) widersprach der Opposition. Niemand würde die Situation schönreden. Ganz im Gegenteil – es herrsche Krieg in Europa und wir würden diesen Krieg indirekt mitfinanzieren. Deshalb sollten sich gerade diejenigen, die es sich leisten können, klimaschonender Mobilität bedienen, um einen kleinen Beitrag zur Energieunabhängigkeit zu leisten. Der Vorwurf der Freiheitlichen, der Bund würde von der Teuerung profitieren, sei eine "schlichtweg populistische Verleumdung", mit deren Hilfe ein Schuldiger gesucht werde – doch der Schuldige sitze in Moskau, so Kittl.

SPÖ traut Koalition die Krisenbewältigung nicht mehr zu

Wann habe die Regierung zwischen Skandalen und Minister:innenwechsel endlich den Kopf frei, ihre Pflicht zu tun und Verantwortung für die Bevölkerung zu übernehmen? Mit dieser Frage drückte Andrea Kahofer (SPÖ/N) ihre Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Koalition gegen die Teuerung aus. Sie erörterte, wie die Preissteigerungen in den verschiedensten Bereichen die Menschen belasten würden. Um dem entgegenzuwirken brauche es einen kühlen Kopf, stimmte sie Finanzminister Brunner zu, doch bestimmt brauche es keine soziale Kälte. Es sei genug evaluiert und analysiert worden, nun sei es an der Zeit zu handeln.

Sascha Obrecht (SPÖ/W) regte an, sich an der spanischen Regierung ein Beispiel zu nehmen. Diese habe mit der Europäischen Kommission verhandelt und eine Mehrwertsteuersenkung auf Treibstoff durchgesetzt, was laut Brunner unionsrechtlich nicht zulässig sei. Spanien und Portugal seien laut Obrecht auch schneller bei den Maßnahmen gegen die Teuerung gewesen.

Für Korinna Schumann (SPÖ/W) sei es eine Verhöhnung der Menschen, sich wegen der bereits gesetzten Maßnahmen auf die Schulter zu klopfen. Sie gab an, dass 700.000 Menschen im Land  Angst hätten, in den nächsten Monaten ihre Miete nicht zahlen zu können. Die Reduktion der Mehrwertsteuer sei zwar sozial nicht treffsicher, würde jedoch die dringend notwendige, akute Abhilfe schaffen. Sie traue es dieser Regierung nicht zu, weder die bereits vorhandenen, noch die kommenden Herausforderungen  zu meistern und habe genug von Ankündigungen und Skandalen. Auch Schumann forderte per Entschließungsantrag den Rücktritt der Bundesregierung.

NEOS hoffen weiter auf Abschaffung der kalten Progression

Der Wiener NEOS-Mandatar Karl-Arthur Arlamovsky gestand der Koalition zu, dass diese für die gegenwärtige Teuerung nur zu einem geringen Teil d verantwortlich sei. Vieles hänge mit der Politik der EZB und globalen Entwicklungen zusammen. Der beste Weg wäre laut Arlamovsky die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren.

Kritik übte er an der Praxis der Regierung, "Geldgeschenke mit der Gießkanne" zu verteilen, aber untätig bei der Senkung der Lohnnebenkosten zu bleiben. Der Finanzminister könne sich über Rekordeinnahmen freuen und die Abgabenquote bleibe trotz gegenteiliger Ankündigungen stabil bei 44%. Nun werde abermals die Abschaffung der kalten Progression in Aussicht gestellt, erklärte Arlamovsky und drückte seine Hoffnung darüber aus, dass diese diesmal wirklich umgesetzt werde. (Schluss Bundesrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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