Parlamentskorrespondenz Nr. 521 vom 18.05.2022

Regierungserklärung im Nationalrat mit Kocher und Totschnig

Debatte über Wirtschaft, Arbeit und Landwirtschaft

Wien (PK) – Im Rahmen der Regierungserklärung in der heutigen Nationalratssitzung zur aktuellen Regierungsumbildung debattierten die Abgeordneten mit den Ministern Martin Kocher und Nobert Totschnig die Themen Wirtschaft, Arbeit und Landwirtschaft. Der nunmehrige Wirtschafts- und Arbeitsminister Kocher kündigte an, dass es ein Ministerium geben werde, in dem diese beiden Bereiche gemeinsam mit dem Tourismus zusammengeführt werden, sobald das geänderte Bundesministeriengesetz beschlossen ist. Totschnig wiederum bezeichnete es als großes Privileg, sich künftig als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft sowie Regionen in diesen Zuständigkeiten einzubringen.

Kocher: Zusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit bringt Chancen

Der Wirtschaftsstandort Österreich stehe trotz vieler Herausforderungen gut da, betonte Arbeits- und nunmehr auch Wirtschaftsminister Kocher mit ausdrücklichem Dank an seine Vorgängerin für den Bereich Wirtschaft, Margarete Schramböck. Zudem freue er sich auf die Zusammenarbeit mit Susanne Kraus-Winkler als Staatssekretärin für Tourismus. Wiewohl er Bedenken sehr ernst nehme, biete die künftige Konzentration aus Wirtschaft, Arbeit und Tourismus viele Chancen, vor allem bei jenen drängenden Themen, wo es gemeinsame Lösungen brauche. Er denke dabei an den Standort insgesamt oder etwa an eine Fachkräftestrategie, aber auch an den Umgang mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine. Kocher zeigte sich überzeugt, den Interessenausgleich sachorientiert zustande zu bringen. Wichtig sei ihm, weiterhin gemeinsam mit den Sozialpartnern an Lösungen zu arbeiten. Etwa auch im Hinblick auf die derzeit vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit in Österreich blicke er für seine Bereiche auch in schwierigere Zeiten aus einer demzufolge robusten Lage heraus.

Österreich sei ein Land, in dem das Miteinander von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gut funktioniere, unterstrich Peter Haubner (ÖVP) seine Freude darüber, dass nunmehr Wirtschaft und Arbeit in einem Ministerium zusammengefasst werden. An vorangegangenen Maßnahmen von Schramböck strich er etwa die Investitionsprämie hervor und betonte, dass die Bundesregierung auf eine Entlastung der Menschen setze, der Teuerung den Kampf angesagt habe und dass die Versorgungssicherheit ganz oben stehe.

Christoph Matznetter (SPÖ) ortet demgegenüber ein "Staatsschiff, das schon mit Corona in schwere Seenot gekommen sei". Er forderte die Bundesregierung, die dieses Schiff steuere, im Hinblick auf die neuerliche Regierungsumbildung auf, den Weg für Neuwahlen freizugeben. Es gehe um mehr als Unterhaltung und Wohlfühlpolitik, nämlich die Kernprobleme wie etwa die Teuerung zu lösen, was diese Koalition aber nicht liefere, kritisierte Matznetter.

Als "unfähig, dieses Land zu regieren", bezeichnete Erwin Angerer (FPÖ) die Bundesregierung. Sowohl entsprechende Sofortmaßnahmen als auch strukturelle Maßnahmen würden im Hinblick auf die Teuerungswelle ausbleiben. Profiteure seien ihm zufolge Großkonzerne, aber auch der Staat. Auch die Wirtschaftskammer reihe sich ihm zufolge in einen "Strom des Abzockens" ein, kritisierte er etwa steigende Kammerbeiträge.

Elisabeth Götze (Grüne) hob die hohe Expertise von Kocher hervor, etwa anhand der Rot-Weiß-Rot-Karte, die sich in Begutachtung befinde. Die Zusammenlegung der beiden Bereiche Wirtschaft und Arbeit bezeichnete sie als "nicht ganz trivial", auch ihr sei es ein großes Anliegen, hier auf den Interessenausgleich zu achten. Es gebe seit zwei Jahren mehrere Krisen zu bewältigen, angefangen von der Pandemie über die Teuerungen im Zuge des Ukraine-Krieges bis hin zur Klimakrise. Die Bundesregierung stehe nicht an, diese Krisen zu bewältigen, etwa in Form von Wirtschaftshilfen in großem Ausmaß oder mit dem Paket zur Abfederung der Teuerung. Skepsis zur Zusammenlegung von Wirtschafts- und Arbeitsagenden äußerte der Grün-Abgeordnete Markus Koza. Beide Ministerien haben seiner Ansicht nach unterschiedliche Funktionen, außerdem stünden Wirtschafts- und Arbeitnehmerinteressen oft im Widerspruch zueinander. Er appellierte daher an Minister Kocher, durch seine Arbeit die dargelegten Bedenken auszuräumen und den erfolgreichen und zukunftsweisenden Weg, den man in der Arbeitsmarktpolitik während der Pandemie eingeschlagen hat, fortzusetzen. Vor allem gehe es auch darum, den ökologischen Transformationsprozess sozial gerecht zu gestalten.

Gerald Loacker (NEOS) wiederum sieht ebenso eine Reihe von Chancen in der Zusammenlegung von Arbeit und Wirtschaft, die auch genutzt werden sollten. Kritik äußerte er an zu hohen Abgaben auf Arbeit, den restriktiven Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes, eine zu kompliziert angelegte Zuwanderungsmöglichkeit von Fachkräften und die nunmehrige Verlängerung der Kurzarbeit. Damit Leute in Jobs zu halten, obwohl sie anderswo gebraucht würden, halte er für "Steuergeldverbrennung allererster Güte".

Totschnig: Ökosoziale Marktwirtschaft als Kompass

Die Landwirtschaft habe ihn seit frühester Kindheit geprägt und ihn unter anderem an die Spitze des Bauernbundes geführt, stellte sich Landwirtschaftsminister Nobert Totschnig den Abgeordneten vor. Als ehemaliger Klubsekretär habe er außerdem gelernt, wie Parlamentarismus funktioniere und freue sich auf eine gute Zusammenarbeit. Der Landwirtschaftssektor stehe in einem enormen strukturellen und technologischen Wandel, der begleitet werden müsse. Es brauche Innovationen, Investitionen und zusätzlich zum Fachwissen ein hohes unternehmerisches Geschick bei den Bäuerinnen und Bauern. An wichtigen Themen nannte der Minister den Klimawandel, aber auch eine hohe Preissensibilität der Märkte sowie eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Die Balance der ökosozialen Marktwirtschaft stelle seinen Kompass zur Bewältigung der Herausforderungen dar. Als einen Schwerpunkt nannte der Landwirtschaftsminister das Thema Lebensmittelversorgung, die in Österreich aber gesichert sei. Was Entlastung und Planungssicherheit für Bäuerinnen und Bauern anbelangt, begrüße er, dass von der Bundesregierung ein Paket ausgearbeitet und demnächst vorgestellt werde. Ein großes Anliegen sei ihm auch die weitere Verbesserung der Chancengleichheit zwischen Stadt und Land.

"Gewehr bei Fuß" würde die Landwirtschaft jedenfalls stehen, wenn es um die Ausbauziele bei der erneuerbaren Energie geht, meinte Georg Strasser (ÖVP). Er wünsche sich hier schnellere Genehmigungsverfahren. Was den Green Deal betrifft, stehe man zwar zu den Klimazielen. Wenn Hunger in der Welt drohe, mache es aber keinen Sinn, in der Landwirtschaft die Handbremse anzuziehen. Gerade in Krisenzeiten seien aus seiner Sicht bis hin zu Preisanpassungen entlang der Kette bis hin zu Konsument:innen alle gefordert.

Große Herausforderungen sieht auch Cornelia Ecker (SPÖ) für die Landwirtschaft. So gehe es etwa um die nachhaltige Bewirtschaftung der Böden, aber auch darum, das Glyphosatverbot umzusetzen. Ecker kritisierte auch, dass ein Verbot von Vollspaltböden bisher gescheitert sei. Außerdem sei das System der Flächenförderung aus ihrer Sicht veraltet, im Gegenteil gelte es, kleinbäuerliche Strukturen zu stärken. Im Paket der Gemeinsamen Agrarpolitik, das diese Woche beschlossen werden soll, ortet sie genau das Gegenteil von einem Stadt-Land-Ausgleich.

Peter Schmiedlechner (FPÖ) sparte nicht an Kritik an der Landwirtschaftspolitik der ÖVP. Die Betriebe würden durch Auflagen und Bürokratie mit dem "Rücken zur Wand" gedrängt. Auch die "Überschusslüge" werde aus seiner Sicht "immer offensichtlicher", ortet Schmiedlechner Importabhängigkeiten bei vielen landwirtschaftlichen Produkten. Bäuerinnen und Bauern würden dringend Entlastungen und Lösungen brauchen, betonte er.

In Österreich gebe es keine Versorgungskrise, die Teuerungskrise sei schwer genug, der Hunger jedoch woanders auf der Welt, meinte Clemens Stammler (Grüne). Der Ohnmacht gelte es, Wirkmacht gegenüber zu stellen, wie das etwa das Klimaticket oder die Photovoltaikoffensive mache. Bei der Herkunftskennzeichnung etwa würde er in Richtung Speisekarte und Gastronomie noch einen Schritt weiter gehen. An resilienteren Kreisläufen werde jedenfalls weiterhin gearbeitet.

Der Kritik eines "Trümmerhaufens", der in der Landwirtschaft hinterlassen werde, schloss sich Karin Doppelbauer (NEOS) an. Unternehmertum werde ihr zufolge im Keim erstickt, die Einkommen der Landwirt:innen seien in Österreich die niedrigsten in ganz Westeuropa, das Bauernsterben dramatisch. Die wichtigste Aufgabe sei jetzt, zu klären, wovon die Landwirtschaft in Zukunft leben kann. Auch die Forstwirtschaft habe nach wie vor Probleme, obwohl die Holzpreise hoch seien, so Doppelbauer. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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