Parlamentskorrespondenz Nr. 528 vom 19.05.2022

Nationalrat schließt Debatten über zweites Volksbegehren gegen die Impfpflicht ab

Gesundheitsminister betont vorausschauende Planung für Herbst und wirbt für Auffrischungsimpfungen

Wien (PK) — Insgesamt 269.391 Personen haben das Volksbegehren unter dem Titel " Impfpflicht: Striktes NEIN " unterzeichnet. Die Bürger:innen, die die darin formulierten Anliegen mittragen, sehen die Impfpflicht als Verletzung ihres Rechts, über Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit selbst entscheiden zu können. Das Volksbegehren wurde nach einer ersten Lesung im Nationalrat im Rahmen eines Hearings im Gesundheitsausschuss behandelt und heute erneut im Nationalrat abschließend diskutiert. Der Bericht des Gesundheitsausschusses wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Unterstützer:innen des Volksbegehrens wandten sich neben der – vorerst ausgesetzten - Impfpflicht auch gegen den Grünen Pass und brachten Befürchtungen zum Ausdruck, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen nicht mehr ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen bzw. sogar gekündigt werden könnten, falls sie sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Der Bundesverfassungsgesetzgeber müsse die Impfpflicht verbieten und jegliche Art der Diskriminierung von Menschen ohne Impfung verhindern, lauteten die zentralen Forderungen.

Ein von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag, den Maskenzwang in allen Lebensbereichen und insbesondere im Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unmittelbar zu beenden, fand keine Mehrheit.

Grüne: Impfgegnerschaft wird immer mehr zur Bedrohung für das Gesundheitssystem

Der Gesundheitssprecher der Grünen Ralph Schallmeiner betonte, dass Impfungen eine der größten Innovationen der Medizin seien. Sie hätten zahlreiche Todesopfer verhindert. Gerade der durchschlagende Erfolg von Impfungen gegen viele früher bedrohliche Erkrankungen habe aber auch dazu geführt, dass immer mehr Menschen fälschlich glauben, dass sie nicht mehr notwendig seien. Bei allen Impfungen gebe es tatsächlich in geringem Umfang auch Nebenwirkungen, das sei eine Tatsache. Allerdings würden in dieser Frage auch viele Falschbehauptungen verbreitet und leider auch geglaubt. Das vorliegende Volksbegehren appelliere genau an jene irrationalen Ängste und rede von einem "Zwang zur Impfung", obwohl es um eine Pflicht gehe. Eine Diskussion darüber müsse zweifellos zulässig sein, aber das Volkbegehren thematisiere nicht nur die Impfplicht, sondern verstärke die Impfskepsis, vor der zu warnen sei. Die WHO sehe unterdessen die Impfgegnerschaft als eine der größten Bedrohungen für das Funktionieren der Gesundheitssysteme weltweit.

SPÖ: Impfpflichtgesetz wird nur gelten, wenn es notwendig ist

Philip Kucher (SPÖ) wies auf die hohe Zahl gefälschter und illegaler Arzneimittel hin, die im letzten Jahr an der Grenze sichergestellt wurden. Der Spitzenreiter sei dabei das Medikament Ivermectin gewesen. Kucher sah einen Zusammenhang damit, dass diese unwirksamen Mittel von FPÖ-Obmann Herbert Kickl angepriesen worden sei. Angesichts der Tatsache, dass es zu Vergiftungen durch das Mittel gekommen ist, sei eine Entschuldigung der FPÖ jedenfalls angebracht. Worüber man aus Sicht des Abgeordneten zudem reden sollte, sei die Frage, warum in Österreich parteipolitisches Hickhack dazu geführt habe, dass man schlechter durch die Pandemie gekommen sei, als andere Länder. Was die Impfpflicht betreffe, so habe die SPÖ ausverhandelt, dass diese keinen Tag länger gelten werde, als das faktenbasiert notwendig sei.

FPÖ übt heftige Kritik an Impfpflicht und bezweifelt Wirkung der Impfungen

Gerhard Kaniak (FPÖ) betonte, das Volksbegehren habe sich grundsätzlich der Frage gewidmet, ob eine allgemeine Impfpflicht im epidemiologischen Notfall notwendig sei. Die Unterzeichner:innen hätten sich grundlegend dagegen ausgesprochen. Zugleich hätten sie auch wichtige Prinzipien bei der Erlassung von Gesetzen eingefordert, wie die Prüfung der Notwendigkeit einer Maßnahme. Unterdessen zeige sich, dass ein Impfzwang nicht notwendig sei, da es ein ausreichendes Instrumentarium gebe, um die Pandemie in den Griff bekommen. Auch zeige sich, dass das Impfpflichtgesetz sein angestrebtes Ziel gar nicht erreichen könne und sogar einen negativen Effekt auf die Impfbereitschaft der Bevölkerung hatte. Zudem sei sie schon allein aus verwaltungstechnischen Gründen nicht umsetzbar. Da man den Menschen zuerst versprochen habe, dass es keine Impfpflicht geben werde, sei auch ein eklatanter politischer Vertrauensbruch geschehen, kritisierte Kaniak die Bundesregierung.

Susanne Fürst (FPÖ) sagte, unterdessen sei der Punkt erreicht, dass man mit dem COVID-19-Virus wie mit anderen Infektionskrankheiten lebe. Zwangsmaßnahmen seien daher nicht angebracht und alle müssten frei entscheiden können, ob sie eine Impfung wollen oder nicht. Der Impfdruck sei im Übrigen einer der Gründe, warum heute im Gesundheitsbereich weniger Personal zur Verfügung stehe als zu Beginn der Pandemie, argumentierte Fürst.

Peter Wurm (FPÖ) bezweifelte die Wirksamkeit der Impfungen gegen schwere Krankheitsverläufe. Bei Menschen unter Sechzig würde nach Meinung von Expert:innen die Abwägung von Schaden und Nutzen sogar klar gegen die Impfung sprechen. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) zog ebenfalls die Wirkung der Impfung in Zweifel. Das Impfpflichtgesetz mache vielen Bürger:innen große Sorgen, zumal immer mehr Impfschäden bekannt würden. Im Zuge der Pandemie seien demokratische Prinzipien außer Kraft gesetzt worden, eine Entschuldigung der Bundesregierung dafür sei angebracht. Gerald Hauser (FPÖ) sah ebenfalls die Wirksamkeit und Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe als nicht bestätigt an. Die Bundesregierung und insbesondere der Gesundheitsminister seien angesichts der Fakten der Bevölkerung eine Erklärung schuldig, warum sie trotzdem an der Impfung festhalte.

ÖVP: Impfungen werden in einer Pandemie zur gesellschaftlichen Frage

Die Proponent:innen und Unterzeichner:innen hätten ein demokratisches Instrument in Anspruch genommen und das sei zu respektieren, betonte Josef Smolle (ÖVP). Er erinnerte an den Verlauf der Pandemie, der gezeigt habe, dass die Impfung einen wichtigen Beitrag leiste, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Impfungen als Präventionsmaßnahme seien zwar grundsätzlich eine persönliche Entscheidung. Wenn aber eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe oder wenn vulnerable Gruppen gefährdet seien, werde die Impfbereitschaft eine gesellschaftliche Frage. Hier setze das Impfpflichtgesetz an. Das Gesetz berücksichtige die Dynamik der Pandemieentwicklung. Damit könne es je nach Bedarf in Kraft oder auch ausgesetzt werden. Derzeit sei es aufgrund der allgemeinen Pandemielage, und zwar zu Recht, nicht in Kraft.

Niemand könne in seriöser Weise sagen, wie es mit der Pandemie weitergehe, fest stehe nur, dass sie noch nicht vorbei sei, sagte Werner Saxinger (ÖVP). Eine Pandemie sei keine Privatsache, sondern in ihr sei Solidarität gefragt. Die Impfung sei wirksam und habe zahlreiche Todesopfer verhindert. Mit dem flexiblen Impfpflichtgesetz sei man gut auf alle Möglichkeiten vorbereitet. Auch Gabriela Schwarz (ÖVP) unterstrich, dass die Impfung ein wesentlicher Schutz vor schweren Erkrankungen sei und umso besser wirke, je mehr Menschen sich impfen lassen.

NEOS: Ausschlaggebend ist die Meinung der Expert:innen

Gerald Loacker (NEOS) betonte, es sei wichtig, bei gesundheitspolitischen Entscheidungen auf die Expert:innen zu hören und Parteipolitik aus ihnen herauszuhalten. In diesem Sinne gebühre den Mitgliedern der Impfkommission besonderer Dank dafür, dass sie bereit seien, "die heißen Kartoffeln anzufassen", welche die Politik ihnen zuschiebe. Loacker mahnte zur Vorsicht bei den Empfehlungen zur Auffrischungsimpfung. Derzeit gebe es noch keine Impfungen gegen die neuen Virusvarianten, daher sei es nicht sinnvoll, die Auffrischung bereits jetzt breit zu empfehlen.

Rauch: Auffrischungsimpfungen werden im Herbst notwendig sein

Gesundheitsminister Johannes Rauch sagte, die demokratische Meinungsäußerung sei zu respektieren. Er wolle der Bevölkerung für ihre Bereitschaft danken, die Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie mitzutragen. Der Dank gelte auch den politischen Fraktionen, die bereit gewesen seien, rasch Maßnahmen zu setzen. Ihm sei sehr wohl bewusst, dass manche der Maßnahmen "eine demokratiepolitische Zumutung" gewesen seien. Wichtig sei daher immer der differenzierte Umgang mit Argumenten und Fakten. Leider sei die Pandemie nach wie vor nicht vorbei. So weise Portugal derzeit ein erhöhtes Infektionsgeschehen mit neuen Virusvarianten auf. Das zeige, dass man sich seriös auf den Herbst und Winter vorbereiten müsse. Sein Ressort habe dazu gemeinsam mit Expert:innen vier mögliche Varianten erarbeitet, um für alle Fälle planen zu könne. Darin seien die in der Pandemie gemachten Erfahrungen eingeflossen, betonte Rauch. So müsse man besonders an das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich denken. Die Frage der Überlastung des Gesundheitssystems sei daran zu bemessen, ob das Personal seine Arbeit noch gut bewältigen könne. Was die Auffrischungsimpfung betreffe, laute die aktuelle Empfehlung, dass Menschen über 80 sie jetzt schon durchführen sollten und Menschen über 65 sich dazu mit ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin beraten sollten. Sinnvoll sei es, in der Bevölkerung das Bewusstsein für eine Auffrischungsimpfung im Herbst zu schaffen, um die Immunisierung auf einem hohen Niveau zu halten. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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