Parlamentskorrespondenz Nr. 535 vom 19.05.2022

Spätrücktritt bei Lebensversicherungen: Einstimmigkeit im Nationalrat für Novelle

Einhellige Beschlüsse auch zu Berufsrechts-Anpassungen und Datenschutz-Übereinkommen

Wien (PK) – Einstimmig hat der Nationalrat heute den Entschluss gefasst, nach Urteilen des OGH und des EuGH nunmehr die Regelungen zum Spätrücktritt bei Lebensversicherungen klarzustellen. Mit einer entsprechenden Novelle zum Versicherungsvertragsgesetz werden Konsument:innen geschützt und Rechtssicherheit geschaffen, unterstrich Justizministerin Alma Zadić.

Einstimmigkeit gab es bei den Abgeordneten auch für die Ratifikation zum sogenannten Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Ein Entschließungsantrag, mit dem sich die NEOS gegen EU-Pläne für eine von ihnen so genannte "Massenüberwachung" in Form einer Echtzeit-Chatkontrolle aussprechen und auf Privatsphäre und Datenschutz verweisen, blieb in der Minderheit.

Für Berufsrechts-Anpassungen für Notar:innen und Rechtsanwält:innen sprachen sich die Abgeordneten in dritter Lesung schließlich einstimmig aus. Kritik übte die SPÖ an einer einzuholenden Zustimmung für Rechtsanwaltsanwärter:innen im Falle einer Ruhendstellung, deren Möglichkeit etwa bei Geburt eines Kindes mit den nunmehrigen Anpassungen eingeführt wird. Ein entsprechender SPÖ-Abänderungsantrag blieb in der Minderheit.

Spätrücktritt von Lebensversicherungen

Mit der Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 soll der Spätrücktritt bei Lebensversicherungen aufgrund von Urteilen des OGH und des EuGH nach einer Novelle 2018 revidiert werden. Wie Justizministerin Alma Zadić ausführte, wird nunmehr klargestellt, dass im Fall einer grob fehlerhaften - ebenso wie bei einer überhaupt fehlenden - Rücktrittsbelehrung bei Lebensversicherungen ein "ewiges Rücktrittsrecht" zusteht. Entfallen soll für einen solchen Fall auch der Punkt, dass lediglich der Rückkaufswert zu erstatten wäre. Die Betroffenen sollen Anspruch auf die Rückzahlung eingezahlter Prämien haben und nicht mehr nur auf den Rückkaufswert, erläuterte die Justizministerin ebenso wie Johanna Jachs (ÖVP). Damit werde auch eine Ungerechtigkeit beseitigt und ein Gesetz repariert, das schon jetzt keine Anwendung mehr gehabt habe, weil es gegen EU-Bestimmungen verstieß.

Die Regelungen, die einstimmig angenommen wurden, sollen mit 1. August 2022 in Kraft treten und auch rückwirkend für entsprechende Fälle von Rücktritten gelten, die nach dem 31. Dezember 2018 erklärt wurden. Damit werde laut Erläuterungen die Rechtsprechung des OGH anwendbar, der schon bisher den betreffenden Paragraphen unangewendet gelassen und bei einem Spätrücktritt eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vorgenommen habe.

Von einer Geschichte mit einem "Happy End" im Konsumentenschutz sprach dazu Ulrike Fischer (Grüne). Für Personen, die eventuell auch in einer Notlage eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, sei es bisher schwierig gewesen, im Zusammenhang mit einer fehlerhaften oder fehlenden Rücktrittsbelehrung zurückzutreten. Nina Tomaselli (Grüne) blickte auf die politische Genese der Materie zurück und brachte eine "Versicherungslobby" ins Spiel, von der ganze Gesetzestexte formuliert worden seien. Außerdem gebe es einen politischen Zusammenhang mit dem Privatklinikfonds bzw. "dubiosen Deals" in der Zeit von "Türkis-Blau", warf sie der FPÖ vor.

Nurten Yılmaz (SPÖ) würde sich wünschen, dass in Zukunft nicht erst die EU aktiv werden müsse, damit Verbraucher:innen ihr Recht bekommen, wie sie sagte. Insgesamt würden die Anpassungen zu mehr Konsumentenschutz führen und die Rechte bei den Rücktritten würden gestärkt. 

Lob verdiene es, dass nun etwas im Sinne von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit getan werde, äußerte sich Johannes Margreiter (NEOS) dazu. Aus seiner Sicht wären aber auch andere wichtige Materien dringend umzusetzen, wie etwa zum Thema Maßnahmenvollzug und zur Verschärfung der Korruptionsbestimmungen.

Berufsrechts-Anpassungen für Notar:innen und Rechtsanwält:innen

Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 sollen in den Berufsrechten der Notar:innen und Rechtsanwält:innen verschiedene Probleme gelöst werden. Unter anderem soll im Hinblick auf einen allfällig drohenden, sogenannten Solennitätsverlust, also den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde, die Auflistung der Fälle aktualisiert werden, in denen Notar:innen keine Notariatsurkunde aufnehmen dürfen. In weiteren definierten Fällen wird dazu eine Offenlegungspflicht des Notars bzw. der Notarin vorgeschlagen.

Für den Rechtsanwaltsberuf soll samt entsprechenden Begleitregelungen statt der bisherigen Streichung aus der Liste der Rechtsanwält:innen bzw. Rechtsanwaltsanwärter:innen bei Geburt, Adoption oder Pflege eines minderjährigen Kindes die Möglichkeit einer Ruhendstellung der Berufs- bzw. Tätigkeitsberechtigung mit einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren eingeführt werden. Neben weiteren Anpassungen ist auch eine Verlängerung bestehender Corona-Sonderregelungen vorgesehen, etwa was Briefwahlen und Briefabstimmungen betrifft.

Justizministerin Alma Zadić erläuterte hinsichtlich der Ruhendstellungsmöglichkeit, dass niemand den Rechtsanwaltsberuf verlassen müssen soll, wenn er oder sie in Karenz geht und sprach damit explizit an, dass es nicht nur um Frauen, sondern auch um Männer gehe.

Harald Stefan (FPÖ) erachtet die Novelle für "aus der Praxis kommend" und sinnvoll. Neben der angesprochenen Ruhendstellungsmöglichkeit für Anwärter:innen seien etwa auch die Videokonferenzen für die Kammertätigkeit oder die Klarstellungen für Notar:innen wichtig.

Für den Rechtsanwaltsberuf werde mit der Ruhendstellungsoption die Möglichkeit geschaffen, eine Familie zu gründen, ohne den Beruf aufgeben zu müssen, so Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Selma Yildirim (SPÖ) kritisierte demgegenüber mit ihrem eingebrachten Antrag die Zustimmungserfordernis zur Ruhendstellung. Das stelle eine strukturelle Benachteiligung gegenüber der Privatwirtschaft dar und sei abzuschaffen, meinte sie.

Von einem Meilenstein im Standesrecht der Rechtsanwält:innen sprach hinsichtlich der Ruhendstellung Klaus Fürlinger (ÖVP). Er könne nichts Vermessenes darin sehen, dass der Dienstgeber von einer Schwangerschaft verständigt werden soll. Niemand werde dem etwas entgegenhalten, so Fürlinger. Johannes Margreiter (NEOS) hielt dem entgegen, gerade weil niemand die Zustimmung verweigern werde, halte er die Zustimmungserfordernis für entbehrlich und sprach sich sowohl für die Vorlage, als auch für den SPÖ-Antrag aus.

Ratifikation eines Datenschutz-Übereinkommens

Einhellig stimmten die Abgeordneten für die Ratifikation des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Modernisierung des Übereinkommens zielt insbesondere darauf ab, eine Anpassung an die gesellschaftlichen und technischen Veränderungen sicherzustellen, wie etwa Gertraud Salzmann (ÖVP) erläuterte. Mit dem Inkrafttreten des Protokolls soll das Übereinkommen im Wesentlichen an den gewandelten unionsrechtlichen Datenschutzrechtsrahmen angeglichen werden.

Die Überarbeitung brauche es, weil sich der EU-Datenschutzrahmen verändert habe und eine Angleichung notwendig ist, zeigte sich Christian Drobits (SPÖ) zustimmend. Das Übereinkommen habe den großen Vorteil, dass es alle Länder dieser Welt ratifizieren können.

Als essentiell bezeichnete Nikolaus Scherak (NEOS) beim Übereinkommen, dass hohe Datenschutzstandards auch in Länder außerhalb der EU exportiert würden. Eine ganz klare Absage gelte es aber an überbordende Überwachungsphantasien zu erteilen, meinte er im Hinblick auf andere EU-Vorhaben zur Durchforstung der gesamten privaten Kommunikation. Harald Stefan (FPÖ) schloss sich Scherak in dem Punk an, dass die betreffende Chatüberwachung als dramatischer Eingriff in die Privatsphäre klar abzulehnen sei. Mit der vorliegenden Ratifikation sei die FPÖ aber einverstanden, zumal sich materiell nichts am österreichischen Recht ändern werde. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.