Parlamentskorrespondenz Nr. 564 vom 24.05.2022

Neu im Gesundheitsausschuss

Initiativen zu Leistungsharmonisierung im Gesundheitswesen, psychotherapeutische Versorgung, Maskenpflicht, Suchtpolitik

Wien (PK) – Bei den neu eingelangten und dem Gesundheitsausschuss zugewiesenen Anträgen der Opposition stehen unter anderem ein Risikostrukturausgleich zwischen den einzelnen Krankenkassen, die Vereinheitlichung und Akademisierung der Psychotherapieausbildung, die Ausweitung der Corona-Testangebote für Menschen mit Behinderung, die Aufhebung der FFP2-Maskenpflicht im Handel und den Banken, die Neuorientierung der heimischen Suchtpolitik sowie die Einrichtung eines mobilen und flächendeckenden Visitendienstes durch ärztliches Fachpersonal in Pandemiezeiten im Fokus.

SPÖ für Leistungsharmonisierung bei den Krankenkassen und Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde

Die als große Errungenschaft des Strukturumbaus in der Krankenversicherung angekündigte Leistungsharmonisierung lasse auch unter der türkis-grünen Regierung weiter auf sich warten, beklagt SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher in einem Entschließungsantrag seiner Fraktion (2507/A(E)). Die bereits bestehende "3-Klassen-Medizin" werde fortgeführt, da sich die Leistungen zwischen ÖGK, SVS und BVAEB noch immer signifikant unterscheiden und sich weiter auseinander entwickeln würden. Das Ziel einer fairen Gesundheitspolitik müsse jedoch die Versorgung aller Versicherten mit gleich guten Leistungen sein, unterstreicht Kucher, der einen Risikostrukturausgleich zwischen den einzelnen Krankenkassen für unerlässlich hält.

Gerade die letzten zwei Jahre der Pandemie hätten gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitssystem sei. Es gebe jedoch immer mehr Probleme bei der wohnortnahen Versorgung der Versicherten mit den notwendigen Gesundheitsleistungen. Als ein Beispiel führt Kucher den eklatanten Mangel an Kinderärzt:innen an, zumal nur mehr rund 280 von insgesamt 609 pädiatrischen Praxen einen Kassenvertrag haben. Der Gesundheitsminister sei daher gefordert, rasch Lösungen auf den Tisch zu legen, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung innerhalb des bestehenden Sozialversicherungssystems sicherzustellen. Dringend erforderlich sei eine Leistungsharmonisierung über alle Krankenversicherungsträger hinweg, wobei man sich jeweils an den höchsten Standards orientieren sollte. Über Fortschritte in diesem Bereich sollte der Gesundheitsminister halbjährlich berichten. Außerdem mahnen die Sozialdemokrat:innen die Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde ein, um damit einen Leistungsausbau zu ermöglichen.

FPÖ für Einrichtung eines mobilen und flächendeckenden Visitendiensts

Umfassende Kritik am Corona-Management der Bundesregierung übt erneut der freiheitliche Mandatar Gerald Hauser (2595/A(E) ). In einem Entschließungsantrag seiner Fraktion weist er u.a. darauf hin, dass in Österreich seit Beginn der Pandemie fast 20.000 Menschen an oder mit COVID-19 gestorben seien und somit deutlich mehr als im größeren und oftmals gescholtenen Schweden. Der Hauptfehler der letzten Jahre sei darin gelegen, dass die COVID-19-Erkrankten in Österreich zum großen Teil zu Hause sich selbst überlassen wurden, urteilt Hauser. Man habe sich zwar immer als "Testweltmeister" gerühmt, aber um die Erkrankten habe sich praktisch niemand gekümmert. Aufgrund der fehlenden ärztlichen Betreuung und der mangelnden frühzeitigen medikamentösen Behandlungen habe " man also rund 15.000 Menschen sterben lassen". In über 1.500 wissenschaftlichen Publikationen werde nämlich klar belegt, dass die rechtzeitige Verschreibung von adäquaten Medikamenten die Sterblichkeit um 70-80% gesenkt hätte. Daraus leitet Hauser die Forderung ab, einen mobilen und flächendeckenden Visitendienst auf der Grundlage des Epidemiegesetzes einzurichten. Im Hinblick auf zukünftige Infektionswellen und ähnliche Bedrohungsszenarien sollte im Bedarfsfall ein Pool an Ärzt:innen und Fachpersonal zur Verfügung stehen, wodurch vor allem auch überforderte Krankenhäuser und Ordinationen entlastet werden könnten.

NEOS: Keine Limitierung der COVID-19-Tests für Menschen mit Behinderungen

Seit dem 1. April wurde die Inanspruchnahme von PCR-Tests auf fünf Stück pro Person und Monat limitiert, ruft NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler in Erinnerung (2513/A(E) ). Laut Verordnung gebe es zwar Ausnahmen für bestimmte Personen wie etwa für Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen von Alten- und Pflegeheimen oder 24-Stunden-Betreuer:innen, Menschen mit Behinderungen würden jedoch nicht darunter fallen. Daran übt Fiedler Kritik, zumal es sich dabei um eine vulnerable Gruppe handle, die ein erhöhtes Risiko für COVID-19 aufweise. Sogar persönliche Assistent:innen von Menschen mit Behinderungen hätten Zugang zu einer höheren Anzahl von Tests. Nach Auffassung der NEOS-Abgeordneten brauche es zudem spezielle Angebote für diese Menschen, da z.B. Selbst-Gurgeltests von Personen mit bestimmten Behinderungen gar nicht genutzt werden können.

NEOS sehen dringenden Bedarf an psychischen Unterstützungsangeboten für das Krankenhauspersonal

Ein Nebeneffekt der Pandemie war es, dass die Arbeitssituation des Krankenhauspersonals wieder mehr in den Fokus gerückt sei, zeigen die NEOS in einem Entschließungsantrag auf (2514/A(E)). Die Mitarbeiter:innen des Gesundheitssektors würden schon seit Jahren über vielfache B elastungen klagen, die von einen hohem Patient:innenaufkommen, Kommunikationsproblemen aufgrund sprachlicher Barrieren bis hin zu potentiell gewaltbereiten Personen reichen. Da sich in den letzten Jahren die Lage noch einmal deutlich verschärft habe, würden viele Pflegekräfte an einen Berufswechsel denken. Durch den anhaltenden Ukraine-Krieg sei das Gesundheitswesen mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert, zumal es sich oft um schwer traumatisierte Patient:innen handle, gibt Fiedler zu bedenken. Es habe sich aber schon vorher gezeigt, dass aufgrund der speziellen Anforderungen durch den Beruf Depressionen und Angstsymptome weit verbreitet seien. Die NEOS fordern daher den Gesundheitsminister auf, sich bei den Bundesländern und Spitalsbetreibern für eine bessere psychische Versorgung von Krankenhausmitarbeiter:innen einzusetzen.

NEOS fordern Vereinheitlichung und Akademisierung der Psychotherapie

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben auch die seit Jahren geführte Debatte über die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Psychotherapie intensiv befeuert, konstatiert Fiona Fiedler (NEOS). Die vielen ungelösten Probleme in diesem Bereich wie etwa die hohen Kosten für Privatpatient:innen, der komplizierte Zugang zu kassenfinanzierten Angeboten oder der fehlende Rahmenvertrag seien in dieser Zeit noch stärker zu Tage getreten. Aus Sicht der NEOS wäre es sehr wichtig, in einem ersten großen Schritt die Psychotherapieausbildung zu vereinheitlichen und zu akademisieren. Damit würde man auch den Diskussionen über die Qualität der jeweiligen Angebote ein Ende bereiten. Derzeit werde die Ausbildung über individuelle Vereine und unterschiedliche Universitäten abgewickelt, bundesweite Vorgaben fehlen jedoch. Da derzeit auch die Bereitschaft aller involvierten Stakeholder hoch sei, Fortschritte zu erreichen, und es einen steigenden Bedarf an Therapien gebe, sollte unter Einbeziehung der entsprechenden Vorarbeiten aus der Vergangenheit rasch an einer Lösung für die Ausbildung gearbeitet werden (2515/A(E) ).

NEOS wollen Rückkehr zur faktenbasierten Normalität und ein Ende der FFP2-Maskenpflicht

Nachdem die COVID-19-Pandemie laut Aussagen zahlreicher Expert:innen in einen endemischen Dauerzustand übergehen soll, wird von den NEOS die Verlängerung von corona-spezifischen Ausnahmeregelungen kritisch hinterfragt. Dem Abgeordneten Gerald Loacker ist insbesondere das Festhalten an der FFP2-Maskenpflicht in einigen Sektoren ein Dorn im Auge. Die ungleiche Behandlung von Mitarbeiter:innen einzelner Branchen führe auch zu immer mehr Protesten, da die Regelungen nicht nachvollziehbar seien. Nicht haltbar sei aus Sicht von Loacker auch das Argument, wonach das Tragen von Masken für die vulnerablen Gruppen wichtig sei, zumal sich jeder einzelne durch den Griff zur Maske selbst schützen könne. Im Sinne einer Rückkehr zur faktenbasierten Normalität fordern die NEOS, die Maskenpflicht mit sofortiger Wirkung außerhalb des Gesundheitssektors, also insbesondere im Handel und in den Banken, aufzuheben (2516/A ).

NEOS für ein Umdenken in der österreichischen Suchtpolitik unter Berücksichtigung des isländischen Präventionskonzeptes

NEOS-Mandatar Yannick Shetty weist darauf hin, dass Österreich in den internationalen Suchtstatistiken traditionell schlecht abschneide (2528/A(E) ). Dies betreffe nicht nur den Tabak- und Alkoholkonsum, sondern auch die Einnahme von Drogen wie Kokain, Amphetamin und Methamphetamin, was Abwasserproben belegen würden. Zusammenfassend lasse sich sagen, dass in Österreich durchschnittlich pro Tag und Person ein Glas Wein, drei Zigaretten, ein halber Joint sowie ein Milligramm aufputschender Drogen konsumiert werden. Da nach Einschätzung von Shetty reine Verbote wenig bewirken, plädiert er für ein generelles Umdenken in der Suchtpolitik. Vorbild dafür könnte Präventionsmodell in Island sein, das seit über 20 Jahren einen evidenzbasierten Weg eingeschlagen und auf positive Anreize, Unterstützung und Begleitung von frühester Jugend an gesetzt habe. Es stehen dabei die Förderung von sinnvollen Gemeinschaftsaktivitäten, Sport und positiven Erfahrungen im Vordergrund, um das Gehirn auf einen "natürlichen Kick" zu trainieren. Mit diesem Konzept konnten Drogenkonsum und die Häufigkeit von Alkoholintoxikationen flächendeckend reduziert werden. Der Gesundheitsminister wird daher von den NEOS ersucht, eine österreichische Suchtstrategie basierend auf dem isländischen Modell zu entwickeln und in diesem Sinne Präventionskonzepte über Sport, Sozialarbeit und psychische Gesundheit zu erarbeiten. (Schluss) sue