Parlamentskorrespondenz Nr. 625 vom 08.06.2022

Volksanwaltschaft: 45 Jahre Arbeit für die Menschen

Sobotka, Schwarz-Fuchs und Van der Bellen würdigen bei Festveranstaltung im Parlament die Tätigkeit der Ombudsstelle

Wien (PK) — Die Volksanwaltschaft ist in Österreich zu einem Fixpunkt der Gesellschaft geworden. Vor 45 Jahren wurde sie als Kontrollorgan des Nationalrats verfassungsrechtlich verankert, als Anlaufstelle für Bürger:innen bei Problemen mit Behörden. Ihr Aufgabenspektrum ist seitdem beträchtlich angewachsen, nicht zuletzt im Bereich der Menschenrechte, wie bei der heutigen Festveranstaltung im Parlament in der Hofburg deutlich wurde. Zur Feier des Bestandsjubiläums der Volksanwaltschaft hatten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs ein prominent besetztes Plenum in den Redoutensaal der Hofburg geladen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hob in einer Grußbotschaft hervor, dass die Volksanwaltschaft den Menschen in Österreich kompetent vielfältig Unterstützung biete und seit Jahrzehnten ein Garant für rasche und unkomplizierte Hilfe im Umgang mit der staatlichen Verwaltung sei.

Im Jahr 2021 wandten sich mehr als 23.600 Menschen mit ihren Anliegen an die Volksanwaltschaft, die daraufhin 11.516 neue Prüfverfahren führte. Den Einblicken in Geschichte und Tätigkeitsspektrum der Volksanwaltschaft durch deren Vorsitzenden Walter Rosenkranz sowie der Volksanwälte Werner Amon und Bernhard Achitz folgte ein Statement des Präsidenten des International Ombudsman Institute (IOI) Chris Field. Den Festvortrag hielt Judith Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Als Moderatorin führte die ORF-Journalistin Margit Laufer durch die Festveranstaltung, für die musikalische Umrahmung sorgte die Rottalsche Kammermusik mit Volksanwalt Rosenkranz an der Gitarre.

Seit 1977 steht die Volksanwaltschaft allen Menschen unabhängig von Alter, Nationalität und Wohnsitz zur Seite, wenn sie sich von österreichischen Behörden nicht gerecht behandelt fühlen. 2012 erhielt die Volksanwaltschaft auch das verfassungsgesetzliche Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte.

Nationalratspräsident und Bundesratspräsidentin: Volksanwaltschaft stärkt Vertrauen in den Staat

Eine "Erfolgsgeschichte" nannte Nationalratspräsident Sobotka die Entwicklung der Volksanwaltschaft seit ihrer Gründung 1977. Zunächst noch als zeitlich befristetes Provisorium gestaltet, habe die Organisation mit ihrer Tätigkeit im Dienste der Menschen bald großes Vertrauen bei der Bevölkerung gewonnen. Für Parlamentarier:innen biete die Volksanwaltschaft durch ihre jährlich in Berichten zusammengefasste Arbeit wertvolle Einblicke und helfe, nach der Maxime "wo muss staatliches Verwaltungshandeln besser werden", systemische Korrekturen in Gesetzesmaterien vorzunehmen.

Gleichermaßen betonte Bundesratspräsidentin Schwarz-Fuchs, dass die gesetzgebenden Organe maßgeblich von den Erfahrungen der Volksanwaltschaft profitierten. Sie bezog sich dabei nicht nur auf die Bundesebene, sondern verwies auch auf den großen Nutzen in Ländern und Gemeinden, in denen die Volksanwaltschaft oft als "Schlichtungsstelle" auftrete. Besonders auf regionaler Ebene bilde das Kontrollorgan gleichsam ein "Bindemittel zwischen Bürger:in und Staat", indem es Unverständlichkeiten im Verwaltungsapparat ausräume.

Volksanwälte ziehen zukunftsweisende Bilanz

Seit zehn Jahren ist die heimische Volksanwaltschaft neben ihren Aufgaben der Verwaltungskontrolle auch mit der Wahrung der Menschenrechte in Einrichtungen betraut, in denen Menschen festgehalten werden. Zudem ist seit 2017 die Abwicklung des Heimopferrentengesetzes in ihrer Zuständigkeit. Anhand dieser Leistung für Personen, die zwischen 1945 und 1999 in Unterbringungen für Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt geworden sind, stellte Volksanwalt Bernhard Achitz die große Bedeutung der Achtung von Menschenrechten für eine Demokratie dar. Die Demokratie sei eine große Errungenschaft, müsse aber ständig "verteidigt und weiterentwickelt" werden. Die Volksanwaltschaft setze sich daher auch für benachteiligte Personengruppen ein, die aus unterschiedlichen Gründen nicht zu "ordentlichen Rechtsmitteln" greifen könnten.

Zwar verfüge die Volksanwaltschaft nicht über den Status eines Anwalts im juridischen Sinn, unterstrich Volksanwaltschafts-Vorsitzender Walter Rosenkranz, als Kontrollstelle gehe sie aber möglichen Missständen auf den Grund. Vor diesem Hintergrund wäre eine Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft auf ausgelagerte Rechtsträger zielführend.

In weiser Voraussicht habe man 1977 die Ombudseinrichtung als Organ der Legislative eingesetzt, befand Rosenkranz, sodass sie bei der Verwaltungskontrolle "im Rahmen der Gesetze für die Menschen eintreten" könne. In den letzten 45 Jahren zählte die Volksanwaltschaft laut Rosenkranz 438.000 Aktenfälle. Sämtliche Anliegen, oft auch mit komplexen juristischen Problemstellungen, würden von den Prüfreferent:innen der Volksanwaltschaft mit höchster Qualität bearbeitet, ging er näher auf den Arbeitsalltag in der Ombudsstelle ein. Intensiv und tiefgehend waren Volksanwalt Werner Amon zufolge auch die Ausschussverhandlungen im Parlament, die vor mehr als vier Jahrzehnten zur Einrichtung der Volksanwaltschaft führten.

Fraktionsübergreifend habe man mit einer unabhängigen Kontrolleinrichtung dem Gerechtigkeitsbedürfnis der Menschen Rechnung tragen wollen, zitierte Amon aus einigen Redebeträgen der Plenardebatte über die damalige Regierungsvorlage zum Bundesverfassungsgesetz betreffend die Einrichtung der Volksanwaltschaft. Mittlerweile habe sich die Ombudsstelle als "Haus der Menschenrechte" etabliert und wirke auch in internationalen Gremien weltweit am Ausbau von Menschenrechten und Demokratie mit.

Field: Internationale Würdigung für Volksanwaltschaft

2009 zog das Sekretariat des International Ombudsman Institute (IOI) nach Wien, wo es seitdem von der heimischen Volksanwaltschaft betreut, im Sinne der Menschenrechte tätig ist. IOI-Präsident Chris Field zollte bei der heutigen Veranstaltung der Volksanwaltschaft Respekt dafür, die Grundprinzipien der Demokratie hochzuhalten, nämlich Menschenrechte, verantwortungsbewusste Regierungsführung sowie Rechtsstaatlichkeit. Als Repräsentant des IOI, der einzigen globalen Organisation für die Vernetzung unabhängiger Verwaltungskontrollorgane auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, wies Field auch auf den internationalen Stellenwert der österreichischen Ombudsstelle hin. Das habe sich diesen April neuerlich bei einer Würdigung der Volksanwaltschaft durch GANHRI (Global Alliance of National Human Rights Institutions) gezeigt. 

Kohlenberger: Volksanwaltschaft sichert Menschenrechte

Den Einsatz der Volksanwaltschaft für Menschenrechte rückte Kulturwissenschaftlerin Judith Kohlenberger in das Zentrum ihrer Ausführungen, die sie mit einem Zitat der deutsch-jüdischen Philosophin Hannah Arendt begann. Demnach basiert eine freie Demokratie auf dem Teilhaberecht aller Menschen an einer offenen Gesellschaft. Die Volksanwaltschaft stelle genau diese Zugehörigkeit sicher, so Kohlenberger, indem sie den Menschen das "Recht, Rechte zu haben" vermittle und vor allem auch jede Person in ihrer Menschlichkeit wahrnehme. Die Volksanwaltschaft schütze vor behördlicher Willkür und sichere den Zugang zum Recht, unabhängig von den "Lebensrealitäten" eines Menschen, in sozioökonomischer wie in nationaler Hinsicht. Die Wissenschaftlerin bezog sich dabei konkret auf Geflüchtete und Schutzsuchende, die im Alltag häufig kaum Zugang zu Rechtsschutz hätten oder völkerrechtswidrig an den Landesgrenzen zurückgestoßen würden. Letztlich biete das Wirken des Kontrollorgans einen Gradmesser für den Stand von Rechtsstaatlichkeit und Fairness, Freiheit und Gerechtigkeit im Land, folgerte Kohlenberger, und beuge dadurch totalitären und radikalen Tendenzen vor. (Schluss) rei

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.