Parlamentskorrespondenz Nr. 666 vom 14.06.2022

Nationalrat: Bundesministerin Raab kündigt jährliche Valorisierung der Familienleistungen an

ÖVP und Grüne wollen Verfahrenserleichterungen bei der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung ermöglichen

Wien (PK) – Nachdem es bei den ersten Tagesordnungspunkten der heutigen Nationalratssitzung um familienpolitische Themen ging, stand bei der Debatte erneut das von den Koalitionsparteien angekündigte Entlastungspaket im Mittelpunkt. Ausgangspunkt dafür war der – einstimmig angenommene - Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen, der auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bei der Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung abzielt.

Dies sei eine von vielen wichtigen Maßnahmen der Regierung, die sowohl kurz- als auch langfristig deutliche Erleichterungen für die österreichischen Familien bringen werden, zeigte sich Bundesministerin Susanne Raab unter Bezugnahme auf das heute präsentierte Anti-Teuerungspaket überzeugt. Da man wisse, dass der "Hut brenne" soll durch die Auszahlung einer Sonder-Familienbeihilfe im August in der Höhe von 180 € das Geld rasch bei den Betroffenen ankommen. Vorgezogen werden zudem die Erhöhung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrags. Ein zentraler Punkt sei ihrer Ansicht nach die jährliche Anpassung der Familienleistungen an die Inflation, wodurch eine nachhaltige Unterstützung der Familien gewährleistet werde.

Schnellere und einfachere Verfahren bei Beantragung der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung

Ziel der Bundesregierung sei es, Bürgerinnen und Bürger von unnötigem Verwaltungsaufwand zu entlasten, heißt es in dem von ÖVP und Grünen eingebrachten Entschließungsantrag. Dies gelte insbesondere für Familien mit Kindern mit Behinderungen, die täglich nicht nur mit vielen finanziellen, sondern auch bürokratischen Herausforderungen konfrontiert seien. Ein Beispiel dafür sei das Verfahren für die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe bei minderjährigen Antragsteller:innen, das nach Ansicht der Abgeordneten Norbert Sieber (ÖVP) und Barbara Neßler (Grüne) vereinfacht und beschleunigt werden müsste. Sie ersuchen daher die Familienministerin und den Sozialminister, einen entsprechenden Vorschlag zur Novellierung des Familienlastenausgleichsgesetzes vorzulegen. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass minderjährige Behindertenpassinhaberinnen und -inhaber für die erhöhte Familienbeihilfe derzeit einen zusätzlichen Nachweis des Sozialministeriumservices erbringen müssen, obwohl die Voraussetzungen für den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe und den Behindertenpass für die Betroffenen ident seien.

Um Familien mit Kindern mit Behinderungen ein wenig Arbeit abzunehmen, habe ihre Fraktion gemeinsam mit den Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht, konstatierte Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP). Sie wies darauf hin, dass erheblich behinderte Kinder zusätzlich zur allgemeinen Familienbeihilfe einen Zuschlag erhalten, also die sogenannte erhöhte Familienbeihilfe. In Zukunft soll das Verfahren zur Beantragung dieser Unterstützungsleistung wesentlich einfacher und schneller durchgeführt werden. Weitere Fortschritte erwartet sich Grünberg von der geplanten Pflegereform, da unter anderem die erhöhte Familienbeihilfe nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet werden soll und pflegende Angehörige einen Bonus erhalten werden. Norbert Sieber (ÖVP) zollte all jenen Familien Respekt, die sich ein ganzes Leben lang fürsorglich um ihre behinderten Kinder kümmern. Es war ihm daher – ebenso wie seiner Fraktionskollegin Carina Reiter - ein Anliegen, unnötige bürokratische Hürden abzubauen und weitere Verbesserungen zu erreichen.

Barbara Neßler (Grüne) bezeichnete die geplanten administrativen Vereinfachungen als wichtigen Schritt. Dazu beitragen werde auch das Programm "FABIAN", das eine digitale Abwicklung der Familienbeihilfe ermögliche. Erfreut zeigte sie sich über die familienpolitischen Fortschritte, die mit dem Anti-Teuerungspaket der Regierung verbunden seien. Ein wichtiges Beispiel dafür sei etwa die Valorisierung der Sozialleistungen, die seit Jahrzehnten gefordert wurde.

Da Eltern mit Kindern mit Behinderung im Alltag extrem gefordert seien, sollten unnötige bürokratische Belastungen so gut wie möglich vermieden werden, unterstrich Heike Grebien von den Grünen. Das Ziel des Entschließungsantrags bestehe daher darin, nicht nur den Betroffenen zu helfen, sondern auch die österreichische Verwaltung serviceorientierter zu gestalten.

SPÖ wünscht sich Gesetzesvorlage statt unverbindlichen Entschließungsantrag und nachhaltiges Entlastungspaket

Ihre Fraktion werde dem Antrag "natürlich gerne" zustimmen, da gerade Familien mit Kindern mit Behinderung entlastet werden sollen, kündigte Petra Wimmer (SPÖ) an. Unverständlich sei jedoch, warum nur ein Entschließungsantrag und kein Gesetzesantrag vorgelegt worden sei. Dringenden Handlungsbedarf sah sie zudem, was den Zugang der Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine zur Familienbeihilfe angeht; hier gebe es noch immer keine Lösung. Es seien auch zahlreiche Kinder mit Behinderungen darunter, die ebenfalls rasch finanzielle und medizinische Unterstützung brauchen würden. 

Das von der Regierung heute präsentierte Anti-Teuerungspaket war mehr als notwendig, erklärte ihre Fraktionskollegin Eva Maria Holzleitner, da schon jeder dritte Haushalt in Österreich die Konsumausgaben nicht mehr decken könne. Sie bedauerte, dass darin keine Erhöhung und frühere Auszahlung des Schulstartgeldes enthalten sei, weil die gestiegenen Kosten in diesem Bereich die Familien sehr belasten würden. Generell meldete die Rednerin Skepsis bezüglich der Einmalzahlungen an, die keine nachhaltige Entlastung für die Menschen in Österreich bringen würden.

FPÖ: Noch weitere spürbare Entlastungen von Menschen mit Behinderung erforderlich

Die Verfahrenserleichterung sei positiv zu bewerten, meinte die freiheitliche Abgeordnete Rosa Ecker, sie frage sich jedoch, warum sie nur für Minderjährige gelten soll. Viele Eltern würden den Behindertenpass nämlich erst dann beantragen, wenn das Kind schon volljährig ist. Notwendig seien zudem noch Anpassungen beim Steuerfreibetrag sowie eine bessere Unterstützung von Menschen mit Behinderung, die zwar kein Pendlerpauschale erhalten, aber täglich auf ihr Fahrzeug angewiesen seien. Überdies sollte die Familienbeihilfe sofort erhöht werden und nicht erst im Jänner. Es gebe – wie auch im Fall der Pflegereform - wieder einmal viele Ankündigungen, denen keine Regierungsvorlagen gegenüberstünden.

NEOS: Viele Probleme von Menschen mit Behinderung sind mit Geld allein nicht lösbar

NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler drückte ihre Zustimmung zum Antrag der Koalition aus und merkte an, dass damit eine signifikante Erleichterung für betroffene Familien umgesetzt und unnötiger Verwaltungsaufwand reduziert werde. Man soll dabei jedoch nicht übersehen, dass sich die Regierungsfraktionen mit ihrem Wunsch an ihre "eigene" Familienministerin richten. Im Alltag seien Menschen mit Behinderung mit sehr vielen Schwierigkeiten konfrontiert, die nicht nur allein mit Geld zu lösen seien, gab Fiedler zu bedenken. So seien ihrer Ansicht nach etwa die Grenzen zwischen den verschiedenen Formen der Behinderung viel zu starr geregelt. Auch unterschiedlichste Bedürfnisse würden oft über einen Kamm geschert. Wichtig wäre es auch, sich bei den Krankenkassen für eine Harmonisierung der Heilbehelfe einzusetzen. Inklusion sei ein Menschenrecht, betonte Fiedler, es brauche daher mehr als einige Mini-Schritte.

SPÖ für langfristige Bereitstellung finanzieller Mittel für Ferienbetreuung zur Entlastung von Familien

Mit in Verhandlung stand ein Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die langfristige finanzielle Absicherung von Ferienangeboten für Kinder, der jedoch keine Mehrheit fand. Die fehlende Betreuung von Schülerinnen und Schülern vor allem in den Sommerferien stelle viele Familien, vor allem jene vor große organisatorische und finanzielle Herausforderungen, in denen beide Elternteile berufstätig sind, geben die SPÖ-Abgeordneten Julia Herr, Petra Wimmer und Eva Maria Holzleitner zu bedenken. Weder decke sich der gesetzliche Urlaubsanspruch mit der Länge der Schulferien, noch würde es vielerorts ausreichend qualitative und leistbare Angebote geben. Man solle sich daher die Situation in Wien ansehen, wo etwa in Form der "Summer-City-Camps" ein ganztägiges, kostengünstiges, qualitatives und abwechslungsreiches Programm für alle Pflichtschülerinnen und -schüler entwickelt wurde, regen die SPÖ-Mandatarinnen an. Darüber hinaus werde dabei ein Schwerpunkt auf die Lernförderung gelegt, zumal aufgrund der Corona-Krise bei vielen Kindern Nachholbedarf bestehe. Eine weitere Initiative der Stadt Wien umfasst günstige Urlaube für Kinder von Familien mit geringerem Einkommen. Um alle österreichische Familien im Bereich der Ferienbetreuung besser unterstützen zu können, werden die zuständigen Ministerinnen und Minister ersucht, die Voraussetzungen für diese Angebote im ganzen Bundesgebiet zu schaffen und dafür den Ländern sowie Gemeinden langfristig ausreichend finanzielle Mittel zu Verfügung zu stellen. Julia Herr brachte im Zuge der Debatte noch einen Entschließungsantrag betreffend Rechtsanspruch auf ganztägige, kostenfreie Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr ein, der aber ebenfalls in der Minderheit blieb. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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