Parlamentskorrespondenz Nr. 790 vom 29.06.2022

Einspruch im Bundesrat gegen Bundesministeriengesetz-Novelle

Länderkammer lehnt Novelle aufgrund eines redaktionellen Versehens einstimmig ab

Wien (PK) – Aufgrund eines redaktionellen Versehens in der Ausfertigung des Gesetzestextes erhob der Bundesrat heute einstimmig Einspruch gegen die Bundesministeriengesetz-Novelle, die den rechtlichen Rahmen für die jüngsten Kompetenzverschiebungen in der Bundesregierung zum Inhalt hat. Damit wandert die Vorlage zurück an den Nationalrat, der sich neuerlich damit befassen muss.

Zur Diskussion in der Länderkammer standen außerdem die Ergebnisse der "Konferenz zur Zukunft Europas". Ein in der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag, mit dem sich die FPÖ unter anderem daran stößt, dass im Zukunftskonferenz-Abschlussbericht ein Ende des EU-Einstimmigkeitsprinzips gefordert wird und sich dafür ausspricht, einen Konvent zur Umsetzung der Zukunftskonferenz-Forderungen abzulehnen, blieb in der Minderheit. Der Abschlussbericht sei mehr "Schein als Sein" und von "EU-Zentralisten" beeinflusst, so die Stoßrichtung der FPÖ-Kritik.

Keinen Einspruch erhoben die Bundesrät:innen gegen eine Verlängerung coronaspezifischer Sonderbestimmungen, zu Anpassungen bei der Kurzarbeitsbeihilfe und für die künftige Möglichkeit, Sonderfreistellungen von Schwangeren per Verordnung zu regeln.

Bundesministeriengesetz-Novelle wandert zurück an den Nationalrat

Bei der Ausfertigung des Gesetzestextes zur rechtlichen Regelung der jüngsten Kompetenzverschiebungen in der Regierung, der Bundesministeriengesetz-Novelle, sei ein redaktionelles Versehen passiert, erläuterte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Ein Abänderungsantrag, der redaktionelle Korrekturen und Klarstellungen enthält, sei im Ausschussbericht des Verfassungsausschusses des Nationalrats nicht berücksichtigt worden. Daher müsse jetzt Einspruch erhoben und die Materie erneut vom Nationalrat auf die Agenda genommen werden. Darüber hinaus betonte Eder-Gitschthaler, die mit der Vorlage vorzunehmende Neustrukturierung der Ministerien sei jedenfalls gut durchdacht.

Die Novelle stelle das Ergebnis mehrfacher Regierungsumbildungen dar, die einschneidende Veränderungen durch zahlreiche Kompetenzverschiebungen mit sich bringen, kritisierte demgegenüber Elisabeth Grimling (SPÖ/W) etwa, dass "unangenehme Vorhaben in unübersichtliche Bauteile" zerlegt würden. Von den Änderungen seien auch eine Reihe Bediensteter betroffen, deren dienstrechtliche und Personalvertretungs-Situation damit erschwert werde. Dass heute zu erfahren sei, dass das Gesetz noch korrigiert werden muss, bedauere sie für die Kolleg:innen der betroffenen Ressorts, die auf die Kompetenzverteilungen warten.

Johannes Hübner (FPÖ/W) meinte, dass jetzt gegen die Novelle Einspruch erhoben werden müsse, sei einer "Gesetzesflut" geschuldet, die "außer Rand und Band" geraten sei. Das überlaste das Parlament und alle Beteiligten und stelle einen gewaltigen Verwaltungsaufwand dar. Ein Gesetz, womit Kompetenzen "derart hin und her verschoben" würden, nur damit keine Kollision zustande komme, sollte aus seiner Sicht ohnedies nicht beschlossen werden.

Marco Schreuder (Grüne/W) nahm die Situation aufgrund des redaktionellen Fehlers zum Anlass, wertschätzend auf die Funktion des Bundesrats hinzuweisen. Dieser sei auch eine Stelle, wo redaktionelle Fehler behoben werden können. Ebenso wie Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) sprach er davon, dass die Novelle in zwei Wochen wieder von der Länderkammer beraten werden würde. Arlamovsky meinte außerdem, dass durch besagten Abänderungsantrag, mit dem die "Verrenkung" der Kompetenzverschiebung beim Finanzministerium hinsichtlich ÖBAG ihm zufolge neuerlich korrigiert werden sollte, die nunmehrige Panne überhaupt erst passiert sei. Daran sei aus seiner Sicht "wieder" zu merken, dass die Regierungsparteien "gepfuscht" hätten, so der Vorwurf.

Konkret sollen mit der vorliegenden Novelle etwa die Agenden für Arbeit und Wirtschaft in einem Ressort zusammengeführt werden. Die Zuständigkeit für Tourismus soll aus dem Landwirtschaftsministerium herausgelöst und dem neuen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft übertragen werden. Dort soll sich die neue Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler mit diesem Bereich befassen. Zudem muss das Landwirtschaftsministerium weitere Kompetenzen, und zwar jene für Zivildienst an das Bundeskanzleramt und jene für die Regulierung des Post- und Telekommunikationswesens sowie für das Bergwesen an das Finanzministerium, abgeben. Auch die Digitalisierungsagenden – und damit etwa die Zuständigkeit für das Bundesrechenzentrum – wandern ins Finanzministerium, wo Finanzminister Magnus Brunner mit Florian Tursky gleichfalls einen neuen Staatssekretär als Unterstützung erhalten hat.

Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas

Nachdem die Ergebnisse der 2021 gestarteten "Konferenz zur Zukunft Europas" bereits im EU-Ausschuss des Bundesrats und etwa auch im Rahmen eines Diskussionsforums im Parlament sowie im Nationalrat aufgegriffen worden waren, widmete sich der Bundesrat in der heutigen Sitzung den umfassenden Vorschlägen der Bürger:innen zu diesem Thema. Der Abschlussbericht enthält über 300 Maßnahmen, gegliedert in 49 Vorschläge und neun Kapitel unter anderem zu Klimawandel und Umwelt, Gesundheit, einer stärkeren Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und der Stellung der EU in der Welt. Die Länderkammer nahm eine dem Bericht angeschlossene Stellungnahme des EU-Ausschusses des Bundesrats mehrheitlich an, wonach sich die Bundesregierung unter anderem aktiv in den Folgeprozess zur Zukunftskonferenz einbringen möge. EU-Ministerin Karoline Edtstadler betonte im Zuge der Debatte, die Vorschläge werden auf EU-Ebene "aufgenommen und ernst genommen". Intensiv haben sich aus ihrer Sicht insbesondere auch Östereicher:innen an dem Prozess beteiligt.

Die angeratenen Maßnahmen im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz basieren auf den Empfehlungen der europäischen und nationalen Bürger:innenforen, den Beiträgen auf der Digitalen Plattform und den Ergebnissen der Debatten in den Arbeitsgruppen und im Konferenzplenum. Inhaltlich gehen die Vorschläge vom Ausbau der Radwege bis hin zur Umbenennung europäischer Institutionen. Aufgrund der Pandemie verlief der Dialog zu den Fragen der Zukunftskonferenz vor allem in Online-Formaten, in denen europäische Bürger:innen ihre Ideen einbringen konnten. Die Bürger:innenempfehlungen werden nun von den EU-Institutionen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Verlängerung coronaspezifischer Sonderbestimmungen

Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit stimmte der Bundesrat einem Gesetzespaket zu, mit dem verschiedene coronaspezifische Sonderregelungen bis Ende 2022 verlängert werden. Dabei geht es etwa um Beschlüsse von Gemeinderäten und des Ministerrats ohne physische Zusammenkunft, den Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfahren, etwaige Einschränkungen des Parteienverkehrs, Verhaltensregeln bei Lokalaugenscheinen, die Erstreckung von Verjährungsfristen sowie vergaberechtliche Sonderbestimmungen. Ebenso werden der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, die KommAustria inklusive ihrer Senate, die Presseförderungskommission sowie der Stiftungsrat und der Publikumsrat des ORF weiterhin Beschlüsse im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz fassen dürfen – auch gegen diese Gesetzesnovelle erhob der Bundesrat mehrheitlich keinen Einwand.

Höhere Kurzarbeitshilfen sowie Sonderfreistellung für Schwangere per Verordnung

Noch bis Ende 2022 soll es großzügigere Kurzarbeitsbeihilfen für Betriebe geben, die sich in nicht-saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Die dafür notwendigen Änderungen im Arbeitsmarktservicegesetz und im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wurden heute vom Bundesrat mehrheitlich gebilligt. Zudem wird mit dem Initiativantrag eine Verordnungsermächtigung für den Arbeitsminister insofern erweitert, als er die Obergrenze für Kurzarbeit zur Bewältigung von besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten von 1 Mrd. € für die Jahre 2020 bis 2022 anpassen darf. Bisher galt dies nur für die Bewältigung der COVID-19-Krise.

Durch eine ebenso mehrheitlich unterstützte Novellierung des Mutterschutzgesetzes wird außerdem der Arbeitsminister bis Ende 2022 ermächtigt, coronabedingte Sonderfreistellungen von Schwangeren künftig per Verordnung zu regeln, wobei es das Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister braucht. Als Begründung wird angeführt, dass dadurch eine raschere Reaktion auf neue Virusvarianten ermöglicht werde.

Die Stimmung im Bundesrat war zum Teil aufgeheizt und wurde wegen "verbaler Entgleisungen" zwischenzeitlich kurz für eine Stehpräsidiale unterbrochen. Im Anschluss daran entschuldigte sich FPÖ-Bundesrat Christoph Steiner für seine Wortwahl. (Fortsetzung Bundesrat) mbu/gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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