Parlamentskorrespondenz Nr. 844 vom 07.07.2022

FPÖ fordert von Bundesregierung Kurswechsel in der Asylfrage hin zur "Festung Österreich"

Dringliche Anfrage der Freiheitlichen an Innenminister Karner zu Zuwanderung und Asylpolitik

Wien (PK) — Die Freiheitlichen werfen der Bundesregierung und insbesondere Innenminister Gerhard Karner vor, in Fragen der Migration nach Österreich nicht die angekündigte konsequente Linie zu verfolgen. Sie sehen derzeit auf Österreich eine neue Migrationswelle zukommen, welche noch stärker als 2015/16 ausfallen könnte. Der Innenminister setze zu wenige Maßnahmen gegen "Zuwanderungswahnsinn und Migrationskostenexplosion", meinten die Freiheitlichen in ihrer Dringlichen Anfrage in der heutigen Nationalratssitzung. FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer fragte darin nach Details zur aktuellen Entwicklung der Asyl- und Zuwanderungszahlen. Vor allem drängte er auf Schritte der Bundesregierung und des Innenministers, um den von der ÖVP angekündigten harten Kurs in der Asylpolitik Wirklichkeit werden zu lassen, und bot die Unterstützung seiner Fraktion an.

Ein Entschließungsantrag mit der Forderung für einen "Asylstopp – jetzt!", den die FPÖ im Zuge der Debatte einbrachte, blieb in der Minderheit.

Innenminister Karner wies darauf hin, dass sein Ressort vor allem im Kampf gegen die Schlepperei bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt habe. Bei einem robusten Außengrenzschutz sei die EU noch nicht dort, wo sie sein müsse, meinte Karner. Er trete daher für den stärkeren Schutz der Binnengrenzen ein. Zudem halte er neue Modelle für Asylverfahren, etwa Verfahren in Drittstaaten, und die Weiterentwicklung des europäischen Asylrechts für notwendig. Alle diese Fragen müsse man inhaltlich und nicht polemisch behandeln, erklärte Karner.

Amesbauer: Österreich muss illegale Zuwanderung notfalls auch mit Pushbacks stoppen

Die Bundesregierung versage auf allen Gebieten, besonders deutlich sei das in der Asyl- und Zuwanderungspolitik, meinte FPÖ-Abgeordneter Amesbauer. Die ÖVP habe der österreichischen Bevölkerung einen restriktiven Migrationskurs versprochen, gekommen seien aber Rekordzahlen an illegaler Zuwanderung. Die aktuelle Asylstatistik zeige, dass im ersten Jahresdrittel bereits 16.000 Asylanträge gestellt wurden, unterdessen liege man vermutlich bei 30.000, mit steigender Tendenz. Österreich belege damit in der EU einen absoluten Spitzenplatz. Der Großteil der illegalen Einwanderung betreffe Männer aus Afghanistan und Syrien. Alarmierend ist für Amesbauer die Zunahme der Erstanträge und die verstärkte Migration über die Balkanroute und das Mittelmeer. Der Innenminister sei offenbar nicht willens und in der Lage, die Zuwanderung in den Griff zu bekommen.

Das Asylsystem sei zudem ein wesentlicher Kostentreiber, meinte Amesbauer. Die im Budgetkapitel "Fremdenwesen" veranschlagten 347,4 Mio. € für 2022 seien nur ein kleiner Ausschnitt der geschätzten Gesamtkosten für den Staat, die auf zwei Milliarden Euro jährlich geschätzt würden. Gerade jetzt müsse gelten "Unser Geld für unsere Leute", sagte Amesbauer. Unter Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sei 2016 eine Obergrenze für Asylanträge angesetzt worden, mit der Begründung, der soziale Frieden müsse gewahrt bleiben. Unter Innenminister Karner seien die Exekutivbeamt:innen hingegen zu einem "Empfangskomitee" für Asylwerber:innen geworden.

Amesbauer forderte, dass an der Grenze Pushbacks durchgeführt werden können. Notfalls müsse Österreich bereit sein, zur Wahrung seiner nationalen Interessen auch gegen Unionsrecht zu verstoßen, meinte er. Das EU-Recht ermögliche aber grundsätzlich, Sonderbestimmungen in Kraft zu setzen, die auch Zurückweisungen an der Grenze erlauben. Der Innenminister dürfe die illegale Zuwanderung jedenfalls nicht weiter akzeptieren. Amesbauer forderte auch, die Entwicklungszusammenarbeit an die Rücknahme von Illegalen aus Österreich zu knüpfen. Die ÖVP solle zu diesem Zweck den koalitionsfreien Raum nützen und hätte die Unterstützung der FPÖ. Amesbauer forderte eine "Festung Europa" oder, solange diese nicht erreichbar sei, eine "Festung Österreich" zu bauen. Es müsse heißen, "Österreich zuerst". Der Zustrom illegaler Zuwanderer:innen sei nicht länger zu akzeptieren.

55 Detailfragen an den Innenminister

Amesbauer hatte insgesamt 55 Detailfragen an den Innenminister. Er wollte wissen, wie Österreich zu agieren gedenke, falls es wieder wie 2015/2016 zu einem "Massenansturm" kommen sollte. Er wollte weiters Angaben zur Zahl der unrechtmäßig in Österreich aufhältigen Fremden, zu Aufgriffen, Ayslanträgen und insbesondere Erstantragsteller:innen. Er interessiere sich für die Aufgriffe geschleppter und illegal eingereister Personen, Festnahmen und Anzeigen von Schleppern. Amesbauer wollte insbesondere wissen, welche Initiativen der Innenminister bzw. die Bundesregierung zur Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts gesetzt hätten und ob der Abschluss von weiteren Rückübernahmeabkommen geplant seien. Er erkundigte sich auch nach der grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten bei Rückübernahmen. Schließlich verlangte er Auskunft darüber, wie viele Fremde zum 30. Juni 2022 in Grundversorgung waren, über den Stand der Anfang Mai vom Innenminister angekündigten "Aktion scharf" und die Unterstützung der Exektivbeamt:innen, die insbesondere im Burgenland Grenzkontrollen durchführen.

Karner: Setzen zahlreiche Schritte gegen die zunehmende Schlepperei

Innenminister Gerhard Karner verwies auf den Schlepperbericht, der aufzeige, dass die Schleppertätigkeit 2021 stark zugenommen habe. Bei der Schlepperei handle es sich um einen der lukrativsten Zweige der organisierten Kriminalität. Mindestens 50% der Asylanträge würden unterdessen von Personen gestellt, die durch Schlepperei ins Land gekommen seien. Die österreichische Polizei leiste exzellente Arbeit und decke in akribischer Kleinarbeit immer wieder Schlepperbanden auf, betonte Karner. Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe die Lage verschärft, da Schlepper die Situation nützten, um zu verbreiten, dass Europa für Zuwanderung völlig offen sei.

Als Antwort auf die Entwicklung habe er die Grenzkontrollen verstärken lassen, trotz Kritik der EU-Kommission an Österreich. Er stehe aber dazu, dass weiterhin Kontrollen der Binnengrenzen notwendig seien, sagte Karner. Im Mai habe das Innenministerium die "Aktion scharf als Aktion gerecht" gestartet. Tatsache sei, dass mehr Kontrollen aber auch mehr Aufgriffe und damit letztlich mehr Asylanträge bedeuten. Zudem zeige sich, dass immer mehr Personen aus Ländern kämen, für die faktisch keine Chance auf Asyl bestehe. Die Tatsache, dass immer mehr Personen ihre Asylanträge zurücklegen und weiterreisen würden, sobald sie ins beschleunigte Verfahren kommen, wertete Karner als Indiz dafür, dass immer mehr Wirtschaftsflüchtlinge über das Asylverfahren einen Aufenthaltsrecht zu erreichen versuchen.

Aufgrund seiner Erkenntnisse spreche er sich ganz klar gegen Verteilungsquoten in der EU aus, sagte der Innenminister. Diese wären nämlich nur ein Signal an die Schlepperbanden, dass Europa alle Personen aufnehmen werde. Der Kampf gegen die Schlepperei sei jedoch essentiell, um die Lage in den Griff zu bekommen. Er führe deshalb laufend bilaterale Gespräche, zuletzt mit Ägypten und der Türkei, wobei die polizeiliche Zusammenarbeit im Mittelpunkt gestanden sei.

Seine Politik verfolge drei Ansätze, sagte Karner. Zuerst gelte es, dem Marketing der Schlepper entgegenzuwirken und Menschen darüber aufzuklären, welche Gefahren ihnen drohen, wenn sie sich in die Hände von Schleppern begeben. Weiters halte er die polizeiliche Zusammenarbeit mit Ungarn und den Staaten des Westbalkan für unerlässlich. Am Westbalkan seien bereits 100 österreichische Polizist:innen tätig. Der dritte Punkt sei der Schutz der österreichischen Außengrenze und die bilaterale Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten im Kampf gegen die Schlepperei.

Unterdessen gebe es auch Bewegung im Schengen-Vertragswerk, sodass künftig auch Kontrollen an den Binnengrenzen zulässig sind. Das sei ein großer Erfolg. Beim robusten Außengrenzschutz sei die EU noch nicht dort, wo sie sein müsse, meinte Karner. Er halte auch neue Modelle für Asylverfahren, etwa Verfahren in Drittstaaten, für notwendig. Das europäische Asylrecht müsse weiterentwickelt werden, betonte Karner. Wichtig sei, alle auftretenden Fragen inhaltlich und nicht polemisch zu behandeln.

Karner wies in der Anfragebeantwortung auf die Evaluierung und Anpassung der Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung hin. Er nannte detaillierte Zahlen zu Aufgriffen und Erstanträgen und zu Maßnahmen dagegen. Zur Frage, ob die Gesamtzahl der Erstantragsteller:innen die Zahlen des Jahres 2015 erreichen oder gar überschreiten könnte meinte er, derzeit seien seriöse Einschätzungen dazu nicht möglich. Maßnahmen gegen die illegale Einreise von Fremden nach Österreich seien vielfältig. So gebe es eine "Taskforce Außerlandesbringung" und sein Ressort setze laufend Initiativen, um das Asyl- und Fremdenrecht umzusetzen und um Verfahren zu beschleunigen. Die Bundesregierung habe bereits 13 Gesetzesnovellen im Asyl- und Fremdenrecht umgesetzt, 6 davon in seiner Amtszeit.

Initiativen zum Abschluss von weiteren Rückübernahmeabkommen gebe es bilateral und auf EU-Ebene mit einer Reihe von Ländern, betonte der Innenminister. Die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten bei Rückübernahmen sei grundsätzlich herausfordernd, der Iran und der Irak würden keine Rückführungen akzeptieren. Gegenüber Gambia, das ein bestehendes Rücknahmeabkommen nicht umsetze, habe man seitens der EU den "Visa-Hebel" eingesetzt.

Zur Frage, wie viele Fremde sich zum 30. Juni 2022 in Grundversorgung befinden, teilte Karner mit, es handle sich um 88.504 Personen, rund 57.000 davon seien Ukrainer:innen. Im Rahmen der "Aktion scharf als Aktion gerecht" habe man zusätzlich zu den laufenden Grenzkontrollen seit Mai 117 nationale Schwerpunktaktionen im Burgenland und 35 bilaterale Schwerpunktkontrollen mit Ungarn gesetzt. Dabei setze man auch technische Hilfsmittel ein. Karner verwies auf die Überarbeitung der Asylstatistik und betonte, dass sein Ressort die Lage im Burgenland laufend evaluiere und bereits zusätzliches Personal zur Unterstützung der Exekutivkräfte abgestellt habe.

FPÖ: Worte und Handlungen Karners klaffen auseinander

Die Anfragebeantwortung Karners habe gezeigt, dass man sich sowohl hinsichtlich der "dramatischen Zahlen" als auch der notwendigen Maßnahmen im Wesentlichen einig sei. Nur das reale Handeln Karners spreche eine andere Sprache. Alleine die hohe "Migrationsbelastung" pro Kopf in Österreich konterkariere das ÖVP-Versprechen einer restriktiveren Migrationspolitik. Zudem würden Asylverfahren nach wie vor jahrelang dauern, wovon eine daran hängende "Asylindustrie" profitiere und Abschiebungen würden kaum durchgesetzt, so Fürst. Sogar in Zeiten des Lockdowns seien die Grenzen für Asylwerber:innen offen gestanden, was jedoch in den Medien kaum berichtet worden sei. Der Innenminister solle endlich Druck in der EU ausüben, um ein größeres Ausmaß an Rückführungen zu ermöglichen.

Die Forderung der FPÖ an Innenminister Karner sei es, sich auf europäischer Ebene für die Ermöglichung von Pushbacks einzusetzen, was keine Aufforderung zum Rechtsbruch darstelle, stellte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) klar. Österreich befinde sich seit Jahren im Spitzenfeld der EU, was die Asylantragszahlen betreffe – mit Ausnahme der Amtszeit von Herbert Kickl als Innenminister. Die Grenzen müssten endlich dicht gemacht werden, denn wenn Asylwerber:innen erst einmal im Land seien, bekäme man sie "nicht mehr los", so Belakowitsch.

ÖVP: FPÖ bietet nur Scheinlösungen

Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen sei Ausdruck dessen, was die Opposition unter Politik verstehe, erklärte ÖVP-Mandatar Christian Stocker. Die FPÖ biete lediglich "Scheinlösungen" wie eine "Festung Europa" an, die ebenso wenig zu einer Verbesserung der Situation beitragen würden, wie die "Symbolpolitik" Herbert Kickls. Laut Stocker benötige es internationale Lösungen auf EU-Ebene.

Die Opposition versuche den Menschen ständig zu vermitteln, dass internationale Krisen national gelöst werden könnten, ergänzte Ernst Gödl (ÖVP). Österreich sei in den letzten Jahren ein "absolutes Zielland" für Asylwerber:innen gewesen, doch dieser Entwicklung können nur ein vereintes Europa entgegentreten. Die "obersten Prämissen" müssten es sein, Hilfe vor Ort zu leisten und den Schlepper:innen das Handwerk zu legen. Innenminister Karner handle hier sowohl im Sinne der Menschenrechte als auch zugunsten österreichischer Interessen.

SPÖ: Übliches Spiel der FPÖ

Man erlebe mit der Dringlichen Anfrage wieder das "übliche Spiel" der Freiheitlichen, das inzwischen durch seine Durschaubarkeit jegliche Glaubwürdigkeit verloren habe, erklärte Reinhold Einwallner (SPÖ). Die Gesellschaft werde anhand der Asylthematik aufgehetzt und der soziale Frieden riskiert, ohne wirkliche Lösungen anzubieten. Was es nun brauche, seien Verfahrenszentren mit UNHCR-Standards an den EU-Außengrenzen, eine Koalition mit den besonders betroffenen Staaten sowie ausreichend Personal für Kontrollen.

SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr widmete sich dem Ukraine-Krieg als wesentliche Fluchtursache. Sie forderte psychologische, medizinische, soziale und juristische Akuthilfe für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt als Kriegsmittel geworden sind. Wladimir Putin nutze laut Bayr flüchtende Menschen, um in Europa für Instabilität zu sorgen, was wiederum rechtspopulistische Parteien bestärke. Dagegen sei es notwendig, wieder in ein rechtsstaatliches, demokratisches und rationales "Fahrwasser" zu kommen.

Grüne: Lassen uns durch Panikmache nicht vom Kurs abbringen

Die Dringliche Anfrage klang auch für Georg Bürstmayr von den Grünen "alt und vertraut". Es sei "kein Kunststück", dass 2022 die Asyl-Zahlen deutlich angestiegen seien, da zwei Jahre zuvor durch die Pandemie wesentlich weniger Menschen darum angesucht hätten. Den Zustrom aus der Ukraine habe man nicht wirklich gemerkt, da die Zivilgesellschaft die meisten Betreuungsleistungen übernehme. Bürstmayr betonte, dass den Flüchtlingen aus der Ukraine Bomben mit dem gleichen Absender "auf die Köpfe fallen" würden, wie jenen aus Syrien – nämlich Russland. Man arbeite jeden Tag in kleinen Schritten daran, die Migrations- und Asylsituation zu verbessern und lasse sich davon durch die "Panikmache" der FPÖ nicht abbringen. Für Faika El-Nagashi (Grüne) sei es notwendig, legale Fluchtwege zu schaffen, um der Schlepperei das Handwerk zu legen.

NEOS: Asyl-Thematik darf nicht instrumentalisiert werden

Angst sei eine Emotion, mit der die Politik gerne arbeite, wenn Fakten nicht mehr ausreichen. Dazu müsse für FPÖ und ÖVP gerade immer wieder die "sensible" Asyl-Thematik herhalten, meinte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper, was ein "billiges Erfolgsrezept" darstelle. Sie mahnte zur Trennung zwischen Asyl und Migration und warnte davor, "Schreckensszenarien an die Wand zu malen". Es gehe darum, sich innerhalb der EU solidarisch und resilient aufzustellen, um den anstehenden Herausforderungen gewachsen zu sein. ÖVP und FPÖ seien dafür aber nicht zu haben, obwohl Österreich davon profitieren würde. Speziell die Freiheitlichen bräuchten das "Migrationschaos", um ein "barbarisches Vorgehen gegen Asylwerber:innen", wie etwa Pushbacks, zu rechtfertigen. Für eine gezielte Zuwanderungspolitik plädierte Gerald Loacker (NEOS) etwa im Hinblick auf ihm zufolge restriktive Beschränkungen bei Saisonnierskontingenten. Auch den Ukrainer:innen würde man es mit Hürden "möglichst kompliziert" machen. (Fortsetzung Nationalrat) sox/wit/mbu

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