Parlamentskorrespondenz Nr. 852 vom 08.07.2022

Nationalrat beschließt Dienstrechts-Novelle mit Schwerpunkt Schulbereich

Freie Radios und nichtkommerzielle Medien erhalten mehr Förderung

Wien (PK) – Der Nationalrat startete heute mit einer Dienstrechts-Novelle, die vor allem Neuerungen für Lehrer:innen vorsieht. Mit den von ÖVP, Grünen und FPÖ unter Berücksichtigung eines gesamtändernden Abänderungsantrags mehrheitlich angenommenen Änderungen für den öffentlichen Dienst soll unter anderem die Vergütung für den Unterricht an der Sommerschule geregelt werden, die künftig immer in den letzten beiden Ferienwochen angeboten wird und Schüler:innen – auf freiwilliger Basis – den Start ins neue Schuljahr erleichtern soll. Außerdem sieht die Gesetzesnovelle erweiterte Möglichkeiten für den Quereinstieg in den Lehrer:innenberuf sowie neue Bestimmungen für die sogenannte Induktionsphase für Junglehrer:innen vor. Bei der Bestellung von Schulleitungen soll es künftig mehr Flexibilität geben, so sollen beispielsweise Sonderpädagog:innen in Zukunft auch Volks- oder Mittelschulen leiten können. Zudem werden Präzisierungen zur Entlohnung von Lehrpersonal vorgenommen, insbesondere was die Anrechnung von Studienzeiten betrifft.

Auch die SPÖ legte einen Abänderungsantrag vor, der darauf abzielte, Landesvertragslehrpersonen in der Induktionsphase, die über eine Lehramtsausbildung verfügen, nach Möglichkeit im Rahmen ihrer Lehrbefähigung vorrangig zu verwenden. Die Sozialdemokrat:innen hatten damit keinen Erfolg. Auch der von der SPÖ eingebrachte Entschließungsantrag zur Weiterentwicklung des Dienstrechts fand keine Mehrheit. Ebenso wenig wurde die FPÖ-Initiative zur Absicherung für 50+ Bedienstete im Sicherheitsbereich angenommen.

Auch wenn von allen Seiten die Notwendigkeit der Neuerungen bejaht wurde, sprach die Opposition von einer unzureichenden Novelle und drängte auf eine umfassende Reform. Eine solche stellte der dafür zuständige Vizekanzler Werner Kogler für den Herbst in Aussicht und nannte dabei den Bereich der Richter:innen und Staatsanwält:innen sowie die Landesverteidigung als Schwerpunkte.

Ebenfalls vom Verfassungsausschuss dem Plenum übermittelt wurde die Novelle zum KommAustria-Gesetz, durch die mehr Fördermittel für freie Radios und nichtkommerzielle TV-Sender zur Verfügung gestellt werden. Die Vorlage stieß auf breite Zustimmung und wurde nur von den Freiheitlichen abgelehnt.

Mehr Flexibilität bei Schulleiterbestellungen, mehr Möglichkeiten für Quereinsteiger:innen und weitere Absicherung der Sommerschule

Mit der Dienstrechts-Novelle wird unter anderem die Vergütung für den Unterricht an der Sommerschule geregelt, zumal diese gemäß einem bereits Ende vergangenen Jahres gefassten Gesetzesbeschluss nunmehr jedes Jahr in den letzten beiden Ferienwochen angeboten werden soll. Der Einsatz von Lehrer:innen an der Sommerschule bleibt freiwillig, erfolgte Anmeldungen werden zur Gewährleistung der Planungssicherheit aber verbindlich sein.

Darüber hinaus wird es den Schulen ermöglicht, auch für Gegenstände der Allgemeinbildung Hochschulabsolvent:innen, die nicht aus dem Lehrberuf kommen, mit einer geeigneten Ausbildung und dreijähriger Berufspraxis für den Unterricht zu rekrutieren, sofern zu wenig ausgebildetes Lehrpersonal zur Verfügung steht. Die fehlende pädagogische Ausbildung soll dabei in einem berufsbegleitend zu absolvierenden Hochschullehrgang nachzuholen sein. Im Vorfeld des Bewerbungsverfahrens wird die grundsätzliche pädagogische Eignung der interessierten Quereinsteiger:innen geprüft. Dazu richtet das Bildungsministerium gemeinsam mit den Bildungsdirektionen eine Zertifizierungskommission ein. Die derzeitigen Quereinstiegsmöglichkeiten betreffen vorrangig berufsbildende Fächer bzw. stehen nur Absolvent:innen facheinschlägiger Studien – etwa der Diplomstudien Mathematik und Physik oder einer Dolmetschausbildung im Bereich des Fremdsprachenunterrichts – offen. Mit den erweiterten Möglichkeiten zum Quereinstieg in den Lehrer:innenberuf wollen die Regierungsparteien nicht zuletzt drohendem Personalmangel an manchen Schulen vorbeugen.

In Reaktion auf den teilweisen Mangel an Freizeitpädagog:innen sollen Lehrer:innen an allgemein bildenden höheren Schulen mit deren Zustimmung ausnahmsweise noch zwei Jahre lang für bis zu vier Wochenstunden im Rahmen der Tagesbetreuung von Schüler:innen – individueller Lernzeit und Freizeitteil – eingesetzt werden können, wenn sich für eine ausgeschriebene Stelle keine Freizeitpädagogin oder kein Freizeitpädagoge beworben hat.

Neuerungen gibt es auch hinsichtlich der einjährigen Induktionsphase für Junglehrer:innen. So dürfen sie künftig laut Gesetzentwurf während der Induktionsphase nur in jenen Unterrichtsgegenständen eingesetzt werden, die ihrer Ausbildung entsprechen. Zudem sind regelmäßige Überstunden sowie die Heranziehung als Klassenvorstand bzw. Klassenvorständin – mit Ausnahme von Volksschulen – unzulässig, wobei es in Bezug auf den ausnahmsweisen Einsatz für Klassenvorstandstätigkeiten eine einjährige Übergangsphase gibt.

Aufgrund des von den beiden Koalitionsparteien vorgelegten Abänderungsantrags sollen in Zukunft Sonderpädagog:innen auch Volks- oder Mittelschulen leiten können. Die betreffenden Sonderschullehrpersonen können sich aber nur bewerben, wenn sie zusätzlich auch das einschlägige Lehramt für die Schulart aufweisen, deren Leitung sie anstreben. Zudem werden Präzisierungen zur Entlohnung von Lehrpersonal vorgenommen, insbesondere was die Anrechnung von Studienzeiten betrifft. Dementsprechend wird der für die Bemessung des individuellen Vorbildungsausgleichs zu betrachtende Zeitraum auf die Regelstudiendauer beschränkt. Änderungen gibt es auch hinsichtlich der Dienstzulagen für Administrator:innen. Des Weiteren wird Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs Rechnung getragen. Das betrifft unter anderem Urlaubsersatzleistungen, Verwendungszulagen sowie die Reduzierung von Vergütungseinbußen nach einem Dienstunfall. Auch geht es um Klarstellungen im Hinblick auf die bescheidmäßige Feststellung über die Verjährung eines Nachzahlungsanspruchs.

Kogler kündigt große Dienstrechts-Novelle für den Herbst an

Vizekanzler Werner Kogler kündigte in seiner Stellungnahme für den Herbst eine große Dienstrechtsreform an, die insbesondere den Bereich der Justiz und der Landesverteidigung betreffen wird. Dass sich die vorliegende Novelle in erster Linie auf den Lehrbereich beschränkt, begründete Kogler mit dem Hinweis, dass man jetzt für den Schulbeginn Vorsorge treffen müsse.

Was die Sommerschulen betrifft, so nannte Kogler diese als eine wesentliche Serviceleistung für Schüler:innen, insbesondere in Zeiten einer Pandemie. Dadurch würden vor allem Kinder aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien unterstützt. Mit den nun gesetzten Schritten würden auch Lehramtsstudierende abgesichert. Die Ausweitung der Möglichkeiten für Quereinsteiger:innen bezeichnete er als eine vernünftige Weiterentwicklung. Das werde auch frischen Wind in die Klassenzimmer bringen, sagte Kogler, und stehe auch damit im Zusammenhang, dass sich der öffentliche Dienst am Arbeitsmarkt attraktiv machen soll, auch im Hinblick auf die große Zahl anstehender Pensionierungen.

Auch die Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, begrüßten die Neuerungen und verteidigten die Novelle gegenüber der Opposition, die sich weit mehr erwartet hätte. Kritisiert wurde von SPÖ, FPÖ und NEOS zudem die Vorgangsweise von ÖVP und Grünen, die im Ausschuss einen umfangreichen Abänderungsantrag zur dort diskutierten "Trägerrakete" und nunmehr im Plenum zusätzliche weitreichende Änderungen kurzfristig vorgelegt hätten. Das entspreche nicht einem parlamentarisch demokratischen Diskussionsprozess, kritisierte die Opposition.

SPÖ: Im öffentlichen Dienst herrscht Stillstand

Um auf die Dringlichkeit einer umfassenden Dienstrechtsreform hinzuweisen, legte Selma Yildirim (SPÖ) im Namen ihrer Partei einen umfangreichen Entschließungsantrag vor, in dem die Weiterentwicklung des Dienstrechts eindringlich gefordert wird. Unter anderem verlangen die Sozialdemokrat:innen einen Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeitsplatzes, ferner die Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und die Beschränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiedereinführung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste. Die SPÖ will auch eine Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift und die Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung einer jungen Mitarbeiterin oder eines jungen Mitarbeiters doppelt zu besetzen. Zudem drängt sie auf die Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamt:innen bei der Verjährung einer Belehrung bzw. Ermahnung.

Sowohl Yildirim als auch Petra Tanzler (SPÖ) warfen der Regierung vor, auf die Pensionierungswelle nicht vorbereitet zu sein und befürchten große personelle Lücken in den nächsten Monaten zum Schaden der Bevölkerung. "Es herrscht Stillstand im öffentlichen Dienst", wetterte Yildirim in Richtung Regierung. Der Dienstbetrieb werde im Herbst nicht sichergestellt sein, warnte Tanzler. Die meisten Fächer würden nicht besetzt werden können und der schwarze Peter werde dann der Schulleitung zugeschoben. In ihrem Abänderungsantrag schlägt die SPÖ vor, Landesvertragslehrpersonen in der Induktionsphase, die über eine Lehramtsausbildung verfügen, nach Möglichkeit im Rahmen ihrer Lehrbefähigung vorrangig zu verwenden. Beide SPÖ-Initiativen wurden abgelehnt.

FPÖ:  Die Weiterentwicklung des Dienstrechts brennt unter den Nägeln

Auch die Freiheitlichen hätten sich mehr erwartet. Diese Novelle verdiene ihren Namen nicht, bekräftigte daher auch Christian Lausch (FPÖ). Ihm zufolge werden bestehende Probleme nicht einmal ansatzweise gelöst. Die Weiterentwicklung brenne unter den Nägeln, sagte er und unterstützte den Entschließungsantrag der SPÖ.

Als vordringlich bezeichnete Lausch Probleme im Sicherheitsbereich und forderte in seinem Entschließungsantrag, langgedienten Bediensteten im Sicherheitsbereich den Rückzug aus dem Schicht- und Wechseldienst ohne Gehaltseinbruch durch den Wegfall von Zulagen zu ermöglichen. Er kam damit aber nicht durch.

NEOS fordern Abschaffung des Lehrer:innendienstrechts und Einführung eines Rahmenvertrags

Das Lehrer:innendienstrecht sei ein Ausdruck der Bürokratie an den Schulen, meinte Martina Künsberg Sarre (NEOS) und forderte vehement dessen Abschaffung. Vielmehr brauche man einen Rahmenvertrag in autonomen Schulen.

Die vorliegende Novelle gibt ihr zufolge keine Antwort auf den Lehrer:innenmangel, auch nicht darauf, wie man zukünftige Arbeitsplätze für Lehrer:innen gestaltet und wie man den Lehrberuf attraktiv macht.

ÖVP: Neuerungen für den pädagogischen Bereich wichtig

Diese harsche oppositionelle Kritik wies Michael Hammer (ÖVP) zurück und warf vor allem der SPÖ vor, sich destruktiv zu verhalten. Das Dienstrecht sei eine komplexe Materie, sagte er, räumte aber ein, dass die anstehenden Pensionierungen den öffentlichen Dienst vor große Herausforderungen stelle.

Die vorliegenden Neuerungen seien für den pädagogischen Bereich wesentlich, betonte er, vor allem im Hinblick auf die Sommerschulen, die sich etabliert hätten. Hammer zeigte Verständnis für die Forderungen im Bereich der Landesverteidigung und kündigte Änderungen vor allem für Unteroffiziere, Offiziere und den Nachrichtendienst an.

Grüne: Der ordentliche Betrieb der Schulen wird gewährleistet

Die Komplexität des Dienstrechts wurde auch von Sibylle Hamann (Grüne) thematisiert. Es gebe hier viele Akteur:innen und Interessen. Es sei notwendig gewesen, noch vor dem Sommer den ordentlichen Betrieb der Schulen zu gewährleisten, verteidigte sie die Novelle.

So werde die Sommerschule nun selbstverständlich und erhalte einen dienstrechtlich attraktiven Rahmen. Die Erweiterung für Quereinsteiger:innen führe zu mehr Vielfalt und tue den Schulen gut, da nun vermehrt Erfahrungen von außerhalb hereingebracht würden. Die bisherigen Sonderverträge und Abschläge hätten viele davon abgehalten, als Lehrer:innen tätig zu sein, nun würden sie gleichgestellt.

Freie Radios und nichtkommerzielle TV-Sender – erhöhte Förderung soll Vielfalt stärken

Mit einer Novellierung des KommAustria-Gesetzes werden die jährlichen Fördermittel für freie Radios und nichtkommerzielle Fernsehsender von 3 Mio. € auf 5 Mio. € aufgestockt. Die Erhöhung soll bereits heuer erfolgen, wobei gemäß den Erläuterungen zum Gesetzentwurf zuvor noch grünes Licht von der EU-Kommission einzuholen ist. Ab 2023 will die Regierung dann jeweils im Jänner und Juli 2,5 Mio. € zur Verfügung stellen. Zudem werden Klarstellungen in Bezug auf das Volumen der Digitalförderung für Medien in den Jahren 2021 und 2022 vorgenommen. Mittels eines Abänderungsantrags wird das Inkrafttretensdatum auf den 1. Jänner 2022 vorverlegt und das Datum für die an die RTR GmbH erfolgende Überweisung der Mittel für den nichtkommerziellen Rundfunkfonds mit 1. August festgelegt. Begründet wird die Erhöhung der Mittel mit der Bedeutung einer vielfältigen Rundfunklandschaft und eines hochwertigen Programmangebots.

Die Novelle fand breite Unterstützung. Gabriela Schwarz (ÖVP), Sabine Schatz (SPÖ), Eva Blimlinger (Grüne) und Henrike Brandstötter (NEOS) unterstrichen die Bedeutung der nichtkommerziellen Medien für die Medienvielfalt, die Medienkompetenz und die Vermittlung regionaler Themen. Es sei wichtig, die Medienlandschaft bunt und vielfältig zu erhalten und diese auch zu stärken, sagte Schwarz, die erhöhte Förderung werde einige nichtkommerzelle Medien retten, ergänzte Blimlinger. 

SPÖ und NEOS wiesen dennoch darauf hin, dass auf dem Mediensektor noch großer Reformbedarf besteht. So erinnerte Schatz an den SPÖ-Antrag zur Reform der Medienförderung und thematisierte die aus ihrer Sicht aktuelle Schieflage durch die Intransparenz bei der Inseratenvergabe. Brandstötter urgierte ein neues ORF-Gesetz und weitere Schritte bei der Digitalisierung in Richtung Zuseher:innen. Die Diversität dürfe nicht an die Wand gedrückt werden, sagte sie. Ferner sprach sie die Zukunft der Wiener Zeitung an und beleuchtete kritisch die Tatsache, dass man in Österreich leicht einen Fernsehsender gründen kann. Sie vermisste auch Ideen für adäquate Antworten zu Fake News und Desinformation sowie eine Neuregelung der Datenbank der RTR GmbH im Interesse von mehr Transparenz. Schließlich drängte sie einmal mehr auf die Neuordnung der Presse- und Medienförderung sowie auf ein Informationsfreiheitsgesetz. Die Dringlichkeit all dieser Maßnahmen untermauerte sie mit dem Hinweis, dass Österreich beim Ranking in Bezug auf die Pressefreiheit abgestürzt ist. Ein Vertrauensverlust gegenüber den Medien zieht auch einen Vertrauensverlust gegenüber der Demokratie nach sich, warnte sie. Darauf reagierte Blimlinger seitens der Grünen mit einem Appell an die SPÖ und die NEOS, Einfluss auf ihre Wiener Parteikolleg:innen auszuüben und dem Fernsehsender Okto die Förderungen nicht zu streichen.

Gabriela Schwarz verabschiedete sich mit ihrer Rede aus dem Nationalrat. Sie wird Werner Amon, der in die steirische Landespolitik wechselt, in der Volksanwaltschaft nachfolgen. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.