Parlamentskorrespondenz Nr. 1369 vom 29.11.2022

Sozialausschuss beschließt Verlängerung der Möglichkeit zu Sonderbetreuungszeit bis Mitte 2023

Langzeit-Kurzarbeitsbonus kann ebenfalls noch um ein halbes Jahr länger beantragt werden

Wien (PK) – Der Sozialausschuss hat sich heute mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass Arbeitnehmer:innen mit Betreuungspflichten weiterhin Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen können. Ausgangspunkt war ein Initiativantrag zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz der Koalitionsparteien, der im Ausschuss um Regelungen für eine Phase 8 der Maßnahmen ergänzt wurde. Damit wird ein Anspruch auf Sonderbetreuungszeit bis 7. Juli 2023 ermöglicht. Alle Fraktionen außer den NEOS stimmten der Verlängerung zu.

Dem Ausschuss lagen außerdem die aktuellen Zahlen über die Zahlungen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zur Abgeltung der Ansprüche von Eltern, die Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen haben, für September und Oktober 2022 vor. Die Kenntnisnahme der Berichte erfolgte mit den Stimmen von ÖVP und Grünen.

Das Thema Arbeitsmarkt stand im Zentrum eines weiteren Beschlusses des Ausschusses. Um allen Anspruchsberechtigten den Zugang zum Langzeit-Kurzarbeitsbonus zu sichern, sprach sich die Mehrheit der Fraktionen für eine Verlängerung der Antragsfrist bis Mitte des kommenden Jahres aus. Der Beschluss wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen gefasst.

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen wurden die Monatsberichte des Arbeitsministeriums über die Zahlungen für COVID-19-Kurzarbeit im August und September 2022 mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Die Opposition thematisierte den Arbeitsmarktzugang in Entschließungsanträgen an Arbeitsminister Martin Kocher. Die Freiheitlichen fordern sektorale Zugangsbeschränkungen des Arbeitsmarkts als Mittel gegen die Langzeitarbeitslosigkeit österreichischer Arbeitnehmer:innen. Sie fanden dafür aber keine Zustimmung der anderen Fraktionen, der Antrag wurde abgelehnt. Von ÖVP und Grünen vertagt wurde ein SPÖ-Antrag, der eine Fortsetzung des Projekts "Muttersprachliche Beratung für Arbeitsmarktstabilität" des ÖGB Burgenland fordert.

Ebenfalls mehrheitlich vertagt wurden zudem zwei Anträge der NEOS zum Thema einer besseren Datenlage über Teilzeitarbeit und der Verringerung der Steueranreize für dieses Arbeitszeitmodell, die aus ihrer Sicht zu viele Personen davon abhalten, Vollzeit zu arbeiten.

Pandemiedingte Sonderbetreuungszeit wird verlängert

Ein Initiativantrag der Koalitionsparteien zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (3021/A), der vorerst nur eine redaktionelle Änderung enthielt, wurde im Ausschuss um einen Abänderungsantrag von ÖVP und Grünen ergänzt. Damit wird die Möglichkeit der Sonderbetreuungszeit ins kommende Jahr verlängert. Diese Möglichkeit werde geschaffen, da die Sonderbetreuungszeit der Phase 7 mit Ablauf des 31. Dezember 2022 ende, erklärte ÖVP-Abgeordnete Bettina Zopf. In Hinblick auf die nach wie vor hohen Infektionszahlen sei es sinnvoll, die Regelung zu verlängern. Die Phase 8 der Sonderbetreuungszeit soll demnach im Zeitraum zwischen 1. Jänner und 7. Juli 2023 gelten. Für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs von Arbeitgeber:innen und die Abwicklung ist ein Zeitraum bis 30. November 2024 vorgesehen.

Aus Sicht von NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker ist aufgrund des Endes der Pandemiesituation die Regelung überflüssig geworden. FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch sagte, auch sie gehe von einer Normalisierung aus, solange es aber Kontaktbeschränkungen gebe, sei die FPÖ auch für Sonderbetreuungszeit. Verena Nussbaum (SPÖ) meinte, statt die Regelung immer wieder neu zu verlängern, wäre es wahrscheinlich sinnvoller, keine Befristung des Gesetzes vorzusehen.  

Arbeitsminister Martin Kocher erklärte, es stimme zwar, dass die Pandemie sich auf die Schulen kaum mehr auswirke. Da es aber immer noch Kontaktbeschränkungen aufgrund von Infektionen gebe, sei es auch sinnvoll, Eltern mit Betreuungspflichten die Möglichkeit der Sonderbetreuung weiter einzuräumen. Zudem wisse man nicht, wie die Situation sich im Laufe des Winters entwickeln werde. Die Regelung baue auf COVID-19-Gesundheitsmaßnahmen auf und müsse deren Stand berücksichtigen, daher sei es auch nicht möglich, sie unbefristet zu verhängen, sagte Kocher in Richtung SPÖ.

Bisherige Kosten der Sonderbetreuungszeit aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds

Die Finanzierung der Sonderbetreuungszeit erfolgt aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds. Über die Kosten des Instruments geben regelmäßige Berichte des Arbeitsministers Auskunft. Bis Ende September 2022 haben sich demnach die Auszahlungen für Sonderbetreuungszeit auf rund 26,41 Mio. € erhöht (III-780 d.B.). In der Phase 6 sind bis Ende September 2022 insgesamt 17.927 Anträge eingelangt, wovon 5.356 ausbezahlt und 850 abgelehnt wurden. 11.721 Anträge waren damit noch offen. Bis Ende Oktober stiegen die Ausgaben auf rund 27.75 Mio. € (III-802 d.B.). Von den in der Phase 6 eingelangten 17.927 Anträgen wurden zum Berichtszeitpunkt 7.446 ausbezahlt und 988 abgelehnt. Mit Stand Ende Oktober 2022 waren 9.493 Anträge noch offen. Die Berichte wurden ohne Debatte mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Antragsfrist für Langzeit-Kurzarbeitsbonus wird verlängert

Ende vergangenen Jahres hat der Nationalrat eine Einmalzahlung in der Höhe von 500 € für jene Arbeitnehmer:innen beschlossen, die infolge der COVID-19-Pandemie mindestens zehn Monate in Kurzarbeit beschäftigt waren und sich im Dezember 2021 nach wie vor in Kurzarbeit befanden. Die Beantragung dieses Langzeit-Kurzarbeitsbonus ist nach aktueller Rechtslage bis Ende 2022 möglich und soll nun bis 30. Juni 2023 verlängert werden (2965/A). Damit soll sichergestellt werden, dass möglichst alle Berechtigten den Bonus auch erhalten, argumentierte Bettina Zopf (ÖVP) im Ausschuss. Zustimmend äußerte sich neben den Grünen auch die SPÖ.

NEOS-Sozialsprecher Loacker sprach von einer unnötigen Maßnahme. Wer bisher keinen Antrag gestellt habe, benötige den Bonus offenbar nicht, man müsse ihn daher niemand geradezu aufdrängen.

COVID-19-Kurzarbeitsberichte für August und September 2022

Die im Zuge der Corona-Krise geschaffene COVID-19-Kurzarbeit gilt seit März 2020 in mehreren Phasen. Seit Juli 2021 ist die Phase 5 in Kraft. Der Arbeitsminister erstattet in regelmäßigen Berichten Auskunft über die Ausgaben für COVID-19-Kurzarbeit. Bis Ende August 2022 hatten sich diese auf rund 9,79 Mrd. € erhöht (III-761 d.B.). Die Budgetbelastung inklusive noch offener Verpflichtungen betrug demnach rund 10,18 Mrd. €. Bis Ende September 2022 waren Auszahlungen in der Höhe von rund 9,8 Mrd. € für Kurzarbeit erfolgt (III-784 d.B.). Inklusive noch offener Verpflichtungen betrug die Budgetbelastung demnach rund 10,11 Mrd. €. Zwischen März 2020 und Ende September 2022 haben damit insgesamt 1.329.477 Personen Kurzarbeitshilfe bezogen. Am stärksten betroffen waren laut dem Bericht über den gesamten Verlauf die Branchen Warenerzeugung, Handel sowie Beherbergung und Gastronomie.

Die Berichte zeigten, wie wichtig das Instrument der Kurzarbeit am Höhepunkt der Pandemie gewesen sei, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, sagte ÖVP-Abgeordnete Tanja Graf.

Auf eine Nachfrage von NEOS-Sozialsprecher Loacker bestätigte Bundesminister Kocher, dass derzeit etwas über 3.000 Personen in Kurzarbeit und weniger als 3.000 für Kurzarbeit vorangemeldet seien. Kurzarbeit spiele also auf dem Arbeitsmarkt kaum mehr eine Rolle.

FPÖ pocht auf Zugangsbeschränkungen zum österreichischen Arbeitsmarkt

Mit in Verhandlung stand ein Entschließungsantrag der FPÖ, die einen neuerlichen Anlauf für ihre Forderung nach Zugangsbeschränkungen zum österreichischen Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitskräfte inklusive EU-Bürger:innen (2987/A(E)) fordert. Der Anteil ausländischer Schulungsteilnehmer:innen an AMS-Schulungen liege bereits bei über 50 %, argumentierte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Das AMS werde mit seinen Schulungen zu einer Auffangstelle für unqualifizierte Arbeitskräfte, die danach größtenteils direkt ins Sozialsystem überwechseln würden. Österreich müsse die "unqualifizierte" Zuwanderung stoppen, so die FPÖ, die sich mit ihrer Forderung in dieser Frage nicht durchsetzen konnte.

SPÖ fordert weitere Projektfinanzierung für muttersprachliche Beratung

Die weitere Finanzierung des Projekts "MBA - Muttersprachliche Beratung für Arbeitsmarktstabilität" des ÖGB Burgenland fordert SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits in einem Entschließungsantrag (2967/A(E)). Der ÖGB Burgenland biete seit mehr als 17 Jahren Arbeitnehmer:innen aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Türkei und dem arabischen Raum muttersprachliche Informationen und Beratungen, führte er aus. Mit dem Auslaufen der Finanzierung des Vorgängerprojekts und der Weigerung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft, dass aktuelle Projekt zu fördern, seien bisher erreichte Erfolge im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping gefährdet, kritisierte Drobits.

NEOS-Abgeordneter Loacker meinte, er verstehe nicht, warum der ÖGB die Finanzierung nicht selber übernehme, er habe durchaus die Mittel dazu. Bettina Zopf (ÖVP) verwies auf die Möglichkeit, das Projekt zu 80 % aus EU-Mitteln zu finanzieren, und sprach sich für die Vertagung des Antrags aus.

NEOS urgieren genauere Teilzeit-Daten und wollen Teilzeitanreize abschaffen

In einem Entschließungsantrag (2766/A(E)) greift NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker einen Vorschlag von AMS-Vorstand Johannes Kopf auf. Unternehmen sollen im Zuge der monatlichen Abgabenmeldungen künftig angehalten werden, auch die in den Arbeitsverträgen vereinbarte Wochenarbeitszeit ihrer Beschäftigten automatisch zu übermitteln. Die damit gewonnenen Daten müssten genutzt werden, um Maßnahmen gegen den bestehenden Arbeitskräftemangel und den "Teilzeitboom" zu setzen. Das sei wichtig, da eine Reihe von Faktoren zu einer stetig wachsenden Teilzeitrate führen. Dazu gehören aus Sicht Loackers auch gezielte Teilzeitanreize. So schaffe die vor Kurzem im Nationalrat beschlossene Steuerreform weitere Anreize zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Teilzeitbeschäftigung. Die NEOS würden daher fordern, Teilzeitanreize zu identifizieren und in weiterer Folge positive Anreize für die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung zu setzen (1959/A(E)).

ÖVP-Abgeordneter Ernst Gödl begründete den Vertagungsantrag zum Vorschlag der NEOS zur Datensammlung mit einer möglichen Erhöhung des bürokratischen Aufwands. NEOS-Abgeordneter Loacker widersprach und meinte, der Aufwand zur Umsetzung des NEOS-Vorschlags gehe gegen Null. Eine bessere Datenlage sei in vielen Bereichen wünschenswert, das habe die Pandemie deutlich gezeigt. Auch Alois Stöger (SPÖ) meinte, eine bessere Datenlage wäre wünschenswert und der bürokratische Aufwand gering.

Aus Sicht von Markus Koza (Grüne) sind steuerliche Maßnahmen nicht das Hauptproblem. Vielmehr müsse die Gesamtsituation des Arbeitsmarktes betrachtet werden, sagte er in seiner Begründung des Vertagungsantrags zum NEOS-Antrag betreffend die Anreize für Kurzarbeit. Einige Länder, etwa Frankreich und Dänemark, würden neue Wege einschlagen, indem etwa eine Mindestarbeitszeit definiert werde. Rosa Ecker (FPÖ) betonte, viele Beschäftigte, vor allem Frauen, würden sich bewusst für Teilzeit entscheiden. Allerdings sollte das Pensionssystem differenzieren zwischen denen, deren Teilzeitarbeit aufgrund von Betreuungs- und Pflegearbeit einen Beitrag zur Entlastung des Sozialsystems darstelle und denen, die keine solchen Leistungen erbringen.

Bundesminister Martin Kocher betonte, die Frage, warum so viele Personen sich für Teilzeit entscheiden, beschäftige sein Ressort massiv. Eine bessere Datenlage sei zweifellos wünschenswert. Er hoffe, dass er demnächst zu dieser Frage einen konkreten Vorschlag unterbreiten werde können. (Fortsetzung Sozialausschuss) sox