102/AE-BR BR

Entschließungsantrag
gern. § 21 GO-BR
der Bundesräte Ing. Johann Penz, Albrecht Konecny
und Kollegen
betreffend die Agenda 2000
Im Juli hat die Europäische Kommission im Rahmen der Agenda 2000 ihre Vorschläge und
Perspektiven für. die weitere Entwicklung der Europäischen Union und ihrer zentralen
Politikbereiche präsentiert.
Die Agenda 2000 enthält wesentliche Vorschläge zur Gestaltung der Europäischen Union und
legt die Leitlinien für die Osterweiterung, die Reform der Agrar- und Strukturpolitik und
einen neuen Finanzrahmen der Europäischen Union fest. Die Erweiterung der Europäischen
Union ist eine große Herausforderung und bietet eine Chance für die Stabilitäts- und
Friedenssicherung in Europa.
Die Agenda 2000 ist der Entwurf der Europäischen Kommission für die Entwicklung der
Europäischen Union und ihrer Politik für die folgenden Jahre und bringt nicht nur für die
Mitgliedstaaten, sondern auch für die Länder und Regionen wesentliche Veränderungen mit
sich. Österreich hat nun die Chance zentrale Entscheidungen, wie den Zukunftskurs der
Europäischen Agrar- und Strukturpolitik und den Erweiterungsprozeß, aktiv mitzugestalten.
Dieser weitreichende Entwurf der Europäischen Kommission wird auch Gegenstand der
Beratungen des Europäischen Rates im Dezember d.J. sein.
Die unterzeichneten Bundesräte betrachten die Erweiterung der Europäischen Union in
Richtung Mittel- und Osteuropa als eine Chance, die in wirtschaftlicher, sozialer und
politischer Hinsicht bestehende Spaltung Europas zu überwinden.
Die Einbindung der mittel- und osteuropäischen Länder in den wirtschaftlichen, sozialen und
politischen Integrationsprozeß soll dazu beitragen, stabile und gerechte soziale Verhältnisse in
Europa zu schaffen, bzw. zu sichern und eine demokratische Entwicklung zu garantieren. Die
Erweiterung der Union ist aber nicht nur eine Chance für die Sicherheit Europas, seine
Wirtschaft und seine Kultur, sondern auch für seinen Platz in der Welt.
Ein erfolgreicher Erweiterungsprozeß erfordert die Entwicklung einer zielorientierten
Heranführungsstrategie der Beitrittskandidaten an die Europäische Union sowie eine Reform
der internen Politikern der Union. Im Interesse einer erfolgreichen Erweiterung sind die durch
die Erweiterung entstehenden Kosten und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen für
die gegenwärtigen Mitgliedsstaaten genau zu prüfen und entsprechend zu berücksichtigen.
Unter Bedachtnahme auf die ausführlichen Erörterungen der Agenda 2000 im EU-Ausschuß
des Bundesrates stellen die unterfertigten Bundesräte daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Bundesrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
in der EU den Erweiterungsprozeß in Richtung Mittel- und Osteuropa zu unterstützen und
sich insbesondere für die Ausarbeitung einer zielorientierten Heranführungsstrategie der
Beitrittskandidaten einzusetzen;
die Stärkung der Wirtschaftskraft Österreichs und der Europäischen Union und die
Sicherung der Arbeitsplätze und des Lebensstandards als vorrangiges Ziel zu betrachten;
bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 die föderale Struktur Österreichs zu
berücksichtigen und darauf zu achten, daß die Interessen der Regionen auch in einer
erweiterten Union vertreten sind;
auf EU-Ebene weiterhin dafür einzutreten, daß der Beschäftigungspolitik Priorität
zukommt und sie bei den Gemeinschaftspolitiken der EU Berücksichtigung findet;
im Bereich der Erweiterung der Europäischen Union dafür einzutreten, daß bei den
Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten darauf geachtet wird, daß die vom
Europäischen Rat von Kopenhagen im Jahre 1993 aufgestellten Beitrittskriterien - wie
eine institutionelle Stabilität als Voraussetzung für demokratische und rechtsstaatliche
Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von
Minderheiten, eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Übernahme der aus der
Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und der Ziele der politischen Union sowie
der Wirtschafts- und Währungsunion - erfüllen und den ,,acquis" der Union, insbesondere
in sensiblen Bereich, wie der Umweltpolitik, ab dem Zeitpunkt des Beitritts anzuwenden;
dafür Sorge zu tragen, daß in sensiblen Bereichen - wie der Arbeitnehmerfreizügigkeit
und der Dienstleistungsfreiheit oder der Gemeinsamen Agrarpolitik - flexible
Übergangsfristen vereinbart werden;
sich dafür einzusetzen, daß seitens der Europäischen Union die soziale Dimension im
Zusammenhang mit der Osterweiterung stärker als bisher berücksichtigt wird und die
Übernahme der sozialen Mindeststandards der Europäischen Union auch als eine der
Anforderungen an die Beitrittskandidaten formuliert wird;
sich bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 dafür einzusetzen, daß die
vorgesehenen EU-internen Reformmaßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der
Nettozahlerposition Österreichs führen;
sich dafür einzusetzen, daß die Kosten der Osterweiterung von allen derzeitigen
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und nicht nur von den Nettozahlern getragen
werden;
für spezifische Instrumente zur Unterstützung für die von der Erweiterung betroffenen
Grenzgebiete im Osten der Union einzutreten;
im Bereich der Strukturpolitik dafür einzutreten, daß die beabsichtigte und
begrüßenswerte Reduktion der Struktur- bzw. der regionalpolitischen Zielgebiete von
derzeit 7 auf 3 zu einer Vereinfachung der Verwaltungsabläufe und einer klareren
Zuordnung der Zuständigkeiten innerhalb der Kommission führt und mit der
Neudefinition der Ziele brauchbare Förderkriterien aufgestellt werden, die den
unterschiedlichen Problembereichen im städtischen und im ländlichen Gebiet Rechnung
tragen;
sich ferner dafür einzusetzen, daß die Ausgabenbeträge für die Strukturfonds als
Ausgabenobergrenzen definiert werden;
darauf hinzuwirken, daß bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 und bei der
geplanten Erweiterung der Union die Entwicklung der gesamteuropäischen
Arbeitsmarktlage berücksichtigt wird;
die Beschäftigungspolitik insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugend- und
Langzeitarbeitslosigkeit, zur Förderung der Ausbildung und Qualifikation und des
lebenslangen Lernens weiterhin als politische Priorität der Europäischen Union und ihrer
Mitgliedsstaaten zu forcieren und für eine verstärkte Koordinierung im Bereich der
Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten und konkrete Schritte im Bereich der
Steuerharmonisierung einzutreten;
in den Verhandlungen über die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union die
multifünktionale und nachhaltige Aufgabenstellung einer flächendeckenden bäuerlichen
Landwirtschaft, wie sie in Österreich existiert, als Leitbild für die Landwirtschaft der
Union vorzuschlagen;
sich gegenüber der Europäische Kommission dafür einzusetzen, daß die Kommission bei
der Vertretung der Interessen der europäischen Landwirtschaft im Rahmen der WTO
gegen die völlige Liberalisierung der Agrarmärkte und den damit einhergehenden
Preisverfall eintritt;
im Interesse Österreichs und zum Zweck der Sicherung der Arbeitsplätze am Bauernhof
und im ländlichen Gebiet für die Absicherung der gegenwärtigen Finanzierungsregeln der
Gemeinsamen Agrarpolitik der Union und der Absicherung der agrarischen
Strukturförderung einzutreten.