238/A-BR/2017

Eingebracht am 29.09.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

GESETZESANTRAG DES BUNDESRATS

 

der Bundesräte David Stögmüller, [WeitereR AbgeordneteR], Freundinnen und Freunde

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz - SanG), BGBI. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 8/2016, geändert wird

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates wird dem Nationalrat der nachstehende Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz - SanG), BGBI. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 8/2016, geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz - SanG), BGBI. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 8/2016, wird wie folgt geändert:

1.    In § 11 Abs 2 lautet Z 3:

,,3. sofern ein Arzt nicht anwesend ist, die eigenverantwortliche Durchführung der allgemeinen Notfallkompetenzen durch den nach Z. 1 berechtigten Notfallsanitäter.“

2.    In § 12 Abs 3 lautet Z 3:

,,3. sofern ein Arzt nicht anwesend ist, die eigenverantwortliche Durchführung der besonderen Notfallkompetenzen durch den nach Abs. 2 und Abs. 3 Z. 1 berechtigten Notfallsanitäter.“

BEGRÜNDUNG

Im Sanitätergesetz 2002 (in Folge SanG) werden in Bezug auf die Zusammenarbeit von Sanitätern mit Ärzten bzw. Notärzten zwei unterschiedliche Begriffe verwendet, die seit Inkrafttreten des SANG für Unklarheiten bei den tätigen Sanitätern, Notärzten und den Rettungsorganisationen sorgen.

 

Einerseits wird in § 4 SanG (Allgemeine Pflichten) normiert, dass die Sanitäter das Wohl der Patienten und der betreuten Person nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren haben. „Nötigenfalls ist ein Notarzt oder, wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht, ein sonstiger zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt anzufordern.

Weiters wird im § 9 SanG (Berufs- und Tätigkeitsbild des Rettungssanitäters) im Zuge einer notwendigen Durchführung von lebensrettenden Sofortmaßnahmen ebenfalls eine unverzügliche „Anforderung“ eines Notarztes gefordert.

Andererseits normiert das SanG im Zuge der Anwendung der allgemeinen (§ 11) und der besonderen Notfallkompetenzen (§ 12) durch entsprechend ausgebildete Notfallsanitäter bei Arztabwesenheit „die vorangehende Verständigung des Notarztes oder die Veranlassung derselben“.

Die Verwendung dieser unterschiedlichen Begrifflichkeiten im SanG („Anforderung“ vs. „Verständigung) führt seit Jahren zu Diskussionen, sowohl im Rettungsdienst als auch unter einschlägigen Juristen. Die Fragestellung ist demnach offen, ob der Gesetzgeber hier bewusst unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet hat, die auch differenzierte Folgen auslösen sollen („Anforderung“ = unmittelbare Alarmierung eines Notarztmittels zum Einsatzort; „Verständigung“ = Informations-übermittlung ohne unmittelbarer Ausfahrtspflicht eines Notarztmittels zum Einsatzort) oder ob es sich bei den unterschiedlichen Begrifflichkeiten um Synonyme handelt, sodass stets von einer unmittelbaren Notarztalarmierung auszugehen wäre.

Beispielhaft für diese Diskussion haben Burkowski/Halmich in ihrem Kommentar zum SanG im Anschluss an die Bewertung dieser Begrifflichkeiten festgestellt: „im Zuge einer künftigen SanG-Novelle wäre eine Klärung dieser unterschiedlichen

Begrifflichkeiten dringend geboten“.[1]

Hellwagner stellt in einem wissenschaftlichen Abgrenzungsversuch von Rettungseinsatz versus Notarzteinsatz fest, dass die Versorgungsqualität in keiner Weise beeinträchtigt würde, sondern der Komplexität der möglichen Notfallsituation Rechnung getragen würde, wenn die zwingende Verständigung des Arztes bei Anwendung der Notfallkompetenzen ersatzlos fällt.[2]

Einem generellen und unkritischen Verzicht auf notärztliche Hilfe würde, durch diesen Verzicht auf die Normierung der Verständigung im Zuge der Ausübung der Notfallkompetenzen, nicht Vorschub geleistet werden, da im § 4 SanG nötigenfalls die Anforderung eines Notarztes gefordert wird.

Die vor Ort tätigen SanitäterInnen haben in Wahrnehmung ihrer selbständigen und eigenverantwortlichen Kompetenzen ständig die Notarztindikation zu prüfen und im Zweifelsfall jedenfalls den Notarzt nach- bzw. anzufordern.

 

Der Verzicht auf die zwingende Verständigung würde aber, in Wahrnehmung moderner notfallmedizinischer Konzepte, erlauben, Transportprioritäten entsprechend umzusetzen bzw. erlaubt auch den rationellen Einsatz von zunehmend knappen notärztlichen Ressourcen dort, wo durch Ausübung der Notfallkompetenzen keine ausreichende Stabilisierung der Vitalparameter erreicht werden kann, die einen sicheren Transport in den stationären Bereich gewährleisten.

Somit wird durch den Verzicht auf diese Verständigung keinesfalls ein Verzicht auf notärztliche Versorgung normiert, er erlaubt aber den gut ausgebildeten NotfallsanitäterInnen mit Notfallkompetenzen eine individuelle Beurteilung der Situation vor Ort in Bezug auf ihre möglichen Kompetenzen.

Es erfolgt durch diesen Verzicht auf eine Verständigung keinesfalls eine Erweiterung des Kompetenzrahmens oder ein zunehmend eigenständiges Agieren der NotfallsanitäterInnen ohne begleitende ärztliche Kontrolle.

Die ärztlichen Leitungen der jeweiligen Rettungsorganisationen bleiben für die begründete Freigabe der Arzneimittellisten (§ 10, 11 SanG) und über die Vorgabe des Anwendungsbereiches der Arzneimittel als eine generell antizipierte ärztliche Indikation umfassend für die medizinische Aktualität und Schlüssigkeit der Vorgehensweise der NotfallsanitäterInnen verantwortlich.[3]

Für eventuelle Fehlbeurteilungen ist durch die im SanG normierte Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der SanitäterInnen der Haftungsrahmen ausreichend definiert, um Selbstüberschätzungen durch NotfallsanitäterInnen vorzubeugen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss des Bundesrates vorgeschlagen.



[1] Burkowski/Halmich, Kommentar zum Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter, NWV, Graz 2016, S. 107.

[2] Hellwagner, Rettungseinsatz versus Notarzteinsatz in Österreich - ein Abrenzungsversuch in öGERN (Hrsg.) System und Haftungsfragen in der Notfallmedizin, NWV Graz 2015l, S. 55.

[3] Vgl. dazu Zeinhofer, Verabreichung von Arzneimitteln durch Notfallsanitäter, RdM05/2016, S. 177ff.